'Big' Paul Ferguson / Remote Viewing – Reboot – CD-Review

Der Killing Joke-Schlagzeuger 'Big' Paul Ferguson scheint sich gerade in einem kreativen Hoch zu befinden. Gerade erst Ende es vergangenen Jahres haben wir euch mit Virtual Control das letzte Album des Engländers vorgestellt und nun liegt bereits die nächste Scheibe, "Remote Viewing – Reboot" vor. Zur Vorgeschichte nochmal ein kurzer Auszug aus meinem letzten Review: »Ferguson war 1979 Gründungsmitglied von Killing Joke und blieb bis zur sechsten Scheibe "Brighter Than A Thousand Suns" (1986), bevor er sich im Folgejahr mit Frontmann Jaz Coleman in die Haare geriet und die Band verließ. In der Zeit danach schloss er sich vielen unterschiedlichen Projekten und Bands an oder gründete sie selbst, bis es schließlich 2008 zur Reunion von Killing Joke kam. Seither besteht die Combo bis heute und hat mit "Absolute Dissent" (2010), "MMXII" (2012) sowie "Pylon" (2015) drei weitere Alben veröffentlicht.«

Auch auf dem aktuellen Werk hat der Brite (außer einem Gastbeitrag von Brainshadow an der elektrischen Violine) einzig und allein seinen musikalischen Partner Mark Gemini Thwaite an der Seite, mit dem er sämtliche Tracks aufs Band zauberte. Naja, fast alle, denn "I Am War" sowie "Zarzal" brachte 'Big' Paul sogar ganz alleine zustande. Musikalisch hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht viel geändert, denn auch auf "Virtual Remote …", das ganz sicher als die Fortsetzung verstanden werden darf, beherrschen dunkle Themen und Sounds das Geschehen. Angetrieben wird alles von den Schlagzeugrhythmen des Protagonisten, die in der Abmischung aber nie völlig in den Vordergrund gestellt wurden, sondern gleichberechtigt von gespenstischen musikalischen Szenarien begleitet werden. Hier treten vor allem das Soundteppiche legende Keyboard sowie abgefahren klingende, ja, fast wie vor Schmerzen schreiende Gitarren in Erscheinung.

Thematisch steht vordergründig der Krieg und die Situation des sich darin befindlichen Menschen an. Genau passend in diesen Monaten, in denen Russland die Ukraine angegriffen hat und meiner Ansicht nach offensichtlich keine Absichten hegt dort wieder zu verschwinden, bevor das gesamte Land in Schutt und Asche gelegt wurde. Und wie bereits erwähnt, so albtraumartig wie die Situation für die Menschen in diesem Krisenherd sein muss, so hört sich auch das Dutzend Tracks auf dieser Platte an. 'Gewürzt' wird das Ganze dann von 'Big' Paul Fergusons Vocals, bei denen es sich weniger um gesungene Lieder, sondern vielmehr um eine Art Sprechgesang handelt und daher die Monotonie des Grauens, die die wie vor Schock gelähmte Betrachtung einer menschlichen Katastrophe noch untermauert. Sie betrachtet eine menschliche Katastrophe für die Opfer und wieder einmal die unendliche Grausamkeit von Menschen gegenüber ihrer eigenen Spezies. Ein kluger Kopf hat einmal gesagt »Der Mensch ist des Menschen schlimmster Feind!«

"Remote Viewing – Reboot" ist beileibe weder ein Album für jeden Tag, noch ist es zum 'Nebenbei hören' geeignet. Denn um diese Scheibe, die Thematik, die Intention dahinter und die (durchaus vorhandenen) komplexen Emotionen richtig erfassen und verstehen zu können, muss man tiefer eintauchen, sollte sich Zeit nehmen und optimaler Weise auch durch nichts ablenken lassen. 'Big' Paul Ferguson bleibt seinem Stil und seiner Musik treu: diese zwölf Nummern sind weder massen-, noch radiokompatibel und werden daher sehr wahrscheinlich auch nur die Fans dieses Genres bzw. die Leute aus den Fanlagern von Killing Joke sowie anderen Combos aus dieser Szene wirklich erreichen. Dieses Album ist intensiv und speziell, daher vorsichtshalber vor dem Kauf erstmal anchecken. Beispielsweise mit "The Great Motivator", "Will To Survive", "Hungry Ghosts" oder "I Am War (youth rubber mix)".

Line-up 'Big' Paul Ferguson:

'Big' Paul Ferguson (percussion, bass, loops, vocals)
Mark Gemini Thwaite (guitars, bass, keyboards, additional instrumentation)

With:
Brainshadow (electric violin – #5)

Tracklist "Remote Viewing – Reboot":

1. Hungry Ghosts
2. Reboot
3. The Great Motivator
4. Terrible Warriors
5. X-Box
6. I Am War
7. Will To Survive
8. Zarzal
9. Fear (DJ Mont mostrocity mix)
10. I Am War (youth rubber mix)
11. Motivator (mgt mix)
12. War (youth industry mix)

Gesamtspielzeit: 55:02, Erscheinungsjahr: 2022