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Black Tropics / Same – CD-Review

Black Tropics / Same

Und noch einmal Lausanne; die Stadt, aus der mir zuletzt eine ganze Reihe hoch interessanter Projekte zugelaufen sind. Immerhin operieren die Black Tropics nicht mit Tiernamen oder kulinarischen Rezepten – obwohl, auch hier ließen sich einige Parallelen und Metaphern aus diesen Themenkreisen herleiten. Aber eins nach dem anderen.

Mit "Dragon Blood" (da haben wir doch das erste Tier – auch wenn es nur ein Fabeltier ist) platzt das Album sinnbildlich gesprochen sogleich aus allen Nähten. Die in Zürich schon im Vorjahr beim M4Music Festival prämierte Nummer quillt mit explosionsartig schweren Riffs und schrill prägenden, aber seltsam eingängigen Vocals über den neugierigen Betrachter. Stampfende Bässe, treibend harte Schläge und knappe, auf den Punkt kommende Gitarrenlinien, die solierend fast ein wenig von den kreiselnden Schwingern der alten Big Country in sich zu tragen scheinen. Kurz, knapp, aber mit allem, was es braucht. Ein Auftakt mit Volldampf und ein Stück weit Erstaunen, wie man knallharte Sounds so effektiv zugänglich aufbereiten kann. Und sogleich breitet sich freudige Spannung aus angesichts einer ganz offensichtlichen Offenheit gegenüber anderen Epochen und Stilrichtungen in der Rockmusik.

Hier kommt eine junge und gnadenlos drauf los marschierende Kombo schnell zur Sache. In den meist nur drei bis vier Minuten langen Stücken entwickeln Black Tropic eine faszinierende Reduktion aus diversen Spielarten und Zeitaltern unserer Lieblingskultur, eingekocht und entschlackt auf eine klare moderne Essenz des Wesentlichen. Der Spannungsbogen wird unentwegt hoch gehalten und die Theorie vom kontrapunktischen Bass habe ich selten so klar und deutlich wahrgenommen wie hier. Geradezu traumwandlerisch und fast wie von einer einzelnen Person gespielt, korrespondieren, ja verschmelzen Bass und Gitarre zu einem organischen Getriebe voller Wucht und Dynamik, angetrieben von dem drastisch komprimierten Schlagzeug und gesteuert von der energetisch enthusiastischen Stimme des Sängers Yvan. So erklärt sich der mitreißend drauf los marschierende Grundtenor dieser Musik. Das fetzt und groovt und lässt keine Sekunde zum Luft holen. Permanente Action im roten Bereich.

Weiteres Beispiel gefällig? "Light Years Away" mit seinen sparsamen, archaischen Gitarren-Akkorden klingt wie eine modern aufbereitete und von überschüssiger Melancholie befreite Version des alten Thin Lizzy-Klassikers "Still In Love With You". Ohne Schnörkel, unprätentiös, aber in seiner schlichten Zurückgenommenheit eine Nummer mit Gänsehautgarantie.
Bereits im ersten Drittel bringt uns die Band mit  "Devil’s Kings" und "Pacific Air" zwei Nummern mit Dampf und doch harmonisch einnehmenden Gesangslinien. So ähnlich dürfte das auch in Live-Konzerten zu Beginn abgehen, wenn das Auditorium erst einmal auf Touren gebracht wird. Diese Songs haben durchaus das Zeug einer gewissen Massentauglichkeit, ohne jemals in den Verdacht zu geraten, in seichteren Gewässern zu fischen.

"Dust" hingegen beginnt als massives Riffmonster fast klassisch heavy, nimmt dann aber einen durchaus funky Groove auf und erinnern damit ein bisschen an die Tiroler Mother’s Cake. In den Alpen herrscht ein cooler Rhythmus. Der Song entwickelt einen fast schon hypnotischen Sog und endet, wenn man gerade dabei ist abzuspacen.

Dass sich just in diesem Moment des Albums mit "Blue Dot" eine fast gigantische Soundwelle aufbaut, dürfte alles andere als ungeplant sein. Hier dominiert in der Folge der psychedelische, Retro-schwangere Gesang, der fast den Sixties entnommen worden sein könnte. Haben wir doch auch schon mal aus Basel gehört, oder? Im weiteren vereinigen sich Gesang und der schwere Klangteppich immer mehr zu einer krachenden Wand, bis in einen mystisch ausbremsenden Ausklang. Man wähnt sich am Ende angelangt, doch die Band spielt noch einmal mit unseren Erwartungen und zündet ein kleines Harmoniewunder aus den Essenzen des vorangegangenen Songs, nun mit mehrstimmigem Refrain, was die psychedelische Wirkung nur noch verstärkt. Nach all den weitgehend klaren und riffgeprägten Krachern werden wir zum Ende hin gar noch auf den Trip geschickt. "Invaders" entlädt sich als ein breit klingender Tsunami, der wie schon sein Vorgänger geheimnisvoll in den Tiefen des Universums verschwindet.

Es gibt eine Menge Wege und Ideen, wie man Rockmusik in diesen Tagen und nach all den Entwicklungen aus mehr als sechzig Jahren modern klingen lassen kann. Ein famoses und probates Mittel ist ganz sicher die Reduzierung auf das Reine und Wahre, auf das was zählt. Wie könnte das besser gelingen als in einem klassischen Powertrio? Das Album "Black Tropics" kommt daher wie ein revitalisierender Saunaaufguss. Wer schwitzt wird schlank und konzentriert seine Kräfte – das geht auch in der Musik und darin sehe ich das Geheimnis dieser coolen Scheibe.

Gut gemacht, Jungs.


Line-up Black Tropics:

Yvan Golaz (guitar, vocals, synthesizer)
Christophe Zindel (bass)
Alexandre Tièche (drms, percussion)

Tracklist "Black Tropics":

  1. Dragon Blood
  2. Tornado
  3. Devil’s King
  4. Pacific Air
  5. Temporal Distortion
  6. Light Years Away
  7. Black Tropics
  8. Outlaw
  9. Dust
  10. Blue Dot
  11. Invaders

Gesamtspielzeit: 41:21 , Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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