Der Folk-Musiker Charles O’Hegarty war offensichtlich einer dieser Charaktere, die überall dabei waren, ohne jedoch einen großen Namen für sich selbst zu machen. Im Jahr 1963 beschloss der auch bis dahin bereits weit gereiste Engländer mit seiner Frau Anna nach Amerika aufzubrechen, um sich der dort gerade boomenden Folk-Szene anzuschließen. Allerdings landete er zunächst in Kanada, wo er bis 1965 blieb. Dann ging es weiter nach New York City, wo O’Hegarty ein fester Bestandteil der Folk-Szene im Greenwich Village (von wo aus ein gewisser Bob Dylan seine Karriere starten und die Welt im Sturm erobern sollte) wurde. Der Brite war jetzt so richtig angekommen, das einzige was fehlte, war ein Plattenvertrag, der leider nie wirklich kommen sollte.
Dem Label Lollipoppe Shoppe wurden drei Studioaufnahmen des 2010 verstorbenen Musikers zugespielt, die dort soviel Begeisterung auslösten, dass die Plattenfirma sich umgehend auf Suche nach weiterem Material begab. Zwei Jahre hat es gedauert, bis Lollipoppe nun tatsächlich ein volles Album mit Studio-, vor allen Dingen aber Live-Material, aus insgesamt sechs verschiedenen Quellen, vorgelegt hat. Begonnen wird mit den drei bereits erwähnten Studio-Aufnahmen, die tatsächlich richtig Eindruck machen. O’Hegarty glänzt hier mit starkem Songwriting, feinem Guitar-Picking und einer sanften melodiösen Stimme. An der Qualität des Musikers kann es also nicht liegen, dass sein Name heute in Fan-Kreisen kaum mehr geläufig ist. Wohl eher daran, dass es nie zu einem Deal mit einem Label und somit offiziellen Veröffentlichungen kam. Schade.
Leider ist der Sound der verschiedenen Live-Quellen dann doch auch großen Qualitäts-Schwankungen unterworfen. Das Song-Material ist qualitativ durchgehend auf hohem Niveau und der Engländer war auch ein hervorragender Unterhalter, wie man aufgrund der vielen hier festgehaltenen Interaktionen mit dem Publikum feststellen kann. Dabei hat er auch seine Heimat nicht vergessen, was neben den Eigenkompositionen Traditionals in Form von beispielsweise "The Leaving Of Liverpool" oder auch Songtiteln wie etwa "The English And The French" erkennbar ist. O’Hegarty war jedoch nicht ausschließlich Alleinunterhalter, da auf einigen Stücken auch weitere Instrumente vertreten sind. Lediglich die namentliche Erwähnung der Mitspieler fehlt, aus verständlichen Gründen.
Letzten Endes bleibt zu sagen, dass das Label Lollipoppe Shoppe hier ein kleines Juwel ausgegraben hat. Beim Sound muss der Hörer – wie bereits erwähnt – Abstriche machen, allerdings haben wir es hier mit musikhistorisch wertvollem Material zu tun, das ein gefundenes Fressen für jeden Folk-Fan, speziell den der sechziger Jahre, sein sollte.
Die Ausgabe des Albums auf (farbigem) Vinyl mit Bonus Track-CD ist auf 300 Exemplare limitert und enthält 16 Tracks, von denen bis auf einen bisher alle unveröffentlicht waren. Die CD-Ausgabe wartet mit 23 Songs auf, wobei davon auszugehen ist, dass die Bonus Track-CD der Vinyl-Ausgabe die dort fehlenden sieben Stücke enthält.
Line-up Charles O’Hegarty:
Charles O’Hegarty (all instruments and vocals)
Tracklist "The More I Travel":
- Morning Shadow
- Love Poem
- Marika’s Lullaby
- Play With Fire
- The More I Travel
- Shoals Of Herring
- Body In The Bag
- The Leaving Of Liverpool
- Little Bridget Flynn
- Cushie Butterfield
- The English And The French
- Suez War Song
- Hot Asphalt
- Wild Mountain Thyme
- Face In The Crowd
- I Might Not Be Everything To You
- Down Below
- Cosher Bailey’s Engine
- Johnny Todd
- What A Mouth
- The More I Travel
- Love Poem
- Morning Shadow
Gesamtspielzeit: 69:46, Erscheinungsjahr: 2022 (1964-1970)
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