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Aynsley Lister Band / Konzertbericht, 26.04.2019, Blue Shell, Köln

Es ist schon eine Weile her, dass ich mit meinem Kumpel und Bürokollegen zusammen ein Konzert besucht habe, es müsste einer der Auftritte von Julian Sas in der Bonner Harmonie gewesen sein. Schorsch, der früher im Internet seine eigene Sendung 'Big Wheels' moderiert hat, spielte damals auch Musik von Aynsley Lister. Der wiederum startete am 26.04.2019 im Blue Shell Köln seine zweieinhalbwöchige Europatour. Grund genug, ihm einen Besuch abzustatten, zumal die Location sozusagen in der Mitte unserer Domizile Euskirchen und Duisburg liegt.

Für die Stadt Köln selbst war es ein merkwürdiger Abend, weil der heimische FC den Sprung zurück in die Fußball-Bundesliga just in dem Moment ansetzte, als ich in der Domstadt eintraf und eher widerwillig die ersten Reagenzgläser heimischer Braukunst verzehrte. Kölsch ist nicht gerade mein Ding. Doch während wir, inzwischen im Blue Shell eingetroffen, weniger landestypisch zu Hefeweizen wechselten, verbreitete sich eine Nachricht wie Lauffeuer: Pustekuchen, die Geisböcke haben ihr Heimspiel verloren.

Es gehört zu den guten Eigenschaften der Kölner, dass die mit Nackenschlägen wohl besser umgehen können als irgendwelche andere Ethnien in unserem Lande, der positiv vorfreudigen Stimmung im Haus tat der Fehltritt der Böcke somit keinerlei Schaden an. Ich lernte Rolf kennen, der für das Booking des Clubs verantwortlich zeichnet und konnte ein weiteres mal ein Versprechen einlösen, welches ich einst den Jungs von The Universe By Ear gegeben hatte. Mal sehen, ob was daraus wird, wäre cool.

Pünktlich um 21 Uhr betrat ein sichtlich gut gelaunter Aynsley Lister mit seiner Band die Bühne und freute sich über ein wohlwollendes Publikum in einem ausverkauften Club. Wenn man um sich schaute, musste ich wieder mal meiner alten Kollegin Tabea Recht geben, die damals immer von 'Alte-Männer-Musik' gesprochen hatte. Angesichts der Anwesenden ließ sich dieses leicht diffamierende Stigma nicht leugnen, leider.

Schnell wird klar, dass der musikalische Ansatz bei Aynsley Lister ein anderer ist als bei den Bluesern und Bluesrockern, die ich zuletzt besucht habe, etwa Julian Sas oder Jimi Barbiani. Aynsleys Duktus lebt zum einen von seiner für den Blues fast sanften Soulstimme, die nicht klagend gebrochen, sondern mit melancholisch klarem, gefühlvollen und sehr tragendem Gesang den Herzschmerz des Blues adaptiert. Und dann sein wundervolles Gitarrenspiel. Glockenklare Licks, geschmeidig groovende Riffs und ein gespenstisch gutes und melodiöses Einfühlungsvermögen, die aufgebaute Stimmung eines Songs von einem Höhepunkt zum anderen zu tragen und zu eskalieren. Das hat nichts mit der schrill krachenden, aggressiven Spielweise gemeinsam, wie sie beispielsweise Leslie West 2011 sehr genial in "Unusual Suspects" umsetzte, aber eben auch nicht mit den für meinen Geschmack viel zu rund und glatt geschliffenen Produktionen des Herrn Bonamassa. Dessen Fans mögen mir diesen Hinweis verzeihen.

Aynsley Listers Musik trägt sehr viel Herz in sich und das wirkt in jeder Sekunde ehrlich und glaubhaft. Er beginnt heute mit eher locker groovenden, soullastigen Nummern und zieht die Daumenschrauben erst allmählich an. Seine Bandbreite ist enorm. Immer wieder wecken seine Phrasierungen Erinnerungen an den großen Stevie Ray Vaughan, in "Everything I Have To Give" soliert er sozusagen in der Sprache eines Walter Trout, den ich vor seiner Erkrankung früher auch oft live gesehen habe. Aber auch da zeigt sich ein markanter Unterschied. Während Walter stets – und nach seiner Lebertransplantation eher noch mehr – den typisch amerikanischen Show-Gedanken pflegt und sein (über alle Zweifel erhabenes) Gitarrenspiel durch seine Gestik mitunter fast schon bizarr überzeichnet wie eine Jahrmarktsnummer präsentiert, pflegt Aynsley ein sehr angenehm sympathisches Understatement. Der Mann ist einfach gut, ohne jeden Firlefanz. Ein begnadeter Musiker.

