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Anubis / The Second Hand – CD-Review

Schon längst als überhitzter Sehnsuchtsort eines beinharten und lebensfrohen Menschenschlages, zudem dank bonbonfarbener Reisepropaganda, überaus einladend angepriesen, so entbot sich der fünfte Kontinent bisher durchaus als musikalisch zerfurchtes Fleckchen.
Darüber hinterließ die übermächtige und teils schattenwerfend ruhende Glucke des Vereinigten Königreiches wohl mehr ihre mächtigen Abdrücke, wogegen die bluesig-rockenden Klangfarben ihrer rauhtönigen Gitarren-Kolonisten, und deren Einfall ins Ami-Volkstum infiltrierte Kneipen-Liedgut, als ein doch rühmlicheres Erbe verblieb.
Immerhin verewigten sich schmachtende Falsett-Lerchen wie die Gibb-Familienbande oder die Beat-infizierten Easybeats, als quasi Chromosomenspender für die taktangebenden Gleichstrom-Wechselstrom-Rocker, in die Annalen der Musikgeschichte.

Längst Geschichte, vermag das 'Gelobte Land' heutzutage musikalisch viele Geschmäcker zu beglücken, sei es mit ureigenen Kreationen, rotzigem Rock ’n' Roll oder den neugeformten Blaupausen einstiger Artrock-Mentoren, ferner noch Klangkoloristen vernebelter Studentenbuden.
Sechs begabte Burschen aus der Hauptstadt des australischen Bundesstaat New South Wales scheinen letzteres ausgiebig inhaliert zu haben, insbesondere die unkonventionellen zudem aufmerksamkeitszehrenden Rock-Revolutionäre, welche sich mit virtuosem Größenwahn wie auch konzeptuell ganze Plattenseiten einnehmenden Lehrstücken verewigten.

Ebenso setzen nun die, nach dem altägyptischen Gott der Totenriten benannten Musiker, auf ihrem mittlerweile vierten Studiowerk wiederum auf eine eigenhändige Nachlasspflege, jener hörbuchanmutenden, zugleich in bedeutungsschwangeren Arrangements gebetteten Auswüchse, die seinerzeit als 'Rock-Oper' ein etwas elitäreres Hörertum eroberte.
Anubis treten dabei, wie schon etliche davor, in die inzwischen vertieften Fußstapfen kunstrockender Gralshüter und zeichnen mit "The Second Hand" die bitteren Einsichten jenes, seinerzeit dahinsiechenden – obendrein ans Pflegelager-gefesselten – Medien-Moguls James Osbourne-Fox und gleichwohl die ausweglosen Gedanken dieses machthungrigen Seelen-Terminators nach.

Die Musiker aus Down Under beschreiten mit ihren Arrangements dafür alle progtechnisch belegten Flure aufgeblasener Klangkonstrukte, sowohl in hymnischer als auch verschachtelter Manier, und unterliegen allen Versuchungen nach luziden, an Maestro Gilmour gemahnte Stratocaster-Höhenflügen.
Anubis unbedingter Wille und enorme Musikalität hierbei etwas Großes zu schaffen, obendrein eine an Siebziger Themen-Werke orientierte Psychostudie über Selbstsucht, Machthunger, Massenmanipulation, dazu die Einsamkeit angesichts des Sensenmannes hörbar zu verpacken, birgt auch seine Gefahren. Einerseits möchten diese den wohlgesonnenen Konsumenten mit lückenlosen siebzig Minuten ein waches Gehör abverlangen, andererseits bemühen sich die Virtuositäten der 'Aussies', wenn auch nur bedingt, jenen musischen Parcours der ewigen Selbstzitate und im Leerlauf verheddertenden Spielkünste zu umgehen.
So geraten ausufernde Kompositionen, wie ein scheinbar mühelos lässig zwischen Tasten-belegtem Zuckerwerk und Floydschen Saiten-Restern pendelndes "While Rome Burns" oder "Pages Of Stone" synthieswogende darüber hinaus in rockdramaturgische Höhen aufschwingende Neoprog-Anleihe, zu kleinen Genre-Opern mit Tiefgang.

Zwischen den charakteristischen Breitwandklängen, ambienten Tastaturen plus exuberanten Bratgitarren trumpft Robert James Mouldings wehmütig knödelnder Tenor und erbietet dem konzeptionell zeitgemäßen, jedoch erhobenen sowie tradionellem Prog-Haupte zugetanem Mittelklasse-Werk, seine klaren Referenzen.


Line-up Anubis:

Robert James Moulding (vocals, guitars, percussion)
David Eaton (organs, mellotron, piano, synthesizers, guitar, vocals)
Douglas Skene (electric&acoustic guitars, electric sitar, vocals)
Dean Bennison (electric&acoustic guitars, slide guitar, vocals)
Anthony Stewart (electric&acoustic bass, moog bass pedals, vocals)
Steven Eaton (drums, percussion, glockenspiel, vocals)

Tracklist "The Second Hand":

1.The Second Hand
2.Fools Gold
3.These Changing Seasons
4.The Making Of Me
5.While Rome Burns
6.Blackout
7.These Changing Seasons II
8.Pages Of Stone
9.These Changing Seasons III

Gesamtspielzeit: 69 Minuten, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Ingolf Schmock

Als gebürtiges Mauerkind zudem frühzeitig mit westlichen Rock'n Roll-Ultrakurzwellen-
Oddyseen und Beatclub-Aufklärungen sozialisiert, galt mein musikalisches Verständnis
deren meist langmähnigen Aussenseitern. The Who, Small Faces, The Move...,später dann
Hartglötzer wie Black Sabbath, Deep Purple&Co., zu guter Letzt Schwurbel-Pioniere
ala Yes, Genesis, ELP...waren (sind) meine Helden sowie Seelenklempner.
Heute liegt mein Hauptaugenmerk (auch Hierzulande) auf sowohl handgemacht Rockistischem
mit Engagement und Seele, als auch Prog-gebrandmarkten virtuos-Verspieltem.

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