Nein, einen Wettbewerb der audiophilen Art wird diese Platte wohl nicht gewinnen. Obwohl das schade ist, will, bzw. kann sie das auch nicht, denn den Klang muss man als historisch bezeichnen. Es war sicher eine schwere Aufgabe, die Marlon Klein mit seinem Berliner Exile Studio da gestellt bekam. Und ich kann mir vorstellen, dass das Ausgangsmaterial noch eine Ecke staubiger war und das, was nun aus der Anlage kommt, das bestmögliche Ergebnis darstellt.
Man muss wissen, dass die Aufnahmen von John Du Cann selbst getätigt wurden und auch aus seinem Besitz stammen. Immerhin: So historisch wie der Klang, darf auch die Musik bezeichnet werden. Und rar ist sie auch, denn laut Label handelt es sich um »die einzigen Konzertaufnahmen von Atomic Rooster mit Carl Palmer auf Vinyl.«
Wie bei Sireena üblich, werden solche Goodies immer adäquat präsentiert, was sich in vorliegendem Fall als limitiertes 10inch-Vinyl darstellt.
Atomic Rooster, auf diese Band muss an dieser Stelle nicht mehr groß eingegangen werden, denn die 1969 von Vincent Crane und Carl Palmer gegründete Hard-, Blues- und Progrockband und deren Verflechtungen mit The Crazy World Of Arthur Brown sowie Emerson Lake & Palmer gehören zum Allgemeinwissen eines anständigen Rockers und können darüber hinaus auf unseren Reviews zu Atomic Rooster und Live At London 1972 vertieft werden.
Die vorliegenden Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1970, kurz nach Du Canns Einstieg also. Nach ihrer Schweden-Tournee im Frühjahr tourte Atomic Rooster in Großbritanninen und spielte dazwischen auch im Londoner Paris Theatre live Radioaufnahmen für die BBC ein. Diese vier Stücke sind auch auf der 2000er CD von Angel Air Records mit dem Titel "Live And Raw (1970-71)". Die anderen vier Tracks auf "Live And Raw (1970-71)"stammen aus BBC-Aufnahmen des Jahres 1971.
Auch diese CD dokumentiert den Verlust der Original BBC-Bänder mit reduzierter 'Audio-Qualität'. Aber da es sich, wie beim Sireena-Vinyl, um die einzigen Liveaufnahmen dieser Bandkonstellation aus dieser Zeit handelt, mag man da gerne drüber wegsehen, bzw. -hören.
Bereits "Friday The 13th" zeigt das packende Zusammenspiel von Orgel und Gitarre. Die beiden Instrumente werfen sich die Bälle zu und produzieren einen rauen Kampf, der, wie auch die anderen drei Aufnahmen zeigen, dass Atomic Rooster zu diesem Zeitpunkt auch einen jazzigen Unterton in ihrem Spiel hatte. Grandios dann das sich anschließende Instrumental "Gershatser", das später im gleichen Jahr Einzug in die LP "Death Walks Behind You" fand. Hier ist die Interaktion der Instrumente besonders schön zu erleben und die jazzig experimentellen Passagen am deutlichsten. Der junge Carl Palmer trommelt sich die Seele aus dem Leib. "Winter", wie auch "Friday The 13th" sind Tracks aus dem Album "Atomic Ro-o-oster" (1969/70 und nicht zu verwechseln mit "Atomic Rooster" aus dem Jahr 1980).
"Winter" ist eingebettet in fast verspieltem Progressive Rock, innerhalb dessen Grenzen – die den Anfang und das Ende der Nummer abstecken – Orgel, Schlagzeug und Gitarre wieder wilde Ritte absolvieren. "Shabaloo" macht mir etwas Kopfzerbrechen. Nicht musikalisch, denn da reiht es sich in das Song-Quartett ein. Ob das Stück aber außer auf den BBC-Sachen oder Samplern jemals offiziell gepresst wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.
Tja, wer braucht diese Platte? Zum Musikhören ist sie eher weniger geeignet, denn klanglich hält sich der Spaß wirklich in Grenzen. Aber wenn man "Live At Paris Theatre 1970" als Zeitdokument, als Sammlerstück, als Rarität einstuft … ja dann mag man sie gerne im Regal stehen haben.
Line-up Atomic Rooster:
Vincent Crane (organ)
John Du Cann (vocals, guitars)
Carl Palmer (drums)
Tracklist "Live At Paris Theatre 1970":
- Friday The 13th (6:37)
- Gershatser (8:46)
Side B:
- Winter (6;36)
- Shabaloo (6:57)
Gesamtspielzeit: 28:56, Erscheinungsjahr: 2018 (1970)
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