Irgendwann sagt Schorsch:»Hey Michael, Du magst es vielleicht für verrückt halten, aber irgendwie hat der Typ ganz viel von Warren Haynes Ich muss dazu anmerken, dass Schorsch dem Meister ähnlich verehrende Gefühle entgegenbringt wie ich. Nein, das ist keinesfalls verrückt, diese Parallelen gehen mir schon eine ganze Weile durch den Kopf. Die zurückhaltende Ausstrahlung, der fast schmeichelnd gefühlvolle Gesang und vor allem dieses enorme Einfühlungsvermögen verbunden mit der spielerischen Klasse, mit der Aynsley in den Soli brilliert, das alles sind Merkmale und Attribute des Meisters Warren. Nur noch fünf Wochen, dann werde ich die Gegenprobe starten können.

Und als ob Aynsley Lister die Gemeinsamkeiten mit den Eseln noch weiter vorantreiben mag, spielt er seine Konzerte ebenfalls in zwei Sets, fünfzehn Minuten, um Luft zu holen und die Resteverwertungsprodukte vom Weizenbier zu entsorgen, was in einem ausverkauften Club quasi nur in einer Pause halbwegs unschädlich umzusetzen ist.

Später bekommen wir mit "Inside Out" genau den Song, den mein Kumpel damals in seiner Sendung eingebaut hatte. Ein Wort zur Band. Die passt sich ganz und gar mannschaftsdienlich und unaufgeregt in die Stimmung der Songs ein, groovt und geht ab, wenn es sein muss, bringt aber auch die langsamen und melancholischen Nummern äußerst wirkungsvoll auf die Bühne, immer völlig fixiert auf den Boss, der den Boss so gar nicht raus hängt. Die von Andrew Price bedienten Keyboards bleiben meist geschmeidig im Hintergrund und legen einen schönen Teppich für Aynsleys warmherzigen Gesang. Aber wenn das Piano abgeht, dann beben die Bretter. Wir erleben herrliche Dialoge zwischen klirrend perlenden Tasten und präzise klaren Saiten, die sich wechselseitig in einen Spielrausch treiben. Es sind dies wohl die wildesten Fahrten des heutigen Abends.

Mit "I’m Tore Down" gibt es die erste Cover-Nummer, den alten Freddie King-Klassiker habe ich wohl schon sehr oft auf den Bühnen Europas gehört, Aynsley bringt ihn herrlich adaptiert und auf sein Spiel angepasst. Auch die Königsdisziplin des Blues darf nicht fehlen. Aynsley greift zu einer alten Halbakustischen und zieht den Bottleneck über, dann wird geslidet bis der Arzt kommt. Jetzt wird’s richtig geil.

Es ist schon bis hierhin ein großartiges Erlebnis, dabei sein zu dürfen, wie uns ein vielfach ausgezeichneter Musiker durch die ganze Welt des Blues führt. Mal in die Sümpfe von Louisiana, mal nach Chicago, mal garniert mit schweißig dampfendem Groove, dann wieder elegant treibendem Soul. Die Hütte bebt, als das Ende des regulären Sets erreicht ist.

