»Der Rock’n’Roll rollt, und das Auto steht«. Ein Zitat aus dem Bauer, Garn + Dyke Album Nummer zwei, das hier nicht besprochen werden soll. Zielführend ist die Zeile dennoch, denn sie beschreibt nicht nur elementare Attribute von Hannes Bauers humorvollen Texten, sondern umschreibt auch ziemlich treffend, wie der Bandleader zurückblickend die Zeit mit seiner damaligen Band empfunden hat. Auf seiner ausgesprochen witzig formulierten Website erzählt Hannes davon. Die Band muss damals wirklich sehr viel auf Tour gewesen sein, noch dazu unterwegs in ziemlich alten Karren. Schade, dass man Hannes heute meist nur noch auf den Bühnen seiner heimischen Gefilde finden kann – am 30.12. in der Fabrik Hamburg besteht dazu eine solche Gelegenheit.
Damals aber – wir schreiben das Jahr 1979 – war Hannes sehr umtriebig, gründete seine Band Bauer, Garn + Dyke und stieg nebenbei bei Udo Lindenberg ins Panikorchester ein, wo er bis heute aktiv ist. Eigentlich hatte er vor, seinen knallharten Blues Rock mit englischen Texten zu spicken, doch Produzent Frank Dostal hatte da sehr präzise Vorgaben: Entweder Ihr singt deutsch, oder die Platte ist gestorben. Diesem dezenten Hinweis gab es nichts entgegen zu setzen. So entstand der legendäre "Laubfrosch Blues", das vielleicht abgefahrenste Cover einer uralten Blues-Nummer. »Baby, hätt’s Du gern einen Laubfrosch in Deinem Bett – es liegt schon einer drin, und der ist dick und fett«.
Stilistisch haben Bauer, Garn + Dyke mit Udos Panikorchester nichts gemeinsam, hier werden die guten alten Tugenden tief im Blues verwurzelter Rockmusik bis in alle Exzesse ausgereizt. knochentrockenes Schlagzeug harmoniert genial mit einem eben solchen Bass, eine schrill aggressive Gitarre tobt in irrwitzigen Läufen darüber und eilt von einem Höhepunkt zum anderen. Blues Rock vom Feinsten, mit Texten, für die der Deutsche Fan keine Fremdsprache erlernen muss. Wow. Da müssen wir Herrn Dostal eigentlich sehr dankbar sein, dass er uns diese Sprachbarriere aus dem Weg geräumt hat, denn der herrlich schräge Humor in den Texten von Hannes Bauer entfaltet sich garantiert am Besten in seiner Muttersprache. Wie schreibt er selbst über die Eindeutschungen so schön auf seiner Webseite: »Wenn’s sein musste, mit der Brechstange und dem Reim-Dich-oder-ich-fress-Dich-Lexikon«. Beispiel gefällig? »Und gibt es ein Gewitter, spiel ich Dir was auf der Zither, von Gary Glitter« (aus Sturmfrei, dem Titelstück).
Vergleiche mit Ten Years After sowie Alvin Lee sind im Bezug von Bauer, Garn + Dyke vermutlich schon sehr oft gezogen worden und die Sinnhaftigkeit dieser Parallele kulminiert natürlich in der genialen Version von "I’m Going Home", die hier kurz und knapp "Ich hau ab" heißt. Damals, als Alvin im Original so wild und ausufernd improvisierte, nannten ihn viele Fans den schnellsten Gitarristen seiner Zeit. Nun denn, Hannes muss da keine Vergleiche scheuen, der Junge ist wieselflink auf den Saiten und bringt die Soli auf dem gesamten Album punktgenau ins Ziel. Das geht ab wie die viel zitierte Schmitz Katze. Und als Draufgabe jodelt der Ur-Norddeutsche eine Einlage in die legendäre Woodstock-Nummer. Abgefahren!
Mächtig Dampf macht auch die Rhythmus-Sektion, mit einem stakkatoartig, knarzigen Schlag und dem punktgenau pumpenden Bass in den weitgehend auf Tempo getrimmten Songs, ganz besonders in dem treibenden Boogie "Guitar Man". Und immer wieder diese herrlich verrückten Texte wie in der Berlinerisch aufbereiteten Nummer "Da Ha Ick Bock Druff", wenn der Held des Songs mit seinem Mädel ins Kino geht: »Ick hab Dir, Du hast mir, wir ha’m uns im Parkett, dritte Reihe. Während wir uns betatschen, zermatschen Travolta die Haie«.
Und gerade in den bluesigen Nummern werden immer wieder auch mal Gedanken an ein paar sehr bärtige Herren aus Texas wach – ZZ Top-Freunde werden bei Bauer, Garn + Dyke ganz sicher nicht abstinent.
Nur einmal verlassen die locker fröhlichen Texte über Freiheit, Beziehungen und Rock’n’Roll den Tummelplatz witziger Verspieltheiten, wenn in "Billie" ein ernsthaftes Thema verarbeitet wird. Ansonsten steht der Spaß an erster Stelle und das färbt sich unabwendbar auf den Zuhörer ab. Die mitreißend bluesig rockige Ausrichtung der Kompositionen und die listig lustig formulierten Alltagsgeschichten in den Songtexten stehen ganz oben auf der Richterskala guter Unterhaltung. Und Hannes' Gitarrenarbeit ist einfach zum Niederknien, der Mann müsste eigentlich längst den Olymp deutscher Rockmusiker erklommen haben. Seltsamerweise sind seine Solo-Aktivitäten jedoch einer breiten Öffentlichkeit verschlossen geblieben, reduziert man Hannes doch allzu gern auf 'den Gitarristen von Udo'. Gut, Bauer, Garn + Dyke spielten letztlich nur zwei Platten ein. 1984 entstand dann der Begriff vom Orchester Gnadenlos, dem Namen seiner Kapelle, der bis in die heutige Zeit überlebt hat. Die Geschichte über das Zustandekommen hat mit Udo, einer Stadt mit K und einem wilden Besäufnis zu tun, aber dazu empfehle ich gerne den herrlich schrägen Bericht des Urhebers auf seiner schon zitierten Webseite. Der ist wirklich sehr lesenswert.
Bauer, Garn + Dyke waren ein schriller Stern am deutschen Rock-Himmel, der leider viel zu schnell verglühte. Doch das Erbe dieser Mixtur aus witzigem Deutsch- und intensiven Hard- und Blues Rock verbreitet das Orchester Gnadenlos mit ungebremster Begeisterung und immer noch voller Virtuosität und Brillanz. Deutscher Rockmusik lastete einst der Verdacht ewig währender Schwermut an, bei Hannes Bauer kommt ganz sicher niemand auf solche Gedanken.
Line-up Bauer, Garn + Dyke:
Hannes Bauer (guitar, vocals)
Tom Garn (bass)
Roy Dyke (drums, percussion)
Tracklist "Sturmfrei":
- Laubfrosch Blues
- Sturmfrei
- Lock n Loll
- Ich hau ab
- Sibirien Bär
- Guitar Man
- Da ha ick Bock druff
- Haltestellen Blues
- Billie
- Ich hab Lust, Baby
Gesamtspielzeit: 40:42, Erscheinungsjahr: 1979 (LP), 1991 (CD)
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