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Bushfire / Live At Freak Valley Festival 2018 – LP-Review

Bushfire / Live At Freak Valley Festival 2018

Auch Bushfire verschaffen mir einen tiefen Backflash in Sachen Freak Valley Festival. Erst vor ein paar Wochen traf ich einige alte Freunde aus diesem Dunstkreis in der Balver Höhle wieder, viele Erinnerungen wurden ausgetauscht und Biere geteilt – die alten Zeiten wurden wieder wach. Am Ende waren wir uns einig, einige auf Vinyl konservierten Extrakte der Freak Valley Festivals bei RockTimes künftig unter die Lupe zu nehmen. Alte Verbundenheit eben. 3Speed Automatic waren da ein dankbarer Dosenöffner, konnte ich bei dem Konzert doch eigene Erfahrungen einbringen. In gewisser Weise trifft das auch auf Bushfire zu, auch wenn meine persönlichen Berührungspunkte ein paar Jahre vor der hier vorliegenden Aufnahme aus dem Jahr 2018 stattfanden.

Damals spielte die Band einen Tag nach den erwähnten Holländern von 3SA, und wieder verdarb mir meine Tätigkeit am Verkaufsstand allzu intensive Kontaktaufnahme mit der Musik. Eindrücklich war das Erlebnis, als Big Bill Brown, der hünenhafte amerikanische Frontmann der Darmstädter Multi-Kulti-Truppe zu uns in die Baracke kam und mich für ein Foto fröhlich in den Schwitzkasten nahm. Doch so groß er auch ist und so gewaltig seine Stimme von der Bühne dröhnt, wenn der Mann das Mikro abgestellt hat ist er eine Seele von Mensch, voll überschäumender Begeisterung und Fröhlichkeit – die aber eine Kehrseite kennt. Denn Bill schreibt Texte, die alles andere als optimistisch klingen und die oft richtig weh tun. Ein Mensch, der sehr wohl auch dunklen Gedanken nachhängt, aber seinen Mitmenschen als großer Freund und Begleiter begegnet. Wow. Eine sehr beeindruckende Persönlichkeit und genau der ist es wohl zu verdanken gewesen, dass Bushfire in der Folge so etwas wie das Gesicht von Freak Valley wurden. Wenn ich mich recht entsinne, entstand der Deal nach jenem ersten Auftritt 2012, eine Abmachung zwischen Bill und Freak Valley-Boss Jens Heide, dass die Band aus dem nicht allzu weit entfernten Darmstadt auch in den kommenden Jahren jederzeit gern wiederkommen darf. Davon haben Bushfire in der Folge tatsächlich Gebrauch gemacht und damit eine Art Alleinstellungsmerkmal erlangt.

Inhaltlich passt das ganz ohne Frage, die Musik von Bushfire könnte man als ein Zentrum dessen beschreiben, was den Veranstaltern am Herzen liegt: Knallharter Heavy Rock mit allerlei Anleihen zwischen Blues und Stoner. Wenn die fünf Jungs aus fünf unterschiedlichen Heimatländern die Bühne entern, dann brennt sprichwörtlich der Busch: Nomen est Omen.

Das Konzert beginnt stilgerecht, ein paar dumpfe Akkorde auf der Gitarre und schon geraten wir in einen schleppend düsteren Sog, Black Sabbath lassen grüßen und ein bisschen Verwandtschaft mit den Neuseeländern von Arc Of Ascent lässt sich in diesem Stück auch nicht leugnen, jene Band, die ich mir 2012 schon gewünscht hatte und die das Festival in diesem Jahr sehr bereichert hat. "When Darkness Comes" heißt treffend der Song und auch der Titel des letzten Albums. Es stellt heute auch die meisten Ableger für den Gig. Bill ist von der ersten Sekunde an präsent, in seinem Falle möchte ich sagen omnipräsent. Diese mächtige Stimme ist wirklich beeindruckend, fast furchterregend. Hin und wieder, vor allem in den später gespielten Nummern – "Black Ash Sunday" vom gleichnamigen Album und "Shelter" – erscheint er mir fast wie der zornige große Bruder von Eddy Vedder. Ja, die Energie von Bushfire hat viel mit der ungeheuren Ausstrahlung ihres Frontmanns zu tun – aber ein Brett aus zwei Gitarren sorgt ebenfalls für reichlich Betrieb und gibt der Rhythmusfraktion damit jede Menge Unterstützung und spätestens in "Die Trying" werden die Sechssaiter von der Leine gelassen. Es gibt nicht nur Rhythmus-Geprügel, es darf auch wild soliert werden und manchmal geschieht dies im Gleichklang wie bei den Kollegen des Southern Rock.

Ein grundsätzliches Wort zur Aufnahmetechnik der Freak Valley Live-Mitschnitte. Schon damals in 2012, als ganze 999 Besucher zugelassen wurden, hatten wir eine Bühnentechnik beisammen, die absolut erstklassig war und ein Equipment, was sehr viel größere Veranstaltungen lässig hätte beschallen können. Die qualitativ hochwertigen Mitschnitte spiegeln sich in den Pressungen wider, der Sound ist großartig und differenziert. Die Bässe knallen, wie es sich für ein Stoner-Event gehört, aber sie überlagern nicht die filigranen und hochtönenden Passagen – da wird ausgezeichnete Arbeit abgeliefert, die in ihrer Dynamik auf Vinyl noch zusätzlich gewinnt. Geil ist das!

