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Cheap Wine / Faces – CD-Review

Cheap Wine / Faces

Seit 2009 verfolge ich nun schon das Schaffen der Band. Und immer wieder überraschen sie mich mit ihrer stilistischen Vielfalt, man kann sie einfach nicht in eine ganz spezielle Schublade stecken. Hatten wir uns anfangs noch auf Blues Rock und Americana einigen können, folgten 2014 und 2015 zwei Scheiben, die wir unter 'Rock Noir' eingeordnet haben. 2017 gab es sogar einige progressive Anleihen und zwei Jahre später …

… hab ich feststellen können: Hier wurde nun wieder die E-Gitarre eingestöpselt, sie dominiert ganz klar das Geschehen auf dem Album. Und ich bekomme das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.
Die Band hat es einfach drauf, sich immer wieder neu zu erfinden, ohne dabei ihre Identität vollends aufzugeben und auch ohne Gefahr zu laufen, sich mit jeder neuen Veröffentlichung zu wiederholen. Maßgeblich dazu bei trägt natürlich auch Marco Diamantinis unverkennbare Stimme.

Die Herangehensweise ist dieses Mal also deutlich rockiger, wird dabei jedoch von einer sehr dunklen, melancholischen Stimmung durchzogen, was sicherlich auch den von Marco geschriebenen Texten geschuldet ist. Sie handeln von Verzweiflung, Leid, von den verschiedenen Facetten der Seele sowie von dem Verlangen auszubrechen aus dem Alltag, vom Wunsch zu Flüchten aus einer zerstörten Stadt.

Michele legt gleich beim Eröffnungssong, "Made To Fly", ordentlich los, vorangetrieben von Alan Giannini an den Drums und Andrea Giaro am Bass. Dazu wird das Stück von pulsierenden Piano-Tupfern begleitet, um somit eine hochemotionale Spannung zu erzeugen. Dem Gitarristen wurde sogar Freiraum für ein Solo eingeräumt. Und dieses Solo ist keine zur Schau gestellte Frickelei, es wurde dem Geschehen entsprechend dezent angepasst. So kann es gerne weiter gehen.

"Head In The Clouds" beginnt mit einem Flirren, welches klingt, als würde man in eine verstopfte Trillerpfeife blasen, sowie einem akustischen Solo, bis die E-Gitarre, gemeinsam mit dem Keyboard, auch hier wieder das Zepter übernimmt. Die Nummer baut sich ganz langsam auf, um am Ende fast zu explodieren. Der Einsatz des Wah Wah-Pedals verleiht dem Ganzen noch den letzen Kick.
"The Swan And The Crow", ein wunderbar nach vorn treibendes und dennoch unaufgeregtes Stück, gehört jedoch nicht unbedingt zu den Kompositionen auf der Platte, die sich von Anfang an in die Gehörgänge bohren.

Mit "The Great Puppet Show" hat man wieder einen soliden Rock-Song auf das Album gepackt, bei welchem so mancher Banger live das mehr oder weniger vorhandene Haupthaar schütteln kann. Ein echter Stadionrocker! Lustig finde ich die dazwischen gespielten, doch sehr schräg klingenden Klavierpassagen.

Der Titeltrack ist mit etwas über sechs Minuten das längste Stück auf der Scheibe und gehört für mich zu den absoluten Highlights. Schon das Intro lässt einen regelrecht erschauern und gespannt darauf warten, was weiter passieren wird. Harte Drum-Schläge setzen ein, Gitarre und Keyboard spielen sich gegenseitig die Bälle zu und Marco erzählt von einem düsteren Szenario: »The sun goes down, the yellow Moon comes up an this town full of broken glass. Low-down scarectrows in the dark sowing fear, feeding pigs and sharks.« Am Ende duellieren sich Keyboard und Gitarre ganze drei Minuten lang – doch keines der Instrumente drängt sich in den Vordergrund – und schaffen eine eigenwillig-beklemmende Atmosphäre. Interessant sind immer wieder die kleinen soundtechnischen Spielereien, die gekonnt Akzente setzen und für die eine oder andere Überraschung sorgen.

"Misfit" hört sich zwar im ersten Moment wieder hoffnungsvoller an, doch der Text ist das völlige Gegenteil davon. Marco erzählt von einem Außenseiter, der sich gänzlich fehl am Platz fühlt, der verrückt, faul und eitel ist, ein erwachsener Mann mit dem Gehirn eines Kindes.
Auch "Princess" gehört in die Kategorie 'Düsternis'. Marco Diamantini versteht es immer wieder seine Stimme so einzusetzen, dass man das Gefühl hat, einem Geschichtenerzähler zuzuhören. "Princess" hätte auch aus der Feder von Nick Cave stammen können.
"Disguise" klingt dagegen irgendwie fröhlich, ja richtig locker flockig, die Lyrics ’sprechen' jedoch eine ganz andere Sprache: »The steets are on fire, grey smoke and ash on the tround. The sky ist black, the sun goes down, the night comes fallin withhout a sound.«

Beendet wird das Album mit "New Ground", einer sehr zerbrechlichen Nummer. Regelrecht träge perlen die Töne ganze 5:36 Minuten lang vor sich hin, ja sie scheinen regelrecht zu schweben. Nur dezent ist das Schlagzeug zu hören und ein weiterer  Spannungsbogen folgt durch das Einstreuen leicht psychedelische Klänge, die Michele seiner Gitarre entlockt. Auch das Keyboard sorgt für atmosphärische Dichte, um die hier vorherrschenden tiefen Gefühlsregungen wiederzugeben, die Gefühle bei der 'Flucht aus der hoffnungslosen Stadt'!
Hammerhart und weckt bei mir Assoziationen an Led Zeppelins "Tea For One" zum Beipiel.

Die Band hat mit diesem Album wieder einmal ein hervorragendes Werk geschaffen, von tiefen Emotionen geprägt, deren tonale Umsetzung geradezu meisterhaft gelungen ist.
CDBaby empfiehlt diese Scheibe den Fans von Lou Reed, Neil Young und Nick Cave. So weit hergeholt finde ich das gar nicht. Entstanden ist die Platte übrigens per Crowdfunding.
Gönnt "Faces" unbedingt ein paar Hördurchgänge und ihr werdet feststellen, es 'wächst' mit jedem Repeat.


Line-up Cheap Wine:

Marco Diamantini (vocals)
Michele Diamantini (electric guitar, acoustic guitar)
Alan Giannini (drums, percussion)
Andrea Giaro (bass)
Alessio Raffaelli (keyboards, piano)

Additional player:
Chiara  Cecchini (Flute)

Tracklist "Faces":

  1. Made To Fly
  2. Head In The Clouds
  3. The Swan And The Crow
  4. The Great Puppet Show
  5. Faces
  6. Misfit
  7. Princess
  8. Disguise
  9. New Ground

Gesamtspielzeit: 39:00, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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