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Bell Bottom Blues – Zum Tod von Jim Gordon – Nachruf

Leah Kunkel am 26. November 2024 verstorben

Im Rock-Business gibt es neben sehr vielen lustigen und triumphalen Geschichten leider auch mindestens genau so viele, die gemein, unfassbar und oft auch sehr traurig sind. So hat am 13. März 2023 mit Jim Gordon ein Schlagzeuger diese Welt verlassen, der selbstverständlich in keiner ernst zu nehmenden Plattensammlung fehlen darf. Wobei … wer sich nicht mit der Musik der sechziger und siebziger Jahre beschäftigt, dem wird dieser Name vielleicht auch überhaupt nichts sagen. Warum? Der Amerikaner war in den letzten mindestens vierzig Jahren seines Lebens überhaupt nicht mehr aktiv. Aber dazu später mehr.

Bereits im zarten Alter von 17 Jahren bekam Gordon anno 1963 einen Job bei den Everly Brothers, die damals noch ganz dick im Geschäft waren. Klar war für ihn bereits damals, dass er in seinem Leben nichts mehr anderes als Musik machen wollte. Und er passte rein, war nicht nur den musikalischen, sondern auch den menschlichen Anforderungen, die ein Tour-Leben ja nun mal auch mit sich bringt, gewachsen. Als er dann noch das Glück hatte, von Hal Blaine, dem Schlagzeuger der berühmt-berüchtigten Wreckung Crew in Los Angeles (einem Haufen von ca. zwanzig-plus Studiomusikern, die in den Sechzigern und Siebzigern auf fast jedem Hit der amerikanischen Billboard Charts zu hören waren) unter dessen Fittiche genommen zu werden, war auch sein Einkommen als Session-Musiker im Studio gesichert. In den stressigsten Zeiten, während eines längeren Engagements der Everly Brothers in Las Vegas, flog er jeden Morgen nach L.A. um im Studio Sessions (u. a. auch für "Pet Sounds" der Beach Boys oder "The Notorious Byrd Brothers" von The Byrds) zu spielen, abends ging es dann wieder zurück für den Auftritt in Vegas.

In den Jahren 1969 und 1970 war er Tour-Drummer bei Delaney & Bonnie And Friends (und ist auf deren Live-Scheibe "On Tour With Eric Clapton" sowie dem Studioalbum "Together" von 1972 zu hören), was weit reichende Schatten voraus warf und ihn auf den Weg zum Rock-Olymp brachte. Zunächst ging er von März bis Mai 1970 noch mit auf die sagenumwogene Joe Cocker-Tour, die als "Mad Dogs & Englishmen" in die Geschichte einging, hatte anschließend aber kaum Zeit sich zu erholen. Denn nachdem Eric Clapton unter Mithilfe der kompletten Delaney & Bonnie-Mannschaft (inklusive Jim Gordon, plus Leon Russell) sein erstes Soloalbum eingespielt und veröffentlicht hatte, stellte er eine eigene neue Band zusammen und suchte sich dafür die Delaney & Bonnie-Musiker Carl Radle am Bass, Bobby Whitlock an den Keyboards sowie Gesang und eben Jim Gordon für die Drums aus. Die drei Amerikaner zogen zu Clapton nach England und die neue Combo begann zu proben.

Der erste Studio-Job des Quartetts bestand dann in nichts geringerem, als mal eben den Großteil des George Harrison-Meisterwerks All Things Must Pass einzuspielen. Eine Inselplatte. Und schließlich ging der Vierer dann (auf Wunsch Claptons) unter dem Namen Derek & The Dominos ins Studio, um mit Layla & Other Assorted Love Songs einen weiteren Klassiker für die Ewigkeit auf Band fest zu halten. Unter tatkräftiger Mithilfe von Duane Allman, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Neben dem meisterhaften Drumming war Gordon hier auch für das Piano (Komposition und Einspielung) im Schlussteil verantwortlich. Wie es in vielen Musiker-Leben damals so war, wurde aber auch immer schon sehr kräftig gefeiert, was leider zu Abhängigkeiten von Alkohol, Kokain und Heroin führte. Und, um es mal gelinde zu sagen, war Jim Gordon auch in dieser Beziehung alles andere als ein Waisenknabe. Speziell seine Beziehung zu Clapton verschlechterte sich rasant, bis dieser (ebenfalls alles andere als ein Engel) die Brocken hinwarf und Derek & The Dominos während der Aufnahmen zu einem zweiten Album auflöste.

Trotz multipler Abhängigkeiten von unterschiedlichen Substanzen hielt sich Jim Gordon in der ersten Hälfte der siebziger Jahre musikalisch sehr gut über Wasser, war Teil der Szene und weiterhin an sehr guten Alben von großen Namen und Scheiben wie unter anderem von George Harrison, John Lennon, Alice Cooper, Frank Zappa, Tom Waits, Steely Dan, Art Garfunkel und Traffic beteiligt. Als festes Bandmitglied trat er dagegen lediglich noch bei der Souther Hillman Fury Band in Erscheinung, war allerdings bei der Einspielung deren zweiten und letzten Albums ("Trouble In Paradise", 1975) schon nicht mehr zugegen.

Jim Gordon war bereits in der ersten Hälfte der siebziger Jahre oft genug bei seinen Musiker-Kollegen bezüglich seines irritierenden Verhaltens aufgefallen. Zumindest in einem Ausmaß, dass über ihn geredet wurde, wenn auch zumeist Drogen und Alkohol für diese Dinge (wie beispielsweise der völlig sinnfreie und unangekündigte Faustschlag ins Gesicht von Rita Coolidge in einem Hotelfoyer) verantwortlich gemacht wurden. In der zweiten Hälfte jenen Jahrzehnts verschlechterte sich sein Zustand jedoch zusehends, nicht nur neue Engagements, sondern auch die Freunde wurden weniger und weniger. Ende der Siebziger beklagte er sich über Halluzinationen und Stimmen in seinem Kopf, die von ärtztlicher Seite als Folge bzw. Begleiterscheinung seiner Alkohol-und Drogensucht fehl-diagnostiziert wurden. 1981 nahm er das Zepter selbst noch einmal in die Hand und zog sich komplett aus der Öffentlichkeit zurück. Aber es kam noch schlimmer, denn im Juni 1983 tötete er seine eigene Mutter, angeblich auf Befehl von Stimmen, die er in seinem Kopf hörte.

Jim Gordon wurde 1984 für mindestens 16 Jahre Gefängnis verurteilt und tatsächlich erst im direkten Vorfeld der Verhandlung mit Schizophrenie diagnostiziert. Über die folgenden Jahrzehnte wurden an die zehn Anträge auf Entlassung abgelehnt, in den meisten Fällen, weil Gordon erst gar nicht zu seiner Anhörung erschien. 2017 wurde in einem Gutachten erneut chronische Schizophrenie und eine Gefahr für die Menschheit diagnostiziert, falls der Patient einmal vergessen sollte, seine Medikamente einzunehmen.

Der Amerikaner blieb bis zum 13. März 2023 in einer psychiatrischen Einrichtung und zwar genau bis zu dem Tag, an dem er nun vor kurzem im Alter von 77 Jahren verstorben ist. Jim Gordon, ein großartiger Schlagzeuger, unter dessen Mitwirkung Alben und Musik für die Ewigkeit entstanden war, hatte im 'wahren' Leben leider weniger Glück. Behalten wir ihn von seiner besten Seite in Erinnerung, von seiner Musik, seinem Lebenswerk, denn das ist für immer uantastbar.

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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