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Burnt Belief / Emergent – CD-Review

Burnt Belief / Emergent

Instrumentalplatten sind ja oft so eine Sache. Laut abfeiern und mitsingen ist nicht und wenn sich der Protagonist einen abfuddelt, wird es schnell öde. Es gibt aber auch die anderen Alben, die einen mitnehmen können. Auf eine Reise durch wie auch immer geartete Klanglandschaften, die einen für ’ne Weile den Alltag ausblenden lassen und die unser mächtigstes Gut, das Kopfkino anwerfen.

Beste Voraussetzungen, dass "Emergent" zur zweiten Gattung gehört, liefert ein Blick auf die Künstler. Mit Colin Edwin steht da ein bekannter Name. Der Basser von Porcupine Tree (außerdem Metallic Taste Of Blood, O.R.k) steht für einen gewissen Anspruch. Counterpart ist der amerikanische Gitarrist Jon Durant. Jon  wird der Experimentalfraktion zugeordnet, was auf außergewöhnliche und Fusion-artige Spielweisen schließen lässt.

An den Drums haben Colin und Jon den Drummer Vinny Sabatino platziert, der immer wieder im Line-up von Colin Edward zu finden ist. "Emergent" ist der dritte Teil der Trilogie aus der Kollaboration von Edward und Durant.  Jon hat auch gleich den richtigen Tipp parat, um sich ihrer Musik zu nähern: Aufgeschlossen sollte man sein, und gute Elektronik oder Kopfhörer nutzen, damit man die fesselnde musikalische Reise antreten kann. Colin bringt es weiterhin genau auf den Punkt, indem er folgendes Statement zu instrumentaler Musik gibt: »After all, doesn’t music exist to express what words can’t?« Wenn das kein Zitat zum Abheften ist!

Das Album beginnt mit "The Bubble Bursts" und zwar mit einer Eröffnungssequenz, die an moderne Klassik erinnert. Schnell werden aber durch präzise Bassläufe, exaktes Drumming und die Arbeit des Gitarristen die typischen Akzente einer progressiven Fusion gesetzt. Jons Gitarrenspiel ist nicht aufgesetzt und dominierend über die ansonsten gerne Rhythmusfraktion genannte Phalanx aus Bass und Schlagzeug. Natürlich ist die Gitarre richtungsweisend auf der Reise durch progressive und angejazzte Landschaften, aber sie kann, einer Lokomotive gleich, ’nur' den Weg vorgeben. Ohne die Waggons mit den Passagieren wird das nichts mit der Ausfahrt.

Es ist durchaus so, dass man mit den geschlossenen Augen unter dem Kopfhörer den Fokus auf die Bassmelodien oder das Drumming legen kann und die Gitarrenspuren als Sahnehäubchen empfindet. Oder eben umgekehrt.  Die Kompositionen sind sehr diffizil und lassen immer wieder Neues entdecken. Mal den lange oszillierenden Saitenanriss oder die nachschwebende Saite. Diese Momente nutzen Colin und Vinny, um ihrerseits Präsenz zu zeigen.

Jeder des Trios bekommt Gelegenheit die Aufmerksamkeit des Hörers zu erhaschen, aber niemals so, dass das verbleibende Duo außen vor wäre. Trotz der allgegenwärtigen Gitarren ist es eine wahre Wonne, den verschiedenen Bassmodellen und deren Soloarbeiten zu frönen. Und ohne die Felleinsätze ginge gar nichts. Besonders schön zu goutieren im hochmelodisch treibenden "The Confidence Of Ignorance" oder bei "Until The Scars Go Out" in welchem sich Bass und Percussion fast widersprechen.

Immer wieder sorgen Piano, Fender Rhodes und Synthesizer dafür, dass keine Langeweile auf der Reise aufkommt. Sie sind aber zu keiner Zeit federführend, denn das lassen Gitarre Bass und Schlagzeug nicht zu.  Was sie aber zulassen, ist, dass der Hörer sich seine Reiseroute selbst aussuchen darf. Wohin die auch immer geht und wie oft er sie auch antritt: Hinter den Wegbiegungen kann er bei jeder Fahrt Neues entdecken. Er kann immer tiefer in die Musik eintauchen, das gerade dominante Instrument etwas ausblenden und die Feinheiten entdecken. Ein hart angeschlagener Ton des Upright Basses, oder einen feinen Doppelschlag der Sticks auf das Becken und dessen zischenden Nachhall, während gleichzeitig die Gitarre davon läuft.

"Burnt Belief" ist ein tolles Beispiel um zu demonstrieren, dass Musik in der Tat keine Worte braucht.


Line-up Burnt Belief:

Colin Edwin (fretless bass, upright bass, ebow, programming)
Jon Durant (guitar, fretless guitar, cloud guitar, 12-string guitar, guitar synth piano, synth sequencer, piano inards, Rhodes, prepared piano)
Vinny Sabatino (drums, percussion)

Tracklist "Emergent":

  1. The Bubble Bursts (6:02)
  2. More Snow (6:10)
  3. The Confidence Of Ingnorance (5:08)
  4. Emergent (9:30)
  5. Until The Stars Go Out (6:26)
  6. Language Of Movement (7:00)
  7. Turning Torso (10:08)
  8. Ghosts Aquatic (6:31)

Gesamtspielzeit: 56:57, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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