Mit seinem Album Detroit Diesel aus dem Jahr 1986 hatte Alvin Lee ein Werk abgeliefert, das man so in etwa der Rubrik 'Ganz okay' zuordnen kann, mit Ruhm bekleckert hatte er sich aber ganz sicher auch nicht. Möglicherweise war der gute Alvin auch selbst nicht so richtig zufrieden damit, denn mit weiterem neuen Solomaterial hielt er sich in den folgenden Jahren erstmal zurück. Erst 1992 erschien dann "Zoom", für das er die Musiker Steve Grant (keyboards) sowie seine Langzeit-Kollaborateure Alan Young (drums) sowie Steve Gould (diesmal am Bass) um sich geschart hatte. Auch auf dieser Platte gibt es wieder prominente Gastbeiträge in Person von George Harrison und Jon Lord, die zwar hinsichtlich des Gesamtsounds eher weniger ins Gewicht fallen, dafür konnte allerdings Clarence Clemons (Bruce Springsteen) wichtige und gute Akzente setzen.
"A Little Bit Of Love" eröffnet die Scheibe sehr rockig, während "Jenny, Jenny" deutlich den Rock’n’Roll der fünziger Jahre in sich trägt. Trotzdem ein sehr cooler Titel. Bei "Remember Me" zollt der Brite dann allerdings dem damaligen Zeitgeist Tribut, was sich unter anderem mit 'aus der Dose' klingendem Schlagzeug und irgendwie abgehacktem Gesang bemerkbar macht. Leider bleibt Lee auch bei "Anything For You" – von einer kräftigen Gitarre im Refrain abgesehen – bei diesem eher eingängigen, radiofreundlichen Sound. Für "The Price Of This Love" kehrt der Engländer dann glücklicherweise wieder zu krachendem Blues Rock und somit zu dem zurück, was er am besten kann. Klasse knackige und an den besten Stellen gar funkensprühende Gitarren-Soli und guter, expressiver Gesang machen diese Nummer aus, die manchmal kurioserweise ein bisschen an ZZ Top erinnert. Und mit "Real Life Blues", einem Slow Blues, sind wir dann endgültig wieder im Alvin Lee-Kosmos angelangt. Somit fällt das Zwischenfazit nach der ersten Vinylseite erstmal im überwiegend positiven Bereich aus.
Was "Zoom" allerdings tatsächlich rausreißt, ist die zweite Seite dieser Vinyl-Auflage des Albums. Angefangen bei der hervorragenden Gitarrenarbeit bei "It Don’t Come Easy" über das sehr gute Instrumental "Lost In Love" bis zu dem gestandenen Blues-Rocker "Wake Up Moma" gehen die ersten drei Nummern schon mal anstandslos als Gewinner durchs Ziel. Bei dem letztgenannten Stück hat übrigens Clarence Clemons am Saxofon einen seiner Auftritte und liefert einen ganz feinen Gastbeitrag ab. "Moving The Blues" ist anschließend ein ebenfalls sehr cooler Rocker mit guter Gesangs-Melodie sowie der zum guten Gelingen auch immer nötigen Spielfreude. Erneut ist Clemons mit seinem Saxofon am Start und rundet diese vier Minuten gekonnt ab. Okay, das abschließende "Use That Power" fällt dann zwar durch seinen sich ständig wiederholenden Refrain etwas ab, kann aber immer noch überzeugen. Letzten Endes also ein cooles und gutes Album, selbst wenn es mit den Großtaten eines Alvin Lee aus den Sechzigern und Siebzigern nicht ganz mithalten kann.
Insgesamt kann man "Zoom" im Vergleich zu "Detroit Diesel" also eindeutig als das bessere Album einordnen, was letzten Endes vor allem der zweiten Hälfte der Songs zuzuschreiben ist. Aber auch vier der sechs Tracks auf der ersten Vinyl-Seite sind durchaus gelungen. Lediglich "Remember Me" sowie "Anything For You" trüben das Gesamtbild etwas. Und weil auch der Sound dieser neuen 180g-Vinyl-Ausgabe wieder sehr gut ausgefallen ist und mächtig Spaß macht, kann die Platte bedenkenlos empfohlen werden. Das unter dem Review aufgeführte Line-up erhebt übrigens keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Und Alvin Lee meldete sich bereis zwei Jahre später mit "1994" zurück, worauf wir in Kürze ebenfalls genauer eingehen werden.
Line-up Alvin Lee:
Alvin Lee (guitars, lead vocals)
Steve Grant (keyboards)
Steve Gould (bass)
Alan Young (drums)
With:
George Harrison (guitar)
Clarence Clemons (saxophone)
Jon Lord (keyboards)
Joe Brown (keyboards)
Tracklist "Zoom":
- A Little Bit Of Love
- Jenny, Jenny
- Remember Me
- Anything For You
- The Price Of This Love
- Real Life Blues
- It Don’t Come Easy
- Lost In Love
- Wake Up Moma
- Moving The Blues
- Use That Power
Gesamtspielzeit: 26:48 (Side 1), 21:29 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2023 (1992)
1 Kommentar
I. Lozo
16. Juni 2023 um 20:14 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Ja, sehr nachvollziehbare Rezension. Vielleicht eine Ergänzung:
Der Song "Price of this love" wurde von Peter Maffay gecovered;
erschien mit deutschem Text als der Song "Kreuzfeuer".