"Mit Failure Is Not An Option" startet die B-Seite und bringt eine Nummer, die bislang auf Tonträgern von Bushfire nicht zu finden ist, eine Power-Nummer mit wüsten Riffs, raffinierten Breaks und einem schönen Freakout. Und Bill? Der tobt in guter alter Manier, Energiewende ganz anders, die Musik könnte glatt ein Kraftwerk ersetzen.

Das irgendwie grungegeschwängerte "Shelter" ist vielleicht mein persönliches Highlight, über die stimmlichen Verwandtschaftsgrade in diesem Song hab ich mich ja schon ausgelassen. Das reduzierte Tempo verdichtet irgendwie die Intensität, diese Nummern wirken bei mir besonders tief. Zeit für 'Kicking Ass'.

"Useless In So Many Ways" lässt zu Beginn noch einmal ein wenig Sabbath-Spirit frei, der letzte Song des regulären Sets ist damit quasi erreicht. Aber eine Band, die beinahe jedes Jahr mit dabei war, hat das Recht, einen nachlegen zu dürfen, auch wenn das bei Festivals ja grundsätzlich verpönt ist. Der Zeitplan ist halt nicht nur eine Orientierung für die Fans, er beinhaltet gegebenenfalls auch ordnungsrechtliche Absprachen im Hintergrund. Denn wenn die Behörde sagt, dass Ende ist, dann ist Ende.

So wird es zum Schluss noch einmal rebellisch. Bill kündigt einen Song seiner deutschen Lieblingsband an, Ton Steine Scherben, und ihre aggressive Anti-Hymne "Macht Kaputt, Was Euch Kaputt Macht", ein Stück deutscher Rockgeschichte in den Wäldern von Netphen. Sie adaptieren die Nummer auf ihre Weise, die Riffs und die Intensität regieren, wo bei Rio Reisers Combo, sicher der damaligen Zeit geschuldet, ein Stück weit auch psychedelische Untertöne anklangen. Beiden gleich ist der kämpferische Duktus des Gesangs, da sträuben sich die Nackenhaare und es verschmelzen fünf Dekaden Rock’n’Roll- und Zeitgeschichte, wobei mir angesichts der Intention des Liedes die Bemerkung gestattet sei, dass sich in unserem Staat eigentlich gar nicht so viel seit damals geändert hat, nur dass man systemkritisch motivierte Menschen als Linke denunzierte, während man sie heute als Rechte Sau durchs Dorf treibt. Scheinbar braucht unser Establishment schon immer simple Feindbilder, um sich dringend notwendiger Diskussionen zu entziehen und (Un)Taten zu kaschieren. Statt permanent auf diesem schwachsinnigen Rechts-Links-Geschwafel herum zu reiten, wäre eine Betrachtung Recht-Unrecht vielleicht mal ein besserer Ansatz? Unser Rechtsstaat und die im Grundgesetz verankerte Demokratie bieten da eigentlich eine ganze Reihe hervorragender Ansätze – wenn man sich ihrer denn endlich mal wieder erinnern würde.

Egal, wie man es sieht, es ist gut, dass Rockmusik aufbegehrt, das war es damals und das ist es heute – auch wenn ich manchmal den Eindruck habe, dass sich unsere Kultur, inzwischen eher zu einer Sparten-Musik geschrumpft, selbst nicht mehr ganz klar ist, wohin sie sich wenden soll und daher hier und da mal auf den falschen Zug aufspringt und sich instrumentalisieren lässt. Meist auch noch von alten Zossen getrieben, die ihren verwelkenden Ruhm mit fragwürdigen politischen Aktionen wiederzubeleben versuchen. Darum, Danke an Bushfire für ein kraftvolles Symbol und die Botschaft, wehrhaft zu sein!

Diese Musik gibt es nur Old School, eine CD oder gar MP3-Dateien werden von Rock Freaks Records nicht vertrieben, und das ist sicher eine Frage der Philosophie. Wer aber auch weiterhin einen Plattenteller daheim bewegen kann und hören möchte, wie sich mitreißende deutsche Rockmusik ohne Kompromisse, dafür mit ganz viel Herz, Verstand und faszinierenden Einflüssen anhört, wenn sie sozusagen auf der Bühne ihres Herzens, in ihrem 'Wohnzimmer' losgelassen werden, dem sei die LP wärmstens empfohlen. Die Band hat es drauf, der Sound ist fantastisch und die Atmosphäre wird getragen durch die herzliche Freundschaft aller Beteiligter, das hört man aus jeder einzelnen Ansage Big Bills heraus. Die hatten zu dieser Zeit alle ihren Spaß, warum sollte das bei uns Zuhörern anders sein?


Line-up Bushfire:

William Brown (vocals)
Sascha Holz (drums)
Miguel Pereira (guitar)
Vincenzo Russo (bass)
Marcus Bischoff (guitar)

Tracklist "Live At Freak Valley Festival 2018":

Side 1:

  1. When Darkness Comes
  2. Die Trying
  3. Black Ash Sunday
  4. Fallen From Grace

Side 2:

  1. Failure Is Not An Option
  2. Shelter
  3. Useless In So Many Ways
  4. Macht Kaputt Was Euch Kaputt Macht

Gesamtspielzeit: 45:35, Erscheinungsjahr: 2019 (2018)

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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