Als die zweite Schaffensphase der Allman Brothers Band im Jahr 1982 eher unrühmlich zu Ende ging (oder sollte man 'in sich zusammensackte' schreiben?), konnte man dies nicht unbedingt von allen Musikern behaupten. Der Gitarrist Dickey Betts machte sich jedenfalls direkt daran, eine neue Combo auf die Beine zu stellen. Kurzentschlossen rekrutierte er den Sänger, Saxofonisten und Harmonikaspieler Jimmy Hall (Ex-Wet Willie) als gleichberechtigten Partner und nahm außerdem noch große Teile der (am Boden liegenden bzw. nicht mehr existenten) Allman Brothers mit. Dan Toler zog es zwar erstmal vor in Gregg Allmans Soloband zu zocken, aber sowohl der Schlagzeuger Butch Trucks, der Pianist Chuck Leavell (der zugegebenermaßen nur von etwa 1972 bis ’76 bei den Brothers war) und der Bassist Dave Goldflies folgten Dickey, um Betts, Hall, Leavell And Trucks, kurz BHLT zu gründen. Vervollständigt wurde die Band durch den Fiddler und zweiten Gitarristen Danny Parks.
Leider hielt diese Formation nicht all zu lange und noch mehr schade ist, dass es auch nie zu Studioaufnahmen kam. Diese Jungs standen vor allem auf der Bühne, tourten sich den Allerwertesten ab und hatten Spaß. So einige Aufnahmen kursieren seit Jahren im Netz sowie auf CD, die erste mir vorliegende stammt von einem Konzert im Januar 1983 im Coffee Pot in Roanoke, Virginia. Und hier hört man den Beteiligten den erwähnten Spaß an der Sache so richtig an. Begonnen wird mit dem starken "Nothing You Can Do (There Ain’t)" mit der feinen Gitarre von Dickey und auch Jimmy Hall hat gleich ein heißes Saxofon im Anschlag. Die Lead Vocals teilen sich beide zu dem coolen, funkigen Bass von Goldflies und Trucks' berühmt-bodenständigen und dennoch unheimlich swingenden Drums. Sehr geiler Start, nach dem auch die folgenden Tracks nicht abfallen.
Logischerweise hatte Betts auch einige Allman Brothers-Nummern mitgebracht. Angefangen mit einer hammerstarken Version von "Ramblin' Man" geht es gegen Ende des Sets mit "Jessica" (okay, da hat man schon inspiriertere Versionen gehört) und vor allem "Southbound" nochmal richtig zur Sache. Ach ja, und nicht zu vergessen eine frühe Version von "Let Me Ride", das 1990 auf der Allman Brothers-Reunionscheibe Seven Turns nochmal richtig auftrumpfen konnte. Sehr packend auch die Version von "Rain", eingeleitet und durchgehend begleitet von Leavells starkem Pianospiel. Der Mann ist nicht von ungefähr seit ca. 35 Jahren auch ein fester Bestandteil der Rolling Stones. Mehrstimmiger Gesang und eine sehr dichte Atmosphäre prägen dieses Stück, bei dem Jimmy Hall seine Blues Harp zum Weinen bringt, immer wieder gefolgt von Dickey Betts' göttlicher Gitarre.
Das Finale bilden dann die Titel "Rollin'" sowie "I Believe To My Soul", bei denen es die Musiker noch einmal so richtig krachen lassen. Nicht, dass sie das davor nicht gemacht hätten, aber gegen Ende einer Show wird die Dramatik – was in der Natur der Sache liegt – natürlich immer noch eine Stufe nach oben geschraubt. Es gibt keinen einzigen mittelmäßigen oder gar schlechten Song auf dieser Scheibe, "Live At The Coffee Pot 1983" ist ein wahres Fest!
Diese Aufnahmen sollten also einen echten Leckerbissen für alle Brothers– sowie Wet Willie– oder ganz allgemein Fans (nicht nur) des Southern Rock darstellen. Knapp achtzig Minuten spitzenmäßige Unterhaltung von einer bärenstarken Band, die offensichtlich so richtig Spaß an der Sache hatte. Und noch ein Tipp: Diesen Gig gibt es auch als DVD! Mein Ratschlag: Bald ist Weihnachten, gönnt euch dieses Konzert. Versprochen ist, dass ihr es nicht bereuen werdet.
Line-up Betts, Hall, Leavell And Trucks:
Dickey Betts (guitars, lead vocals)
Jimmy Hall (harp, saxophone, lead vocals)
Chuck Leavell (keyboards, background vocals)
Butch Trucks (drums)
Dave Goldflies (bass)
Danny Parks (fiddle, guitar, background vocals)
Tracklist "Live At The Coffee Pot 1983":
- Nothing You Can Do (There Ain’t)
- Whole Lotta Memories
- Lorraine
- One Track Mind
- Ramblin' Man
- Rain
- Pick A Little Boogie
- Let Me Ride
- Stop Knocking On My Door
- Cadillac Tracks
- Jessica
- Southbound
- Rollin'
- I Believe To My Soul
Gesamtspielzeit: 79:29, Erscheinungsjahr: 2016 (1983)
2 Kommentare
Mike
31. Dezember 2016 um 12:53 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Markus,
kann dir nur beipflichten, tolle Platte. Habe sie mir als Doppel-LP besorgt!
Markus Kerren
31. Dezember 2016 um 13:22 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Mike,
und ich hab mir das Teil mittlerweile auch als DVD besorgt. Macht auch richtig Laune, vor allem weil man dann auch noch sieht, wieviel Spaß die da auf der Bühne hatte. Würde mich ja echt interessieren, was damals schiefgelaufen ist, dass die so schnell schon wieder weg vom Fenster waren und es noch nicht mal ein offizielles Album gibt…