Die traut sich was, die Anna. Könnte man meinen, wenn man Song Nummer fünf sieht und sich fragt, ob das die Nummer von Dio ist. Ist es, aber wer Frau Karney schon mal gehört hat weiß, dass sie gerne Stücke von sog. musikalischen Dinosauriern in ihre Tracklisten baut. Zum einen, weil sie diese Lieder mag und zum anderen, weil sie solche Sachen ohne die geringste Spur von Größenwahn zu haben, auch performen kann.
Ein weiterer Grund ist der, dass sie bekannte Musiker der Bay Area neben sich hat, die ebenfalls keine Zweifel an ihren Talenten oder besser, Fähigkeiten aufkommen lassen. Bill Ortiz sowie Karl Perazzo kennen wir von ihrem Mitwirken bei Santana.
Was mich allerdings wundert ist, dass dem Album kein Booklet beiliegt. Im Prinzip kann man "Creatures In The Garden" als Konzeptalbum betrachten, wenngleich sich mit "Across The Planet", "Eternity" sowie "Aurora" auch drei Stücke aus ihrem Album Love & Respect auf der Platte befinden – in Remix-Version. Die Originalstücke kenne ich nicht, denn ihr Einstand bei RockTimes wurde 2012 von meiner Kollegin Sabine rezensiert und gelobt. Vergleichen ist aber eher nicht angebracht, denn wie bereits erwähnt, will Anna mit "Creatures In The Garden" auf etwas hinweisen und hat so ihre Liebe zum Planeten sowie die Schönheit der Erde zum Thema des Albums gemacht. In ihrer Heimat mögen wohl die meisten Hörer verstehen, was sie zum Klimawandel zu sagen hat – in der alten Welt sollte man den Leuten die Lyrics aber an die Hand geben, damit sie mitlesen können und so der Zugang zu ihren Texten erleichtert wird.
Der Opener "Sinners And Saints" lässt einem gleich ihre klare und wunderbare Stimme wieder ins Ohr fließen. Der übersetzte Textauszug 'Ich bin kein Sünder, wenn du kein Heiliger bist' soll zeigen, dass ihre Botschaften nicht eindimensional sind. Eindimensional ist auch das musikalische Umsetzen nicht, denn neben der Version mit glasklarer Akustikgitarre zum Beginn des Silberlings gesellt sich die Version mit der geballten Bandkraft am Ende der Scheibe. Kommen wir zur Sache, denn das Dio-Cover interessiert natürlich an erster Stelle. Und ja, sie kann es. Natürlich ist das Heavy Metal dünner gewebt, aber stark rockige Fäden sind vorhanden und die Nummer macht Spaß.
Spaß macht auch "Across The Planet", ja ich kann sagen, dass dieser Remix 'mein Stück' auf "Creatures In The Garden" ist. Zum einen, weil die Musikerin hier wie eine Kate Bush klingen kann, ohne deren stimmlichen 'Eskapaden' zu verwenden. Zum anderen, weil sich gerade hier zeigt, wie gekonnt Songwriting, Dramaturgie und musikalische Kompetenz ganz oben angesiedelt sind. Das Stück startet eher sanft, bricht dann aber so los, dass "Rainbow In The Dark" im Rückspiegel immer kleiner wird. Die Gitarre brettert Powerchords, der Bass forciert diese noch und dann bricht eine Trompete so dermaßen ins Geschehen, dass es eine wahre Freude ist. Sofort ist Chuck Mangiones "Children Of Sanchez" in den Ohren, wenn die Augen auch wissen, dass dort eigentlich ein Flügelhorn zu Gange war. Die Brachialität ist aber die Gleiche und lobenswert auch die dezidierte Schlagzeugarbeit. Saustark!
Im Titeltrack kann man sich direkt in die Protagonisten hineinversetzen, wenn sie kaffeetrinkend im Garten sitzt und das Folgende von sich gibt:
»All the creatures in the garden, coesxisting with me
all tending to sweet mother earth . so dilettantly …«
Gut, der Kaffee darf einen Schuss haben, oder durch ein Getränk nach Wahl ersetzt werden, aber die Worte sollen zeigen, wie die Protagonistin an die Thematik herangeht. Kein Schaum vor dem Mund und keine erigierten Zeigefinger.
"Peace Is More", der Trackname suggeriert bereits, um was es geht. Lyrisch wird das mit einer Original-Einspielung von Fred Rogers aufgepeppt, der da sagte: »Peace means far more than the opposite of war«. Rogers, auch bekannt als Mr. Rogers war (ich zitiere aus Wikipedia) »ein US-amerikanischer Fernsehmoderator, Musiker, Puppenspieler, Schriftsteller, Produzent und presbyterianischer Pastor«.
Dass Frieden weit mehr als das Gegenteil von Krieg ist, darf gerne ein jeder für sich einmal überdenken …
So finden sich in jeder Nummer Aspekte, die zum Hinhören animieren. Sei es der Einsatz der Slide-Gitarre im Dark Country angehauchten Remix von "Eternity", der spannende Aufbau des ebenfalls neu gemixten "Aurora" und und und. Die Musik von Frau Karney ist auf der einen Seite eingängig und erfordert keine spezielle musikalische Vorliebe, auf der anderen Seite lohnt es sich aber zuzuhören. Nicht nur der Texte, sondern auch der Musik wegen, die sehr facettenreich und wohl durchdacht ist. Sie zeugt vom Können, dem Herzblut, den Ideen und dem berühmten Händchen der Künstlerin. Auch und gerade für die Auswahl ihrer Mitmusiker. Dass Anna Karney mit ihrer Musik über dem Teich bekannt ist, wundert da kaum.
Line-up Karney:
Anna Karney (vocals, acoustic and electric guitars, keyboards)
James Deprato (guitar – #1,3,5,9,10)
Kevin White (bass – #1,3,5,10)
Kyle Caprista (drums – #1,3,5,10)
Jeff Herrera (drums – #2,4,7,8)
Erik Smith (- #4)
David Doucet (bass – #4,9)
Phil Bennett (Hammond organ – #4)
Karl Perazzo (percussion – #9)
Kim Manloeus (bass – #2,7,8)
Gawnin Mathews (guitar – #2,7,8, slide guitar – #7)
Bill Ortiz (trumpet – #2)
Tracklist "Creatures In The Garden":
- Sinners And Saints[Acoustic] (04:26)
- Across The Planet [Remix] (04:30)
- Creatures In The Garden (03:48)
- Peace Is More (04:31)
- Rainbow In The Dark (04:17)
- Shell Shock Girl [Acoustic] (02:41)
- Eternity [Remix] (03:40)
- Aurora [Remix] (03:01)
- Wildfire (03:54)
- Sinners And Saints (04:30)
Gesamtspielzeit: 39:18, Erscheinungsjahr: 2023
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