Aus Klassik wird Klassiker
Letztes Jahr hatte man in Brüggen u.a. noch Ray Wilson & Band unter 'Brüggen Klassik' präsentiert, aber im siebenten Jahr wollte man weg von Klassik und um den musikalischen Rahmen etwas zu erweitern, hieß das Festival dieses Jahr 'Brüggen Klassiker'. Klassiker gab es auch – gleich zwei Bands. Während am Freitag der Fokus mit Extrabreit auf den 80ern lag, kamen am Samstag die 70er in Form von Chris Thompson nach Brüggen.
Der Freitag: Extrabreit / Vorprogramm: Tristan Brusch
Tristan Brusch
Die Voraussetzungen am Freitag waren sehr gut. Die aus den vergangenen Jahren bereits bekannte Rundbogenbühne war bestens eingeleuchtet, die Reste der Burg wunderbar stimmungsvoll angestrahlt und das Wetter machte auch mit, bei spätsommerlichen Temperaturen jenseits der 20 Grad. Gegen 20.45 Uhr kam zunächst, nach einer kurzen Begrüßung des Veranstalters, der Berliner Singer/Songwriter Tristan Brusch auf die Bühne.
Alleine und immer mal wieder wechselnd zwischen E-Piano, E-Gitarre und Akustik-Gitarre, präsentierte er Songs seines Debüts "Paradies". Stimmlich irgendwo zwischen Udo Lindenberg und Rio Reiser gelegen, erhielt er nach einigen Anlaufschwierigkeiten dann doch die Aufmerksamkeit des Publikums, das sicher, bis auf sehr wenige Ausnahmen, noch nie von ihm gehört hatte.
Seine Darbietungen waren alles in allem ganz ok und obwohl nicht spektakulär doch recht solide. Bei der vorletzten Nummer nahm er sich nur das Mikrofon und was anfänglich als eine Art Gedicht begann, gipfelte jedoch in einer etwas peinlichen Poetry-Slam-Brüll-Nummer, was von Publikum mit Pfiffen und nicht wenigen »Buh«-Rufen quittiert wurde. Was vielleicht in einem kleinen Club in Kreuzberg funktioniert, klappt noch lange nicht im Vorprogramm von Extrabreit. Wieder was dazugelernt. Auf jeden Fall hat Tristan polarisiert und von »Geil, echt mal was anderes« bis »Peinlich der Typ« war anschließend das Stimmungsbild im Publikum sehr gemischt.
Extrabreit
Nach einer erträglich langen Umbaupause war es dann endlich soweit und die Hagener Extrabreit kamen zum Intro einer klassischen Geigen-Version von "Hurra hurra die Schule brennt" auf die Bühne. "Extrabreit" und "Her mit dem Abenteuer" war ein gelungener Einstieg. Nach kleinen Soundproblemen blieb dieser dann bis zum Ende doch druckvoll und klar.
Bestens aufgelegt präsentierten die fünf Musiker Songs von 1980 bis zum letzten Album aus dem Jahre 2008 in einem schönen Mix. Erste richtige Stimmung kam beim Klassiker "Polizisten" auf. Auch heute noch eine verdammt starke Nummer die begeistert mitgesungen wurde. Später waren es vor allem die beiden damaligen Duette, die heute aber ohne die Gaststars gespielt werden müssen, da beide leider längst verstorben sind. Da wäre zum einen "Für mich soll’s rote Rosen regnen", was seinerzeit mit Hildegard Knef eingesungen wurde. Damit erfuhr die Band Anfang der 90er nochmals einen gewaltigen Bekanntheitsschub. Gleiches gilt auch für "Nichts ist für immer", das mit Harald Juhnke ein paar Jahre später aufgenommen wurde.
Gegen Ende kamen dann aber die großen Klassiker wie ihre erste Single, "Hart wie Marmelade" und das unvermeidliche "Flieger grüß mir die Sonne". Natürlich mussten noch ein paar Zugaben her und mit "Hurra hurra die Schule brennt" (mit einem kleinen Mädchen am Bühnenrand, das textsicher immer den Refrain ins Mikro gröhlte) und "Annemarie" war man auf der sicheren Seite. Als Rausschmeißer gab es mit "Jungs wir können so heiß sein") ( "Walk On The Wild Side") noch einen stimmungsvollen und intensiven Abschluss. Das hat richtig Spaß gemacht.
