Noise-Wiederveröffentlichungen: Celtic Frost, Teil 3:
"Into The Pandemonium"
Pandemonium = ein Buch aus dem Epos "Paradise Lost" von John Milton. Dort: Die Hauptstadt Satans und seiner Kollegen. Pandämonium: Gesamtheit aller Dämonen bzw. deren Aufenthaltsort.
Nachdem sich Celtic Frost schon dem großen Tier (To Mega Therion) aus der Apokalypse gewidmet hatten, geht es auf der Nachfolgescheibe ins Reich der Dämonen, "Into The Pandemonium".
Gab es auf dem Vorgänger noch ein Covermotiv von H. R. Giger, wurde hier ein Auszug aus einem Teil von Hieronymus Boschs Triptychon "Der Garten der Lüste" verwendet, nämlich der mit der Hölle drauf.
Der Begriff Chaos hätte meiner Meinung nach besser zur "Into The Pandemonium" gepasst, als die Hölle (nun, für manche Fans war es vielleicht auch die Hölle…).
Niemals zuvor und niemals danach präsentierten sich Celtic Frost so vielseitig und unterschiedlich in den Songs, niemals ging das persönliche Empfinden der Hörer betreffend einzelner Nummern so weit auseinander wie auf dieser Scheibe. Aus der Band, die (mit anderen) die Basis für Death/Black/Doom Metal geschaffen hatte, wurden sie als eine experimentelle Truppe, zu Recht in Anzeigentexten als »The gods and originators of european avantgarde-metal«, bezeichnet. War dies mutig, kreativ oder planlos? Oder einfach nur Avantgarde?
Alleine schon die Tatsache, mit einer Coverversion loszulegen, noch dazu eine, die kein Metal oder wenigstens Hard Rock ist, sondern von einer New Wave-Band aus den USA stammt, nämlich Wall Of Voodoos Hit "Mexican Radio". Celtic Frost und eine eingängige Titelzeile? Und was ist mit der Stimme von Tom Warrior? Klingt weniger finster… auch wenn doch noch ein typisches »ugh« dabei ist.
"Mesmerized" ist zwar ein eigener Song, aber die Stimme klingt auch hier eher jammernd und nicht nach Death/Black Metal, sondern scheint eher von der Gothic-Ecke beeinflusst. "Inner Sanctum" wirkt schon deutlich 'frostiger'.
Mit "Tristesses de la lune" gibt es die nächste Überraschung: Violine, Cello, Frauengesang. Okay, letzeren gab es dezent eingesetzt auf dem Vorgänger auch, und an ungewöhnlichen Instrumenten waren es Hörner. Aber hier dominiert dieser Anteil, mit Metal hat das Stück wenig zu tun und die weibliche Stimme steht im Vordergrund. Dass der Text auf französisch ist liegt daran, dass es sich um die Vertonung von einem Baudelaire-Sonnett handelt. Ungewöhnlich, aber sehr reizvoll.
Nach zwei eher ’normalen' Nummen wird es wieder experimentell: "One In Their Pride (Porthole mix)" überrascht mit elektronischen Elementen und Samples. Das fordert schon einiges an Toleranz und stieß/stößt verständlicherweise nicht unbedingt auf Begeisterung bei den Fans.
"I Won’t Dance (Elder’s Orient)" entschädigt wieder, ist gleichzeitig frostig und eingängig durch die Backing Vocals.
"Rex Irae (Requiem)" wird von vielen als der Höhepunkt des Albums angesehen und sollte Vorbild für etliche Bands sein/werden, die Klassik und Metal mischen, was schon an der Aufteilung in "Overture" "Rememberance" und "Finale" zu erkennen ist. Ebenso wegweisend ist die Art und Weise des Duetts zwischen Tom (hier als 'King Wrath') und der 'Dream Voice' (diese ist wirklich traumhaft schön). Sehr beeindruckend, großes Kino, alleine dafür verdient die Scheibe Aufmerksamkeit. Spätestens hier mussten alle umdenken, die Celtic Frost noch als eine Krachkombo im Kopf hatten.
Das war nicht mehr zu toppen und so endet die reguläre LP kurz danach mit dem kurzen Instrumental "Oriental Masquerade".
Auf den CD-Veröffentlichungen gab es Bonus-Tracks, je nach Version in unterschiedlicher Anzahl. Die 2017 erschienene Neuauflage enthält die maximale Variante mit fünf Stücken. Darunter befindet sich eine Version von "In The Chapel In The Moonlight" (1936 von Billy Hill geschrieben) und mit "Sorrows Of The Moon" die englische Variante von "Tristesses de la lune", die sich deutlich unterscheidet, eher wie ein ’normaler' Celtic Frost-Song klingt.
Aber was ist bei den Schweizer Frosties schon normal? Sie gingen immer ihren eigenen Weg, schon auf den ersten Veröffentlichungen ließen sie sich nicht auf nur eine Sparte festnageln, für die "Into The Pandemonium" gilt dies jedoch in ganz besonderem Maße, hier wurden weitere Genregrenzen überschritten. Dabei kamen Sternstunden-Songs heraus, die damals für Staunen sorgten und sogar heute, rückblickend, noch wegweisend erscheinen, auch 30 Jahre nach Erstveröffentlichung und die alleine deswegen schon in eine gut sortierte Sammlung gehören.
Dies gilt dann noch mehr für die Bonus Tracks – wer nicht schon alles in anderer Form hat, sollte auf jeden Fall zuschlagen. Eventuell sogar erneut, da alles überarbeitet wurde, mit Texten, Bildern und Liner Notes versehen in schickem Digi-Book verpackt.
Ein wenig Toleranz und Offenheit jedoch wurde und wird immer von den Fans gefordert. Nun, bei CD Playern gibt es notfalls die Skip-Taste…
Line-up Celtic Frost:
Tom G. Warrior (vocals, guitars, effects)
Martin E. Ain (bass, vocals, effects)
Reed St. Mark (drums, percussion, vocals, timpani, synth)
Claudia-Maria Mokri (backing vocals – #2,5,10)
Malgorzata Blaiejewska (violin – #4,10,11)
Eva Cieslinski (violin – #4,10,11)
Wulf Ebert (cello – #4,10,11)
Jurgen Paulmann (viola – #4,10,11)
Manü Moan (additional vocals – #4)
Anton Schreiber (french horn – #10,11)
Marchain Regee Rotschy (backing vocals – #8)
Lothar Krist (conductor – #4,10,11)
H. C. 1922 (backing vocals – #8)
Andreas Dobler (guitars – #9,10,14)
Thomas Berter (backing vocals – #1)
Tracklist "Into The Pandemonium"
- Mexican Radio [Wall Of Voodoo cover] (3:29)
- Mesmerized (3:24)
- Inner Sanctum (5:16)
- Tristesses de la lune (3:00)
- Babylon Fell (4:19)
- Caress Into Oblivion (5:14)
- One In Their Pride [Porthole mix] (2:51)
- I Won’t Dance [Elder’s Orient] (4:33)
- Rex Irae [Requiem] (5:58)
- Oriental Masquerade (1:16)
Bonus Tracks:
- Sorrows Of The Moon (3:04)
- The Inevitable Factor (4:38)
- In The Chapel, In The Moonlight (2:04)
- One In Their Pride [re-entry mix] (5:54)
- The Inevitable Factor [alternate vox] (4:38)
Gesamtspielzeit 59:47, Erscheinungsjahr 2017 (Originalerscheinungsjahr 1987)
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