Weihnachten ist die Zeit für Geschenke. Nicht wenige Metalfans verbinden mit dieser Zeit Erinnerungen an vergangene Festivals unterm Hallendach. Es sind Erinnerungen, die zum Teil schon länger zurück liegen, was nicht nur an Corona liegt. Da kommt es natürlich gelegen, wenn sich vier Bands für einen Abend verabreden, um die Konzertsäle in Melancholie, schwere Riffs und zeitlose Melodien zu hüllen.
Eine Doppel-Headliner-Tour hatten Amorphis und Eluveitie geplant und dafür außerdem Dark Tranquility und Nailed To Obscurity verpflichtet. Geboren war ein Festival. Zumindest gefühlt erfüllte der Vierer locker diesen Anspruch mit fast sechs Stunden Musik, die Umbaupausen einmal mitgerechnet. RockTimes war am 10. Dezember im Felsenkeller in Leipzig mit dabei.
Das Line-Up war eine schöne Bescherung, die den perfekten Soundtrack in der Weihnachtszeit lieferte. Musikalisch naturgemäß weniger besinnlich, dafür aber sehr nach dem Geschmack der Besucher im gut gefüllten Saal. Vier Bands, vier Länder, so funktioniert internationaler Austausch auf engem Raum.
Den Auftakt machten Nailed To Obscurity. Sänger Raimund Ennenga stellte die 2005 gegründete Formation kurzerhand als eine Band aus Ostfriesland vor und wohl jeder durfte sich fragen: Warum darf Metal nicht auch aus dem äußersten Nordwesten Deutschlands kommen, wo sonst Komiker Otto Waalkes und die Biermarke Jever aus der gleichnamigen Stadt für den Bekanntheitsgrad der Urlauberregion sorgen? Nailed To Obscurity erwiesen sich als eine bestens aufgestellte Liveband, wobei die Stimmenakrobatik von Sänger Raimund Ennenga begeisterte und eine Art Markenzeichen war. Spiellaune zeichnete alle Akteure aus. Die zurückhaltende Moderation des Sängers zwischen den einzelnen Titeln hatte Charme. Man merkte deutlich, die Ostfriesländer wollten keine Zeit verschenken; sie waren zum Spielen da. Der Melodic Death Metal überzeugte und sofort wurde klar, die Bands des Abends hatten viel gemeinsam, aber jede Combo hatten trotzdem ihren eigenen Stil. Schon die erste Band konnte punkten, Publikum und Musiker lagen ganz auf Augenhöhe.
Dem schlossen sich mit einem ebenfalls 40-minütigen Set Dark Tranquility an. Die Melodic Death Metal-Band aus der schwedischen Großstadt Göteborg wurde bereits 1989 unter dem Namen Septic Broiler gegründet. Stilistisch knüpften sie weitestgehend an Nailed To Obscurity an. Das Sextett war jedoch zusätzlich mit einem Mann an den Tasten ausgestattet, die Martin Brändström seit 1999 in der Band bedient. Das mündete nicht nur in derartige Klangpassagen, zum Teil hatten die Titel schon Instrumentalcharakter. Sänger Mikael Stanne, der bis 1993 Gitarrist in der Band war, zeigte sich schwer gerührt von den Reaktionen des Publikums. Lassen wir einmal die Folgen von Corona außer Acht, so ist nicht zu übersehen, dass die Akteure auf der Bühne das kollektive Miteinander mit den Fans suchten und dieses in Form ihrer Darbietungen zu erwidern wussten. Klasse, es waren zwei Vorbands, die eine Empfehlung abgaben und die an diesem Abend sicherlich neue Fans hinzu gewinnen konnten.
Man muss gar nicht unbedingt von einer Steigerung sprechen, aber Abwechslung war garantiert, als die neun Akteure von Eluveitie die Bühne betraten. Metal und mittelalterliche Einflüsse sind hierzulande schon lange salonfähig, doch die Schweizer setzten mit ihrem Mix noch einen drauf. Die Eidgenossen unterstrichen, dass sie weitaus mehr als nur Schokolade und Kräuterbonbons beherrschen. Im Mittelpunkt stand zweifelsfrei Christian 'Chrigel' Glanzmann, der den gutturalen Gesang pflegt und zusätzlich noch diverse Instrumente beherrscht.
Mit ihm im Wechsel agierte Sängerin Fabienne Erni, die außerdem eine keltische Harfe zum Klang brachte. Damit gab sie in der keltischen Musik den Ton an, die bei Eluveitie das Pendant zum schwergewichtigen Metal ist. Der ständige Wechsel zwischen beiden gegensätzlichen Stilrichtungen war äußerst reizvoll. Nach dem einstündigen Part stand für mich fest: Kurzweiliger und facettenreicher kann ein Konzert nicht sein. Mit Hingabe und Perfektion spielten die neun Akteure ihre Instrumente, auch hier ging es Schlag auf Schlag. Bei den Schweizern wurde gleichfalls deutlich, wie schwer der lange Entzug mit den Fans zehrte. Dieses Gemeinschaftsgefühl prägte den Auftritt bei allen Mitwirkenden. Die Bezeichnung Celtic Metal wird dem Mix aus Metal, zumeist Melodic Death Metal, und keltischer Musik zugesprochen. Für RockTimes ein Grund, unserer gut aufgestellten Rubrik Musikstile ein weiteres Kapitel hinzuzufügen.
Amorphis oblag es nun, die Spannung als vierte Formation des Abends hochzuhalten. Es lag förmlich in der Luft, dass diese Spannung zu halten war. Wie immer gab es Fans, die schon viele Konzerte gesehen und gehört hatten, andere erlebten ihr erstes Mal als Besucher. Das allein machte schon den Reiz des Auftritts der Finnen aus. Die aktuelle Tour gilt ihrem neuen Album Halo. Mit den beiden ersten Titeln dieser Produktion, "Northwards" und "On The Dark Waters", begann das Set, dem weitere Kompositionen aus dem aktuellen Werk folgen sollten, gefolgt von Hörproben vergangener Jahre.
Amorphis waren bestens fokussiert auf ihre Show und spielten ihren Part hoch konzentriert. Es war ein Auftritt ohne Makel. Es ist live ein Vergnügen, Sänger Tomi Joutsen zu beobachten. Der Frontmann, der diese Rolle seit 2005 ausfüllt, schafft es scheinbar spielend, zwischen gutturalem und melodischem Gesang zu wechseln. Die erfolgreiche finnische Formation beherrscht es, vielfältige Stilrichtungen im Metal zu vereinen. Das Faninteresse ist entsprechend groß. Amorphis sind längst zu einer Marke gereift, die einen eigenständigen Charakter hat. Überzeugend ist auch hier die Spielfreude aller Akteure.
Der Konzertreigen war für die Fans ein Genuss, die Begeisterung grenzenlos. Das Miteinander von Musikern und Fans war beispielhaft und ein Aushängeschild für den Metal-Bereich. Die Weihnachtszeit zeigte sich in Leipzig von ihrer schönsten Seite.
Ein herzliches Dankeschön geht an Anne Swallow von Atomic Fire Records für den Fotopass und einen Eintrag auf der Gästeliste.
©Fotos: Mario Keim
Eluveitie
Amorphis
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