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Chantel McGregor / Shed Sessions Volume One – CD-Review

Chantel McGregor / Shed Sessions Volume One

Filigrane Homestorys aus der Baracke

Chantel McGregor ist nicht nur studierte Musikerin mit den Schwerpunkten Saitenartistik, Songwriting und Gesang … nein, sie scheint auch eine Art Prophetin zu sein. Anlässlich ihres 2019 erschienenen Live Albums Bury’d Alive war vor ca. eineinhalb Jahren in unserem Magazin zu lesen: »[…]währenddessen werkelt die 33jährige Chantel McGregor aus Bradford in der englischen Grafschaft West Yorkshire aktuell an einem Akustikalbum […]« und: »Ein Fest für SaitenliebhaberInnen des vermeintlich ausgelutschten Genres 'Blues Rock', garniert mit […] ausgleichenden Akustik-Gitarren-Leckereien, die großen Appetit auf das in Entstehung befindliche Akustikalbum machen […]«.

Einen guten Monat nach Erscheinen besagter Rezension ging die (westliche) Welt in einen Pandemie-bedingten Lockdown, der gerade auch Künstlerinnen und Künstlern von einem Tag auf den anderen die Lebensgrundlage entzog … immerhin können von Streaming-Erlösen und/oder Tonträgerverkäufen nur die allerwenigsten Musiker*innen ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Chantel McGregor machte aus der Not eine Tugend und rief die wenig schmeichelhaft betitelten 'Shed-Sessions' ins Leben … musikalische Homestorys aus dem heimeligen Schuppen, wahlweise gemütliche Baracke. Lediglich mit Akustikgitarre und Mikro ausgestattet verfolgte McGregor die Idee eines gut einstündigen Live-Streams, um einfach Musik spielen zu können und diese über die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Plattformen wie YouTube ihren Fans zugänglich zu machen inklusive der Möglichkeit, sich interaktiv austauschen zu können. So setzte sich denn auch ihr Programm aus Wünschen der Fans und eigenen persönlichen Favoriten zusammen … sehr viele Fremdvorlagen und zwischendurch ihre eigenen Sachen.

Diese Live-Streams produzierte sie seit dem 28.03.2020 einmal wöchentlich am Samstagnachmittag um 17.00 Uhr, zunächst aus dem Norden Englands, ab dem 20.06.2020 dann aus dem Süden in Kooperation mit dem in Cambridge ansässigen und ebenfalls studierten Pianisten, Keyboardspezialisten, Komponisten und Arrangeur Jamie Brooks. Das hatte zur Folge, dass McGregor neben der akustischen auch zur elektrischen Gitarre griff und von Brooks am Keyboard begleitet wurde, wobei sukzessive eine Weiterentwicklung und Verbesserung der technischen Umsetzung stattfand. Die letzte Session ist noch gar nicht so lange her und ging am 14.08.2021 über die häusliche Bühne, seitdem gibt es endlich wieder Live-Gigs.

Aufgrund vieler Nachfragen ihrer Fans reifte bei Chantal McGregor der Entschluss, aus diesen Sessions ihr Akustikalbum herauszufiltern. Da es aber Material in Hülle und Fülle mit und ohne Begleitung gab, kristallisierte sich alsbald heraus, dass es zwei Alben werden würden … und genau diese liegen dem Rezensenten vor. Den Mix und das Mastering erledigte niemand Geringeres als Wayne Proctor, seines Zeichens Vorzeige-Blues Rock-Schlagwerker Britanniens (beispielsweise vier 'British Blues Awards' als "Drummer of the Year"), der u.a. schon für King King, Ben Poole oder Aynsley Lister die Stöcke schwang, aber auch als Produzent und Toningenieur sehr gefragt ist.

Proctor hat ganze Arbeit geleistet, speziell "Volume Two" mit der Hinzunahme Jamie Brooks an der Taste und den Kostproben McGregorscher Saitenakrobatik verströmt zu keinem Zeitpunkt Baracken-Selfie-Flair, während die Dynamikkompression erfreulich maßvoll ausfällt.
Die Songauswahl ist sehr Fremdvorlagen-lastig und vielfältig bezüglich der musikalischen Herkunft, lediglich zwei Eigenbauten stehen auf "Volume Two" zu Buche. Was ebenfalls auffällt ist der fast durchgängig sehr ruhige, stellenweise fast zärtliche Duktus der Interpretationen, der nur sehr selten durch energischere, schnellere Passagen aufgebrochen wird. Dadurch trägt der Gesang der Protagonistin einen Großteil der Songs, welche mit glockenheller Stimme irgendwo zwischen Kate Bush und Stevie Nicks intonationssicher vorgetragen werden, aber recht wenig Modulationsspielraum offenbaren und dadurch trotz ihrer vielfältigen Gene vergleichsweise eindimensional erscheinen.

