![Beathotel / Golden Queen](https://www.rocktimes.info/wp-content/uploads/2021/07/beathotel-golden-queen.jpg)
Vorurteile, Kronleuchter, Retroverliebtheit, platzende Knoten und Fragezeichen
Um mal gleich mit einer polemischen Tür ins Haus zu fallen … Rezensenten sind per se voreingenommen und tendieren zum Snob!
So geriert sich beispielsweise der Rezensent dieser Zeilen gerne als Verfechter der These, dass Rock’n’Roll wirklich überall gespielt werden kann … aber ganz bestimmt nicht in Deutschland, wobei Ausnahmen selbstredend die Regel bestätigen. Natürlich ist damit nicht der Rock’n’Roll von Bill Haley fortführend gemeint, sondern dieser unbestimmte 'Roll' in der popularisierten Rockmusik seit ihrer Entstehung vor etwa 55 Jahren.
Im Briefkasten liegt passend dazu die goldene Queen der heimischen Gralshüter des Oldschool aus München – Beathotel, deren geistiger Ursprung nach eigener Aussage an den Ufern des Mersey liegt, der Wiege des 'Mersey Beat' mit den Beatles als Kronleuchter over the top. Noch zu Beginn dieses Jahres fragte das absolut stilecht mit zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug besetzte Quartett, wer denn bitte schön 'Eleanor Rigby' sei und verwurstete dabei u.a. sieben Vorlagen des Kronleuchters. Das letzte reguläre Album erschien bereits vor fünf Jahren, so dass in der Pandemie-bedingt Bühnen-freien Zeit die "Golden Queen" mit vierzehn Eigenkreationen Corona-Regelkonform auf der Datenautobahn in Form gegossen werden konnte.
Bezüglich des Ergebnisses weiß die Promotionsabteilung zu berichten: »Ein pantonales Sammelsurium an Songs unterschiedlicher Couleur ist auf dem Album vereint: filigrane und brüllende Breitseiten-Gitarren, Rocker und Balladen, Middle-of-the-road-Songs und ekstatische Höhenflüge, breite Instrumentalisierung und Harmoniekrönungen – und natürlich fehlt auch auf diesem Album nicht die hohe Kunst des artgerecht retroverliebten Komponierens.«
Da wird der voreingenommene Snob von Rezensent prompt auf dem falschen Fuß erwischt und muss zunächst 'pantonal' nachschlagen … stillos auf der Datenautobahn: Ein von Arnold Schönberg geprägter Begriff für eine Musik ohne tonales Zentrum.
Nun, so hart möchte der Rezensent nun auch wieder nicht mit Beathotel ins Gericht gehen, aber seine Vorurteile werden im ersten Drittel der "Golden Queen" dahingehend bestätigt, dass hier nichts nach internationalem Niveau duftet, alles nett, harmlos, sehr liebevoll aber irgendwie ungelenk nach Hobby-Feierabend-Combo klingend und insgesamt belanglos. Was tatsächlich nicht zu überhören ist, ist der 'retroverliebte' Ansatz … so lässt der Titelsong unweigerlich an die Beatles denken, die bei der "Pretty Mama" mit den Kinks gekreuzt werden ("You Really Got Me"), während "Let It Roll" hüftsteif in Status Quo / ZZ Top-Gefilden herumstolpert.
Doch dann platzt plötzlich ein imaginärer Knoten. In "Nangijala" kommt erstmals eine indische Langhalslaute zum Einsatz, ein in der westlichen Popularmusik immer noch sehr exotisches Instrument und prompt bekommt der Vortrag von Beathotel wesentlich mehr Tiefe, was dem seligen George Harrison ein freundliches Nicken abringen dürfte. Anschließend gelingt Mastermind Fredrik Forsberg mit "Coming Home" der Ohrwurm des Albums, welcher unter einer Ägide von Jeff Lynne garantierte Hit-Chancen hätte. Dazu passend recycelt dann "Happy As Can Be" das Hauptthema von Tom Pettys "Learning To Fly", während "Visions In Vain" plötzlich hippieeske Crosby, Stills, Nash & Young-Assoziationen weckt und ein richtig guter musikalischer Flow gelingt.
Anschließend können wir uns wieder hinlegen, da rettet auch das Sitar-Gute Nacht-Liedchen "Sadhu Alap" nichts.
Aber … wer tatsächlich eingeschlafen sein sollte … die Reprise des Titelstücks will als Rausschmeißer hörbar den voreingenommen versnobten Rezensenten Lügen strafen und rockt mit Verve in bester Crazy Horse-Jam-Manier den Putz von den Wänden.
Fazit: Die "Golden Queen" hinterlässt einige Fragezeichen. Einerseits ist sie eigentlich kaum einer Erwähnung wert, andererseits lassen Beathotel sporadisch durchblicken, dass sie den Rock’n’Roll sehr wohl beherrschen, auch mit einer gewissen Bandbreite. Der Rezensent fühlt sich ertappt, aber noch nicht überführt.
Line-up Beathotel:
Frederik Forsberg (vocals, guitars)
Norbert Swoboda (vocals, guitars, organ, sitar)
Anselm Soos (vocals, bass)
Stefan Essl (drums, percussions)
Tracklist "Golden Queen":
- Angel With A Broken Wing (3:49)
- Golden Queen (3:12)
- Pretty Mama (4:01)
- Don’t Let Me Down (3:33)
- Let It Roll (4:16)
- Nangijala (6:02)
- Coming Home (4:33)
- Happy As Can Be (3:20)
- Visions In Vain (4:50)
- King With His Crown (3:18)
- I Get High (3:54)
- You Better Run (3:24)
- Sadhu Alap (2:33)
- Golden Queen Reprise (3:18)
Gesamtspielzeit: 54:23, Erscheinungsjahr: 2021
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