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Ax Genrich / Krauts & Other Herbivores – CD-Review

Ax Genrich - "Krauts & Other Herbivores" - CD-Review

Ein neues Album von Ax Genrich ist eigentlich immer was Besonderes. Warum? Weil der Gitarrist und Krautrocker der ersten Stunde es auf all seinen Werken versteht, eine ganz spezielle, fast schon greifbare Atmosphäre aufzubauen, diese zu verdichten, sich darin zu vertiefen und sie dann komplett auszuleben. In eben diesen Zustand nimmt er seine geneigten Hörer und Fans ebenfalls immer mit, führt sie durch unterschiedliche Gemütslagen und versteht es dennoch, sie am Ende dieser audiophilen Reisen immer wieder sanft ins 'echte' Leben zurückzuführen. Genrich war der Mann an den sechs Saiten auf den ersten fünf Alben von Guru Guru, mit denen er bis heute immer wieder mal sporadisch auf der Bühne steht. Etwa Mitte der siebziger Jahre stieg er aus, um eine Solokarriere zu starten, die mit der ersten Scheibe "Highdelberg" eine in der Szene bis heute als 'Kult' verehrte Platte zutage brachte. Ab den Achtzigern wurde es ein bisschen ruhiger um den in Süddeutschland lebenden Musiker, aber speziell in den letzten zirka zehn Jahren kam es glücklicherweise wieder regelmäßig zu neuen Veröffentlichungen.

Für sein neues Werk hatte der gute Ax wieder den Musiker und Multiinstrumentalisten Edgar Türk an seiner Seite, der ja auch bereits bei Out Of The Desert und The Butter Melting Sessions als Bassist mit am Start war. Das Herzstück dieses neuen Albums ist ganz klar das knapp 22-minütige "Sunrise On Mars", das tatsächlich nur mit einem Trip in eine andere Welt, oder von mir aus auf einen anderen Planeten, beschrieben werden kann. Was Genrich und 'Sunhair' Friedrich am Synthesizer hier abziehen bzw. auf die Beine stellen, ist nichts weniger als – ein bisschen Fantasie-Vermögen beim Hörer vorausgesetzt – ein hochspannender Film fürs Kopfkino, der auf dunkle Pfade, tiefe Täler, bedrohliche Schluchten, aber auch himmelhoch jauchzende Höhen führt. Ein echtes Erlebnis und eine hervorragende Zusammenarbeit von zwei Musikern, die offenbar genau wussten, was bzw. wohin sie mit der Nummer wollten. Das unangefochtene Highlight der Platte.

Was aber bei weitem nicht heißen soll, dass die anderen drei Stücke auch nur einen Deut schwächer sind. Direkt im Anschluss an "Sunrise On Mars" reißt Daniel Schwarz den Hörer mit seinen straighten Drums geradezu aus dem Traum vom roten Planeten und bringt ihn zurück in die Wirklichkeit. "Stone Age Rock" ist mit der Instrumentierung von Gitarre, Bass und Schlagzeug dann auch die rockigste Nummer auf dem Silberling. Das geht richtig schön geradeaus und punktgenau auf die Zwölf, selbst wenn Ax Genrich auch hier nicht auf seine vielseitigen Gitarren-Effekte verzichtet. Klasse und ein perfekter Nachfolger zu dem vorherigen Trip in andere Welten. Dass der Protagonist auf diesem Album nahezu ganz auf Gesang (Ausnahme sind kurze, aber in den Hintergrund gemischte Einlagen bei "Stone Age Rock") verzichtet, trübt den Genuss der guten dreiviertel Stunde ebenfalls nicht, was nur noch stärker für die Qualität der enthaltenen vier Tracks spricht.

Das eröffnende "Stone Friends" ist ein weiteres Beispiel dafür, dass der in Berlin aufgewachsene Musiker mit seiner Gitarre wie eine ganze Band klingen kann bzw. diese gar nicht vermissen lässt. An der zweiten Gitarre und (vor allem!) an den Congas wird er hier von Edgar Türk begleitet, der ebenfalls einen super Job abliefert. Und beim abschließenden "Ice Creek Trance" kann der Hörer wieder ganz tief ins Tal der (angenehmen und sanften) Träume abgleiten, während die Gitarre die Gedanken des Hörers erneut auf die Reise schickt. Letzten Endes kann man Ax Genrich für "Krauts & Other Herbivores" zu einem weiteren sehr ausdrucksstarken Album gratulieren, das nicht nur Tiefe, sondern auch Visionen hat. Und zugleich wohl auch die Gefühlswelt des Musikers widerspiegelt, während er die Einladung ausspricht, ihm dorthin zu folgen. Wer diese Art von Musik mag, der darf sich dieses Album nicht entgehen lassen.


Line-up Ax Genrich:

Ax Genrich (guitars, vocals – #3)
Edgar Türk (guitar – #1,4, congas – #1, bass – #3, gong – #4)
Horst 'Sunhair' Friedrich (synthesizers – #2)
Daniel Schwarz (drums – #3)
Jürgen Bröhl (piano – #4)

Tracklist "Krauts & Other Herbivores":

  1. Stone Friends (8:45)
  2. Sunrise On Mars (21:45)
  3. Stone Age Rock (8:13)
  4. Ice Creek Trance (7:00)

Gesamtspielzeit: 46:04, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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