Und dann gibt es kein Halten mehr. Zurück auf der Bühne kündigt Aynsley an:»This is a song which you all might know.« Ein jeder im Blue Shell weiß, was jetzt kommt. Wir erleben den Beweis, dass ein Cover manchmal genau das aus einem Song machen kann, was der eigentliche Autor vielleicht im Sinn hatte, jedoch von seinem Management zu einer weitaus poppigeren Version genötigt wurde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Aynsley Listers Cover von "Purple Rain" ist eine Nummer zum Niederknien, berührt von den Göttern des Rock’n’Roll und ganz sicher eine Sache für die Hall Of Fame. Prince wird gelächelt haben, dort droben auf seiner astralen Wolke und wir haben sein wohl größtes Werk inhaliert und eingesogen, erst andächtig und mit zitternden Knien, dann voller Inbrunst und am Ende völlig aufgelöst. Knappe zehn Minuten, die uns ein Stückchen von der Ewigkeit zeigten. Wie Aynsley dieses Kunstwerk behandelt ist nichts geringeres als eine Sensation, das muss man nicht beschreiben, man muss es sich anhören. Gelegenheiten gibt es zur Genüge, die Tour hat ja gerade erst begonnen. Für alle Rockfreunde in meiner Heimatstadt Duisburg darf ich auch schon mal dezent auf die Halloween-Nacht Ende Oktober hinweisen, dann beehrt uns Aynsley Lister mit seiner einzigartigen Musik im Grammatikoff. Ein absoluter Pflichttermin.

Und weil der gute Aynsley aus Leicester stammt und Deinen Song so einmalig vorgetragen hat, lieber Prince: Vielleicht kannst Du da oben ja mal an den Stellschrauben des Fußball-Schicksals drehen und Aynsleys Heimatverein zu ein bisschen Genialität pushen, wenn die demnächst gegen Manchester City spielen. Millionen Liverpool-Fans rund um den ganzen Erdball würden eine Kerze für Dich anzünden. Dann würde ich meine große rote Fahne mit den fünf 'Big Ears' (Pokal für den Champions League-Sieger, früher Landesmeister-Pokalsieger) durch Duisburgs Innenhafen tragen und Deinen Song singen – sicher nicht wirklich schön, aber tief, ehrlich und laut und ganz bestimmt nicht trocken in den Augen und der Kehle.

Ich war längere Zeit nicht mehr beim Blues, Aynsley Lister und seine kongenialen Kollegen haben mir sehr deutlich gezeigt, dass dies ein schwerer Fehler war. Ich gelobe Besserung und freue mich auf kommende Konzerte. Die Version von "Purple Rain" hingegen wird mich wohl nie wieder verlassen, es war dies ein großer Moment in meinem persönlichen Konzertgeschichtsbuch. Und das ist ja auch schon eine ziemlich dicke Schwarte.

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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6 Kommentare

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  1. Hans Weber

    Hallo, und auch ich danke für den netten Bericht.
    Habe die Band gestern in Reichenbach a.d.F. gesehen, aber in einer anderen Konstellation als hier vorgestellt:

    Aynsley Lister – gui, voc
    Andy Price – keys
    Jono Martin – b, background voc
    Craig Bacon – dr

    Also Drummer und Bassist sind neu.
    Ich weiß nicht, wann und warum Bonito Dryden die Band verlassen hat, der alte Bassist jedenfalls soll am 29.1.2019 sein letztes Konzert mit A. Lister gegeben haben (https://www.youtube.com/watch?v=XlMLRJfZwZk). Und eigentlich sollte man das neue Lineup bei dem Konzert in Köln auch gemerkt haben, oder??

    1. Michael Breuer

      Sorry, aber das ist mir durchgegangen. Aynsleys Begleitmusiker waren mir bislang nicht bekannt und da ich einerseits die Musiker vom meinem Platz am Ende der Location kaum erkennen konnte (daher auch keine Fotos) und bei der Recherche im Internet keinerlei Hinweis auf einen Besetzungswechsel gefunden hatte, habe ich das Line-up eingesetzt, so wie die Band Anfang des Jahres wohl noch angetreten war.
      Wir haben die Besetzung daher komplett raus genommen aus dem Bericht.
      Danke für den Hinweis.