Den Vorlagen von Neil Young, Jewel, Peter Gabriel, John Prine, Stevie Nicks herself, James Taylor, Steve Winwood, Tori Amos oder gar Metallica kann somit leider wenig Substanzielles entlockt werden … insgesamt spröde, hübsch anzuhören, aber eher als Schlummertrunk zur vorgerückten Stunde. Letztlich ist das hendrixsche "Voodoo Chile" als Paradenummer für fingerfertige Saitenartisten auf "Volume One" zu wenig, um eine gewisse Eintönigkeit aufbrechen zu können. Das ist schade, da aus den zig Sessions auch deutlich mehr flotteres Material zur Verfügung gestanden hätte.

Chantel McGregor / Shed Sessions Volume Two

Chantel McGregor / Shed Sessions Volume Two

Ebenfalls schade ist der Umstand, dass dieser Rahmen nicht für neue Songs der Künstlerin genutzt wurde. Auf "Volume Two" sind mit "Walk On Land" und dem Instrumental "April" zwei eigene Vorzeigenummern vertreten, die das eingangs erwähnte Live-Album ebenfalls schon zierten. In ihrer stark reduzierten Fassung kommt allerdings eine atmosphärische Verdichtung zum Tragen, die das unfassbare Saitenspiel McGregors noch deutlicher hervorstechen lässt. Da sieht der Rezensent glatt einen Steve Morse mit stehenden Ovationen vor seinem geistigen Auge.

Atmosphärisch, sehr gefühlvoll und mit passendem Arrangement werden auf "Volume Two" auch der Radiohead-Hit "Creep", Jewels "Foolish Games", Gershwins Klassiker "Summertime" und Steven Wilsons "Drive Home" interpretiert, letzteres mit einem schönen Spannungsbogen und genau dem Saitenspiel versehen, welches wiederholt jedweden Luftgitarristen vor unlösbare Probleme stellen dürfte.

Fazit:
Auch ohne Pandemie wollte Chantal McGregor ein Akustikalbum machen. Nun hat ihr die Verarbeitung selbiger gleich zwei solcher Alben beschert, wobei Numero Zwo im kleinen Rahmen elektrisch und personell verstärkt ist. Diese Verstärkung steht Chantal McGregor gut zu Gesicht, hat sie hier doch stellenweise wundervolle Atmosphäre und stimmige Arrangements mit erstklassigem Saitenspiel kombinieren können. Überhaupt gilt nach wie vor, dass hier das bestgehütete Saiten-Geheimnis Großbritanniens schlummert, da muss der Rezensent kein Prophet sein.


Line-up Chantel McGregor:

Chantel McGregor (vocals, acoustic guitar, electric guitar #Volume Two)
Jamie Brooks (piano & organ #Volume Two)

Tracklist "Shed Sessions Volume One":

  1. Needle And The Damage Done (1:58)
  2. Morning Song (3:30)
  3. Sledgehammer (2:54)
  4. Angel From Montgomery (4:12)
  5. Gold Dust Woman (4:46)
  6. Fire And Rain (3:38)
  7. Can’t Find My Way Home (2:24)
  8. Love Has No Pride (3:41)
  9. Harvest Moon (3:59)
  10. Landslide (2:40)
  11. Voodoo Chile (3:54)
  12. I Can’t Make You Love Me (5:23)
  13. Nothing Else Matters (4:52)

Gesamtspielzeit: 47:51, Erscheinungsjahr: 2021

Tracklist "Shed Sessions Volume Two":

  1. Creep (4:15)
  2. Foolish Games (5:12)
  3. Drive Home (7:53)
  4. Winter (5:34)
  5. Walk On Land (7:30)
  6. Uninvited (4:37)
  7. Summertime (5:53)
  8. April (7:04)
  9. River (4:22)
  10. The Raven That Refused To Sing (7:06)

Gesamtspielzeit: 59:26, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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