Wenn man sich auf einer CD oder online neuen Genres zuwendet, dann schärft das in erster Linie den Blick über den eigenen Tellerrand. Wenn das gleiche Prinzip auf eine Konzertbühne übertragen wird, dann ist oft Staunen angesagt. Das ist dadurch begründet, weil man den Künstler oder die Künstlerin nicht oder unzureichend gekannt hat. Doch plötzlich überkommt einem das gute Gefühl, dass das Gehörte sogar sympathisch klingt.
Bei Candy Dulfer war die grobe Marschrichtung klar: Die Niederländerin ist Saxophonistin, weltweit gefragt und sehr oft in Deutschland unterwegs. Kurzum: Sie ist ein gefragter Weltstar, wofür ihre Zusammenarbeit mit Dave Stewart, Prince und vielen anderen Stars spricht. Dave Stewart, ehemaliger Eurythmics-Gitarrist, schrieb ihr 1989 den weltweiten Nummer eins-Hit "Lily Was Here". Bei diesem Lied wird allerdings gern vergessen, dass es neben der Saxophon-Melodie auch ein sehr markantes Gitarrenspiel zu hören gibt. Seit über 30 Jahren an der Seite der Niederländerin spielt Ulco Bed. Er beherrscht sein Instrument und den Hit "Lily Was Here" magisch. Er ist damit die Idealbesetzung für die tonangebende Künstlerin. Die 53-Jährige überzeugt ebenfalls auf ihrem Instrument – und dennoch ist es zu kurz gedacht, sie nur als Saxophonistin zu bezeichnen. Denn Candy Dulfer singt, bringt sich in den Background-Gesang ein und ist zugleich Moderatorin. Während eines Konzertes spult sie ein enormes Pensum ab. Dabei ist sie immer auf ihre jeweilige Rolle fokussiert. Sie ist nicht nur Energiebündel, sondern glänzt als Frohnatur. Auf diese Weise nimmt sie ihre Besucher mit und überzeugte in dieser Rolle beim Konzert zu den Dresdner Jazztagen am 11.11.2022 im Ostra-Dome.
Mit einem neuen Album unter dem Titel "We Never Stop" ist sie aktuell unterwegs. Auf ihrer Tour erklingen aufgefrischte Versionen von Candy-Klassikern, aber ebenso viele neue Songs des aktuellen Albums. Zu ihrer Band gehören acht Musiker, die Hauptakteurin eingeschlossen. Dazu zählen Gitarrist und Langzeitkompagnon Ulco Bed, Bassist Xander Buvelot, die beiden überzeugenden Solo- und Backgroundsänger Ivan Peroti und Camilio Rodriguez, die Keyboarder Roger Happel und Henne Reijs sowie Schlagzeuger Kick Woudstra.
Der Backgroundgesang macht beim Funk oft einen großen Teil des Salzes in der Suppe aus. Doch ebenso wichtig sind der Mann an der Gitarre und die Rhythmusgruppe. Gleichberechtigung ist angesagt und diese spürt man förmlich bei jedem Takt. In einigen Fällen scheint es beim Groove keine Steigerung mehr zu geben, spielen sich die Musiker in ungeahnte Höhen und es bleibt ein klangliches Erlebnis, das man nicht mit Worten beschreiben kann. Genau dieses Gefühl saugt das Album "We Never Stop" auf. Die positive Stimmung im Text ist passend zur Musik. Bei "No Time For This" beispielsweise geht es darum, die negativen Gedanken abzustreifen, frei nach dem Motto: Wir haben keine Zeit für negative Dinge. Der Albumtitel ist programmatisch zu verstehen, denn ans Aufhören denkt Candy Dulfer sicherlich noch lange nicht. Traumwandlerisch ist die Meisterin zwischen Pop, HipHop, Soul, Funk und Jazz sicher unterwegs und unterstreicht ihre künstlerische Reife. Dabei ist sie deutlich als Teamplayerin wahrzunehmen, nimmt sich zuweilen zurück und ist immer ein gleichberechtigter Teil einer achtköpfigen Band, wenngleich ihr eine andere Rolle zukommt..
Völlig frei von Pathos blieb das Konzert in Dresden nicht. Die Erinnerung an Corona verband sie mit dem Wunsch, in der Zukunft noch viele Konzerte in dieser Stadt spielen zu dürfen. Man kennt sich also, Publikum und Künstlerin. Die Stadt geriet zum symbolischen Ort, als sie auf der Bühne ihren Wunsch nach Frieden in der Welt ans Publikum richtete. Das kam an und wirkte keineswegs aufgesetzt. »Leider ist es oft so, dass es drei Schritte nach vorne geht und dann wieder zwei zurück«, versuchte sie den Blick auf das Weltgeschehen zu richten. Es war ihr ein Bedürfnis und Dresden als Stadt der passende Ort für eine solche Botschaft.
Diese Art von Apellen hielt sich jedoch in Grenzen. Es wurde deutlich, dass die Frau Positionen vertritt. Vielleicht kann gerade die Funkmusik ein solch positives Denken musikalisch gut vermitteln. Denn gute Laune stand zweifelsfrei im Mittelpunkt. Das zweistündige Konzert verkörperte eine positive Stimmung, die die Menschen ergriff und die viele Besucher gegen Ende zum Tanzen brachte, so wie es von Candy Dulfer gewünscht war. Standing Ovations am Ende für die Künstlerin waren die logische Konsequenz.
Ein glückliches Händchen hatten die Veranstalter der Dresdner Jazztage, als sie kurzfristig die Musiker von The Next Movement verplichteten, um im halbstündigen Vorprogamm die Weichen auf gute Laune zu stellen. Das Trio aus der Schweiz hatte einen Tag später ein lang geplantes Konzert an gleicher Stelle, sodass sie am Tag zuvor gewissermaßen ihren eigenen Werbeblock bestreiten durften. Dabei überzeugten die drei im Bademantel gekleideten Herren mit Funk und einer Leichtigkeit, die Spaß machte. Aber es waren keineswegs drei Vertreter einer Spaßgesellschaft, denn dafür ackerten sie viel zu ernst für Kurzweil und gute Unterhaltung. Zusammen mit der Hauptakteurin des Abends gab es Funk im Doppelpack – als Garant für unbeschwerte Gedanken beim Publikum und auf der Bühne.
So waren zwei Bands zu erleben, die stilistisch aus genau dem gleichen Holz geschnitzt waren. Das machte Lust auf mehr. Man lernte, was Funk
ausmachte: ein klassisches Instrumentation als Grundstock, verstärkt durch Backgroundstimmen und bei Bedarf ein zweites Keyboard. Zu begrüßen war der Auftritt von The Next Movement, weil sie als Trio ebenso den Groove mit Esprit und Lebensfreude unters Zeltdach holten. Sie vermittelten ein gutes Gefühl mit einer schwungvollen Musik.
Der Dank von RockTimes geht an Hans-Joachim Maquet für die freundliche Fotoakkreditierung. Auf ein Neues im nächsten Jahr.
Fotos: ®Mario Keim
Line-up Candy Dulfer:
Candy Dulfer (saxophone, vocals, backing vocals)
Ulco Bed (guitar)
Xander Buvelot (bass)
Ivan Peroti (vocals, backing vocals)
Camilio Rodriguez (backing vocals)
Roger Happel (keyboard, vocals)
Henne Reijs (keyboard)
Kick Woudstra (drums)
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