Der Samstag : Chris Thompson / Vorprogramm: Acoustic Delite Deluxe
Acoustic Delite Deluxe
Eigentlich sind es nur drei Musiker, die sonst das hier lokal bekannte Acoustic Delite-Trio bilden, doch zu 'Brüggen Klassik(er)' holte man sich Unterstützung von Udo Klopke (Gitarre und Gesang), Thilo Erhardt am Bass und Keyboarder Roland Dill.
Zusammen spielte man sich munter durch 40 Jahre Musikgeschichte und die spannende Mischung aus umarrangierten und teils original-arrangierten Hits kam extrem gut beim Publikum an.
Mit den wechselnden Sängern Udo Klopke sowie Andreas Lehnen und dazu noch tollem Background-Gesang von Gitarrist Timo Brauwers und Drummer Achim Buschmann traf man mitten ins Schwarze. "Don t Answer Me" von Alan Parsons, "Give A Little Bit" von Supertramp oder "Don’t Stop Believin'" von Journey – um nur drei zu nennen – wurden absolut rund und wunderbar gespielt von den sechs Profi-Musikern.
Dieses erweiterte Projekt wird definitiv nicht das letzte Mal beim 'Brüggen Klassik(er)' am Start gewesen sein. Und mit der grandiosen Zugabe "Yellow" von Coldplay war dann nach knapp 75 Minuten leider schon Schluss. Dennoch – schlicht und ergreifend großartig.
Chris Thompson
RockTimes-Lesern dürfte der Name sicherlich geläufig sein, aber für alle anderen stand auch auf sämtlichen Plakaten nochmals drauf: »ehemals Sänger von Manfred Manns Earth Band«. Somit war klar, dass auch hier jede Menge Klassiker aus den 70ern zu erwarten waren – und Chris und Band brachten sie alle.
Nach einer reduzierten Kurzversion von "For You" als Opener stieg dann die komplette Band ein und es begann eine musikalische Reise durch Chris Thompsons Musikgeschichte. Dass der Mann mit 71 Jahren einiges davon am Start hatte, erübrigt sich somit zu erwähnen. Neben eigenen Songs war das Konzert natürlich gespickt mit Earth Band-Klassikern, die aber alle erst gegen Ende im Block kamen. Vorher bot man aber immerhin mit "Father Of Day, Father Of Night" oder "Don’t Kill It Carol" ebenfalls bekannte Songs aus seiner langen Musikgeschichte. Dann aber kamen die großen Hits und mit dem Trio "Blinded By The Light", "For You" (beide im Original von Bruce Springsteen) und dem bekannten Dylan-Klassiker "Mighty Quinn" wurde fast schon das Ende eingeläutet.
Als Zugabe gab es eine Nummer, die viele sicher nicht erwartet hätten, aber seinerzeit war Thompson als Komponist am Mega-Hit "You’re The Voice" beteiligt und so hörte man diese große Hymne auch in Brüggen und wurde vom Publikum lauthals mitgesungen. Als letztes Stück durfte natürlich "Davy’s On The Road Again" nicht fehlen und auch hier feierten die Zuschauer kräftig mit.
Natürlich hat Chris Thompson nicht mehr die Granatenstimme wie seinerzeit mit Anfang 30, als diese Songs alle aufgenommen wurden. Dennoch war ich positiv überrascht, mit welcher Energie und Leidenschaft der heute 71jährige noch auf der Bühne agiert und springt. Respekt. Da fielen die letzten fehlenden hohen Töne nicht wirklich auf und die klasse Band, die sich relativ im Hintergrund hielt, rundeten das Gesamtbild gut ab.
Die Entscheidung, das 'Klassik' zu streichen und so einfach mal andere Bands einzuladen erwies sich als gute Entscheidung. Toller Sound, eine schöne Lightshow und das Glück mit dem Wetter rundeten das Wochenende super ab. Tolles Festival und bis 2020 dann in Brüggen gerne wieder.
Vielen Dank an Guido Schmidt von 'Brüggen Klassik(er)' für die unkomplizierte Akkreditierung und ganz besonderen Dank an Jasmin Bailer für die tollen Fotos.
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