  2. Mario Keim

    Es beruhigt mich an der Stelle, wenn ich sehe, dass ein Konzertbericht durchaus auch ohne Foto funktionieren kann, obwohl ich im Normalfall immer vom Gegenteil ausgehe!
    Bei meinem Bericht über das durchaus gelungene Accept-Gastspiel (21.04.2019, Haus Auensee, Leipzig) hätte ich angesichts der „unterirdischen“, nahezu unvorstellbaren Arbeitsbedingungen wohl auch lieber darauf verzichten sollen. Angesichts der so entstandenen Qualität der Bilder aus der Saalmitte (!) heraus…. Ich habe darüber nichts in meine Ausführungen erwähnt, ich wollte keinen Leser damit langweilen. Die Thematik ist ja inzwischen hinreichend bekannt.
    Einen Seitenhieb auf die schlechte Kommunikation seitens der Band (zweiter Gitarrist, Herkunft der Orchestermusiker bzw. Dirigent) konnte ich mir indes nicht ersparen.
    Keep it hard
    keep it heavy
    Mario

    1. Michael Breuer

      Hi Mario, Fotos gehören eigentlich dazu, wenn es sich denn ausgeht – sehe ich auch so.
      Ich hatte aber nur eine Mini-Kamera in der Tasche, da ging gar nichts – im Prinzip hatte ich nicht einmal vor, einen Bericht zu schreiben, weil ich schlicht und einfach mal wieder mit einem Kumpel einen drauf machen wollte. Das Konzert war aber viel zu geil, um nicht ein paar Gedanken darüber zu verlieren.
      Das ist ja gerade das spannende an Konzerten, dass sich was unerwartetes entwickelt, im Umfeld interessante Erlebnisse ergeben, man coole Leute kennen lernt und oftmals hinterher auch Statements von den Musikern bekommt. Die sind ja meist um Kontakte bemüht, da erfährt man immer wieder was Neues. Darüber zu schreiben macht immer Sinn, auch ohne Fotos.

      Und so sehr ich Fotos liebe (am liebsten fotografiere ich in der Natur, bin halt ein Berg-Freak), bei Konzerten hab ich echt keinen Bock, mich auf Bilder zu konzentrieren, wenn gerade das gespielt wird, was mir besonders nahe geht. Diese Momente gehören mir quasi allein, beschreiben und teilen kann ich die dann hinterher. Es würde mir sonst ein Stück weit die Stimmung nehmen.

      In ein paar Wochen kommen Gov’t Mule nach Europa, dann ist meine Welt wieder in Ordnung – schreiben werde ich sicher was, Bilder würde ich eher nicht versprechen. In diesem Sinne,
      Michael

  3. Michael Breuer

    Hi Carlo, ich hab keine Ahnung, was dahinter stecken könnte, habe selbst schon viele Konzerte bevorzugter Musiker in Berlin angeschaut. Unvergessen die Elektrohasch-Label-Night 2011 mit meinen Freunden von Been Obscene, Sungrazer und The Machine – just nach einem 0:5 verlorenen Pokalendspiel.

    Ich weiß nicht, ob Du Stoner- bzw. Psych-Rock magst, aber beim Desertfest am kommenden Wochenende sind echt geile Bands dabei, ganz besonders am Freitag. Karten gibt es wohl noch, der Freitag juckt mich gewaltig, vielleicht überleg ich es mir noch.
    Und am Montag spielt Ilya Lipkin mit seinen Re-Stoned in Kreuzberg (Mittwoch dann bei uns im Pott), der ist auch ein Erlebnis.
    Immerhin, die Stonerszene steht dicke hinter Berlin.
    Grüße aus Duisburg,
    Michael

  4. Carlo Luib-Finetti

    Danke für diesen netten Bericht. Leider sind wir Berliner mal wieder ausgeschlossen vom Tour-Reigen. Ich weiß nicht, aber es interessiert mich schon lange, warum so viele mir liebe Musiker und Bands die Stadt meiden. Mal so nebenbei in die Runde gefragt: Weiß hier jemand etwas darüber?

    Gerade Aynsley würde mich Live sehr interessieren, weil ich denke, der ist eine andere Nummer als die vielen jüngeren Blues-Epigonen, die vielleicht handwerklich gut sind, aber wenig Eigenes entwickelt haben. Seine Prince-Adaption schätze ich ebensosehr wie der Autor dieses Berichts. Wie gut er ist, hat er schon 2002 als Standalone-Live-Spieler auf dem Album 'Supakev 'N' Pilchards' bewiesen.

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