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Blackberry Smoke / Be Right Here – CD-Review

Blackberry Smoke / Be Right Here - CD-Review

Versteckte Tiefe hinter Bepanthen Salbe

Anlässlich der ersten Single-Veröffentlichung vom bevorstehenden neuen Album "Be Right Here" ließ sich Mastermind Charlie Starr vor einem halben Jahr bezüglich Dig A Hole folgendermaßen zitieren: »Jeder von uns hat nur eine begrenzte Zeit auf dieser Erde, also möchte man wahrscheinlich das Beste daraus machen. Irgendwann wird für jeden von uns ein Loch gegraben, also mach es zu etwas Besonderem«.
Überhaupt solle es thematisch als große Klammer darum gehen, dass die Band die einfachen Freuden des Lebens, die flüchtigen Momente und die kleinen Glücksmomente, die sie auf ihrem Weg findet, zu würdigen wisse.

Seit dem 16.02. dieses Jahres ist besagtes Album veröffentlicht und nur drei Wochen später gab die Band bekannt, dass ihr Gründungsmitglied und Schlagzeuger Brit Turner am 03.03. den Kampf gegen seinen aggressiven Gehirntumor verloren habe.

Das Statement vor einem halben Jahr lässt nun den Rezensenten veritabel erschaudern und macht es nicht leicht, an dieser Stelle über die veröffentlichte Musik zu schreiben, die ohne Hintergrundwissen und erstaunlicher medialer Lobhudelei wenig zu überzeugen weiß.
Auf dem Produzentenstuhl saß Dave Cobb, 9facher Grammy-Preisträger mit dem Spezialgebiet Americana, Roots-, Country- und Retrorock inklusive Klienten Marke Chris Stapleton, Jason Isbell, Rival Sons oder Lady Gaga als Arbeitsnachweis. An den Reglern schob Tom Tapley mit Klienten wie Destiny’s Child, Pearl Jam, Bruce Springsteen oder Mastodon auf der Uhr, aufgenommen wurde überwiegend in den legendären RCA Victor Recording Studios Nashville und Cobbs Georgia Mae-Studio in Savannah, Georgia … also keine Dorfproduktion, sondern die glitzernde Metropolgroßstadt Samstagnacht zur Prime-Time.

Dafür kommt das Album erfreulich unaufgeregt daher, in Teilen geradezu introspektiv mit melancholischen Duftnoten, was im Zusammenhang mit seiner Entstehung nicht verwundern kann. Es war wohl allen Beteiligten klar, dass eine gewisse Dringlichkeit bestand und folgerichtig schimmert die bedrückte Stimmung auf dieser konsequent live in einem Raum aufgenommenen Platte immer wieder partiell durch.

Allerdings muss konstatiert werden, dass für eine Band, die vermehrt als Speerspitze aller Genre-Bands nach Lynyrd Skynyrd aufs Schild gehoben wird, zu wenig Essentielles passiert.
Der Opener gemahnt an die schwarzen Krähen, wird aber von deren erster Single zum ersten Album nach 15 Jahren locker in die Schranken verwiesen, "Hammer And The Nail" und "Don’t Mind If I Do" erinnern unspektakulär an die Georgia Satellites, "Like It Was Yesterday" ist einfach ’ne klassische Cobb-Nummer, ohne von ihm geschrieben worden zu sein – nett, eingängig, ohne Widerhaken, geschmackvoll instrumentiert, aber irgendwie passiert nicht wirklich etwas.

Bei "Be So Lucky" sieht manch Rezensent die Beatles am Horizont, dem Verfasser dieser Zeilen fehlt hierfür die Fantasie. "Azalea" oder "Other Side Of The Light" wiederum sollen Allman Brothers-Vibes versprühen, auch hier steht dem Rezensenten das große Fragezeichen auf der Stirn. Okay, die zweistimmige(n) Gitarrenphrasierung(en), aber bitte … schon mal was von der Leif de Leeuw Band gehört?
Und wo wir schon so schön am Vergleichen sind: Die Saitenabteilung Charlie Starr und Paul Jackson geht zweifellos kompetent und ohne Selbstbeweihräucherung zu Werke, wirkt aber auf diesem Werk zu zahm. Einen Saitenmaestro wie Mr. Schneekluth von den Kollegen Robert Jon & The Wreck haben Blackberry Smoke hörbar nicht in petto.
Da macht sich ein J.J. Cale-artiger Schleicher wie "Whatcha Know Good" durchaus gut, kann aber nicht wirklich eine Duftmarke setzen.

Und so gestalten sich erst die letzten beiden Songs zu Anspieltipps des Rezensenten: "Little Bit Crazy" ist eine Steilvorlage für die Umsetzung auf der Bühne und zaubert den Herren Jagger/Richards ein Lächeln ins faltige Antlitz, während der Rausschmeißer "Barefoot Angel" berührend eine ob der Tragik des Bandkollegen angemessene Atmosphäre herbeizaubert.

Fazit:
Blackberry Smoke sind im anachronistischen Genre Southern-Rock seit geraumer Zeit als zeitgenössische Band das Maß der Dinge, spielen aber auf ihrem aktuellsten Werk sehr handzahm auf und lassen schon länger ihre ehemals vorhandenen Ecken und Kanten vermissen. Musikalisch ist hier oberflächlich betrachtet der kleinste gemeinsame Nenner Trumpf, hinter der Bepanthen Salbe lauert aber eine zerbrechliche Tiefe, die von einer Mainstream-Produktion gut versteckt worden ist. So ist leider nicht das Beste aus diesem Album gemacht worden, auch wenn es – in heutigen Zeiten alles andere als selbstverständlich – klanglich punkten kann (John Baldwin Mastering).


Line-up: Blackberry Smoke:

Charlie Starr (lead vocals & guitar)
Brit Turner (drums)
Richard Turner (bass)
Paul Jackson (guitar & backing vocals)
Brandon Still (keyboards)

Tracklist "Be Right Here":

  1. Dig A Hole (4:13)
  2. Hammer And The Nail (2:54)
  3. Like It Was Yesterday (3:27)
  4. Be So Lucky (3:55)
  5. Azalea (4:16)
  6. Don’t Mind If I Do (3:36)
  7. Whatcha Know Good (4:04)
  8. Other Side Of The Light (4:09)
  9. Little Bit Crazy (4:46)
  10. Barefoot Angel (4:53)

Gesamtspielzeit: 40:13, Erscheinungsjahr 2024

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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