
Backwater haben sich der besonders erdigen Musik der Siebziger und Achtziger verschrieben und sind in unserem Magazin bereits vor fünf Jahren in Erscheinung getreten – Kollege Jochen berichtete damals durchaus angetan.
Seit dieser Zeit hat sich das Gesicht der Band ein wenig verändert, jeweils ein neuer Lead-Gitarist und Schlagzeuger finden sich im Line-up wieder und da ich den Erstling nicht kenne, vermag ich nicht zu sagen, in wie weit sich das auf die Musik ausgewirkt hat. So betrachte ich das Werk gänzlich unvoreingenommen und stelle erst einmal fest, dass die Referenzen und Quellen für die Musik von Backwater ziemlich präzise zutreffen.
Wer AC/DC, Rose Tattoo oder ZZ Top als Inspiration bezeichnet, der muss entsprechend liefern. Das wird hier prinzipiell erfüllt, es wird mit viel Leidenschaft und handwerklich gekonnt gerockt und der all gegenwärtige Spirit des Southern Rock gibt dem ganzen ein eigenen Anstrich. Beste Voraussetzungen, dann mal los.
Der Auftakt mit dem leicht boogiegetriebenen "Jack The Ripper" geht gut ab und vermittelt Vorfreude auf ein fünfzig minütiges Feuerwerk mit rotzig krachenden Gitarren und einer coolen Sangesstimme. Aber der Spannungspegel schlägt nicht weiter aus und schon nach dem ersten Hördurchgang des Albums vermisse ich so etwas wie Nachhaltigkeit. Irgendwie ist nichts prägnantes Hängen geblieben, bleiben die Songs eher anonym und erreichen das Langzeitgedächtnis nicht. Eine eindeutige Gleichschaltung in den Kompositionen mag dazu beitragen, vor allem aber die aus meiner Sicht wenig tragenden und stimmlich nicht besonders ausgeprägten und daher eher belanglos einsilbig wirkenden, mehrstimmigen Gesangsparts in den Refrains, die dann auch noch bis zur Verzweiflung wiederholt werden. Die kommen gegen Marcs außerordentlich wirkungsvolle Rockröhre nicht an, auch wenn starke Gitarren das ganze gekonnt abfedern und den Zuhörer und seine Aufmerksamkeit schnell auf ihre Seite ziehen. So wirkt das Ganze dann doch ein Stück weit stereotyp und wiederkehrend, stellt sich in gewisser Weise selbst ein Bein.
Und dann "Angel Of Devil", die vermeintliche Ballade, die im Intro fast ein wenig den legendären Namensvetter "Angel" des Herrn Hendrix zitiert. Lässt sich am Anfang alles gut an, aber dann … Boah Leute, gefühlte zehntausend »na, na, na, na, na, na, na« im Hauptrefrain sind eine echte Geduldsprobe, noch dazu mit ausgeblendetem Schluss ohne jeden Akzent. Fast wie bei Monty Python und den Rittern, die immer »Ni« sagten.
Live kann man so eine Mitsingnummer aus der Situation vielleicht mal machen, wenn es denn passt. Aber als Grundstruktur eines Songs? Mir zerstört es die Stimmung der gesamten Nummer, die so packend begann.
Gut, vielleicht bin ich da ein wenig pingelig und wer allzu eingängige Hooklines nicht als schädlich empfindet, der wird mit den Tracks seinen Spaß haben.
Übrigens, bei "Whiskey In The Jar" sollte man nicht an den legendären Irish Folk-Song denken, den Thin Lizzy einst in der Rockwelt etablierten, der ist es nämlich nicht. Hier handelt es sich um eine eigene Komposition, die nichts mit dem zitierten Namensbruder zu tun hat. Wer das hinreißende Original mal in seiner ursprünglichen Form kennenlernen mag, der sollte die Version von The Dubliners googeln. Pure Magie und sogar ein Leitmotiv in einem besonders kniffligen "Columbo"-Fall, den ich verrückter Weise gerade anschaute, als diese CD in meinem Postfach landete. Wie gesagt, das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.
Mir scheint ein kleiner, aber ganz entscheidender Makel über der Produktion zu liegen, den die Band im Begleitmaterial indirekt selbst formuliert: »Mit dem neuen Wurf "Rock’n’Roll History" erhoffen Backwater, noch mehr Publikum zu erobern«. Ich weiß, für mich ist es leicht, das zu sagen, wohl wissend um wirtschaftliche Gesetze und Abhängigkeiten und dem verständlichen Wunsch nach Anerkennung. Aber ich finde dennoch, das ist der denkbar falscheste Ansatz, den man wählen kann – sich dem Publikum gefällig machen zu wollen. Und genau daran leidet das eigentlich sehr solide und schicke Album, es sucht ein bisschen zu viel Fishing For Compliments und Eingängigkeit. Freunden der raueren Gangart könnte das unangenehm aufstoßen.
Die Musik geht insgesamt gut ab und macht entsprechende Party-Stimmung, die meisten Komponenten passen eigentlich trefflich. Immer dann, wenn der Gesang sich allein auf Marc konzentriert, ist alles gut. Die Rhythmus-Sektion treibt eloquent voran und die Gitarren liegen voll im Saft. Doch die Produktion ist aus meiner Sicht viel zu sehr auf Kompatibilität ausgerichtet und bremst sich damit selbst ein wenig aus. Was sehr schade ist, denn das Potential der Band ist unbestreitbar.
Der Titel "Rock’n’Roll History" ist vollmundig gewählt und wohl eher den eigenen Wurzeln als der neuen Produktion gewidmet. Für mehr reicht es diesmal auch nicht.
Line-up Backwater:
Marc Vermot (vocals)
Stéphane Monbaron (lead guitar)
Fred Gudit (guitar)
Michel Demierre (bass)
Thierry Wetzel (drums)
Tracklist "Rock’n’Roll History":
- Jack The Ripper
- Sweet Little Passion
- Shine For Me
- Rockin' Style
- I Just Want Love
- Welcome To My World
- Rock’n’Roll History
- Rosie Got A Gun
- Angel Of Devil
- Overdrive
- Pictures On The Wall
- Ride Down
- Whiskey In The Jar
Gesamtspielzeit: 51:28, Erscheinungsjahr: 2020
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