Noise-Wiederveröffentlichungen: Celtic Frost,
Teil 1: "Morbid Tales"
1984 wurde es in der Schweiz kalt… es gab Frost, keltischen, im ehemaligen Reich der Helvetier. Dort war zwei Jahre zuvor eine der extremsten Bands gegründet worden, die es bis dahin gab: Hellhammer. Diese hatten teilweise den Ruf, die schlechteste Band der Welt zu sein…
Nun, neuer Name, neuer Anfang, gar nicht mal so andere Musik, jedoch kleine Imagekorrektur, weniger satanisch; obwohl das eigentlich auch vorher nicht zutraf, sondern weitere Inhalte vorhanden waren, wurde die Band von manchen in diese Schublade gesteckt.
Thomas Gabriel Fischer nannte sich statt Satanic Slaughter nun Tom G. Warrior und Martin Eric Stricker statt Slayed Necros nun Martin E. Ain. Es wurde klarer: Die Inhalte gingen Richtung Horror / Okkultismus / Geschichte.
»Agony and nightmare /To Yog sothoth they moan
Nightfalls, morbid affair /Beard the faceless one
Are you morbid?«
"Morbid Tales" war von H. P. Lovecraft inspiriert. Interessanterweise war dieser Song, obwohl titelgebend, auf der EP von Noise gar nicht enthalten. Deswegen habe ich mir lieber die Version von Banzai Records gekauft, mit den zwei Bonustracks. Optisch unterschieden sich beide durch die Farbe des Heptagrams auf dem Cover: bei Noise war es rot, bei Banzai weiß mit rot.
Die 2017er Wiederveröffentlichung hat ein rotes Heptagram, jedoch die gleiche Tracklist wie die Banzai-Version. Dazu kommen noch vier Rehearsal-Tracks, bei denen sich mit "Messiah" auch einer von Hellhammer eingeschlichen hat.
Kommen wir zur regulären Scheibe, die damals als Thrash Metal gehandelt und eingestuft wurde, jedoch Vorreiter für die Bereiche Black Metal und Death Metal war, beide Richtungen prägte und beeinflusste; dazu teilweise sogar doomige oder punkige Elemente hatte. Doublebass, die angegrowlte Stimme und das »ugh«, dazu die Optik – das alles war damals, 1984, noch neu und sorgte tatsächlich für Aufsehen. Celtic Frost agierten jedoch nie platt oder billig, weder in ihren Texten noch was die Songs anging.
Es wäre also falsch, der Musik ihre Qualität abzusprechen, sie funktioniert nur auf ganz anderer Ebene als melodische Rocksongs und virtuoses Gitarrengefuddel – sie erzeugt düstere Atmosphäre, eine morbide schwarze Macht, einen vertonten Blick in Abgründe.
Los geht es mit dem kurzen Intro "Human", bei dem ein Schrei immer wieder hintereinander aufgenommen wurde, so dass er unheimlich und unmenschlich wirkt. Danach fallen die Hörer in die Hände von Gilles de Rais, dem französischen Heerführer, der dafür unrühmlich bekannt wurde, dass er jede Menge Kinder (laut Untersuchungsprotokoll 140) entführte und folterte. "Into The Crypts Of Rays" hat also nichts mit Strahlen zu tun. "Visions Of Mortality" hingegen kritisierte Menschen, die sich hinter Religion verstecken.
"Dethroned Emperor" kriecht stellenweise doomig-gedrosselt aus den Boxen, ist genau wie das danach folgende Titellied ein Highlight der Scheibe. Noch schleppender wird es bei "Procreation (Of The Wicked)" – im Original der Opener der zweiten LP-Seite – und der wird es für mich auf gewisse Weise immer bleiben, egal wie lange ich "Morbid Tales" schon auf CD habe.
In "Return To The Eve" verarbeitet Tom textlich auf recht stilvoll und poetisch wirkende Weise seine Kindheit als menschlicher Junge bei einer Katzenhorterin. Hier trifft es zu, dass Musik ein Ventil zur Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen ist – interessanterweise erscheint der Song dafür recht friedlich und ausgeglichen.
"Danse Macabre" ist wieder ein Instrumental, für das Stimmen aufgenommen wurden. Die ersten zwei, drei Mal fand ich das reizvoll und sogar unheimlich, mittlerweile nicht mehr.
Nach "Nocturnal Fear" ist die reguläre Scheibe zu Ende, es folgen die Bonus Tracks. Da Rehearsals, müssen natürlich Qualitätsabstriche gemacht werden, daher handelt es sich um eine nette Dreingabe, doch nichts wirklich Nötiges. Nun, wer sie nicht hören mag, kann vorher abschalten…
Insgesamt ist die Neuauflage – da mir nur die CD vorliegt kann ich nur diese beurteilen – schön aufgemacht im Digibook mit vielen Fotos, Texten und Liner Notes von Xavier Russel. Zudem wurde das Material von Tom Gabriel Warrior und V. Satura (Triptykon) überarbeitet. Warum keine Liner Notes von Tom, was doch am naheliegensten wäre: In seinen standen Aussagen, die zensiert werden sollten, was er verständlicherweise ablehnte und daher zog er sie zurück.
Line-up Celtic Frost:
Tom G. Warrior (vocals, guitars, effects)
Martin E. Ain (bass, additional vocals, bass effects)
Stephen Priestly (session drums, percussion)
Horst Müller (additional vocals – # 3,5,7)
Hertha Ohling (additional vocals – #6)
Oswald Spengler (violin – # 7,8)
Tracklist "Morbid Tales"
- Human (0:41)
- Into The Crypts Of Rays (3:39)
- Visions Of Mortality (4:48)
- Dethroned Emperor (4:38)
- Morbid Tales (3:29)
- Procreation [Of The Wicked] (4:05)
- Return To The Eve (4:08)
- Danse Macabre (3:52)
- Nocturnal Fear (3:40)
Bonus
- Morbid Tales [Autumn 1984 Rehearsal] (3:41)
- Messiah [Summer 1984 Rehearsal] (4:45)
- Procreation (Of The Wicked) [Autumn1984 Rehearsa]) (4:14)
- Nocturnal Fear [Autumn 1984 Rehearsal] (3:54)
Gesamtspiellänge 49:34 , Erscheinungsjahr 2017 (Originalerscheinungsjahr 1984)
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