Psychedelischer, europäischer Stoner Rock lässt sich glücklicherweise niemals so ganz auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Einflüsse können überall herkommen, aber wenn sie aus mehreren tausend Jahren Kultur erwachsen, dürfen wir uns glücklich schätzen, dass unsere geliebte Rockmusik in der Lage ist, solche Wurzeln zu verarbeiten.
Griechenland ist sehr wohl ein Land, welches durch seine rockige Orientierung immer schon eine Menge Ausrufezeichen gesetzt hat. Aphrodites Child und ihr 666 waren in der Urzeit revolutionär und die Nightstalkers rocken die Stoner-Szene schon seit einigen Jahren. Stavros Papadopoulos und Panagiotis Zabourlis beglücken die Welt der Rockmusik hingegen auf verschiedene Weise, zuletzt hat Kollege Markus Ende 2018 ein Album aus einer ganz anderen Welt besprechen dürfen. Wenn Musiker sich auch in klassischem Rock und Southern orientierten Klängen zuhause fühlen, dürfen wir zurecht erwarten, dass auch ein Stoner-Album aus dem gleichen Hause nicht nur mit tief gestimmten Gitarren und Genre typischem Riffgedröhne aufwartet. "Mythologica" wird allein von den beiden Masterminds eingespielt, sämtliche Instrumente gehen auf ihr Konto – und, ach ja, es ist ein Instrumentalalbum.
Genau dieser Spirit empfängt den spannungsgeladenen Zuhörer schon im geradezu mystisch sphärischen Intro zu Sisyphus, jenem schlitzohrigen König der antiken Sage gewidmet, auf dessen göttliche Strafe, für alle Zeiten einen Felsblock einen Berg herauf zu wuchten, auf dieser kurz vor dem Ziel wieder herunterkugelt, eines der berühmtesten Zitate aus der alten Welt hervorgeht. Und wer von uns will nicht behaupten, mit Sisyphusarbeit schon mal in Berührung gekommen zu sein. Sie ist mir ein fast täglicher Begleiter geworden.
Dieser geile psychedelische und irgendwie ein bisschen kraurockige Auftakt lässt nicht erahnen, dass hier gleich die Riffs einschlagen werden. Aber nicht allzu krawallig, denn der Song folgt einer kunstvollen Gestaltung und lässt sich immer wieder Zeit, Luft zu holen, bevor die Licks aufs Neue ausschwärmen. Geiler Auftakt.
Wie sehr die Jungs ihr Handwerk verstehen, zeigt sich in dem lässig treibenden "Caryatis", wo die Gitarren dich dehnen und ziehen. Eigentümlich traditionsbehaftete Harmonien wirken repetitiv eingesetzt wie eine Hypnose und die heraus wachsenden Soli ziehen dich in eine andere Dimension. "Morpheus" nimmt diesen astralen Storm auf und meditiert zarte bunte Luftblasen.
Das kommt sehr gut, beinhaltet vielleicht aber auch die einzige kleine Schwäche des kompletten Langspielers. Irgendwie schleicht sich das Gefühl ein, dass wir in einem kaum variierenden mittleren Tempo durch die Antike gondeln. Das gilt für den Drive der Songs wie auch die Gestaltung der Soli. Da hätte vielleicht ein wenig mehr Variation gut getan.
Positiv gegenüber halten möchte ich dem einen außergewöhnlich pointierten und präsenten Bass, den Stavros sozusagen seiner eigenen Gitarrenarbeit als Fundament unterlegt. Auch darin kultiviert sich der Sound aus den steinigen Wüsten der Hellenen hin zu anspruchsvollen und abwechslungsreichen Kompositionen, die eben mehr können als nur riffiges Donnerwetter vom Thron des Zeus.
Es gefällt mir ausgesprochen gut, dass die Songtitel allesamt solche historischen Bezüge zur griechischen Sage herstellen, wohl dem Volk, das über eine solche Kultur verfügt, da kann die oft selbstgefällige westliche Welt nicht mithalten. Und die Metapher überträgt sich auch in den stilistischen Aufbau der Stücke, denn die auf zwei starke Sechssaiter basierende Musik entwickelt sich immer wieder aus geheimnisvoll mystischen Hooklines, die oft recht melodiös und progressiv klingend Zitate klassischer griechischer Musik aufgreifen, bevor gravierende Riff-Eruptionen sich an ihre Seite stellen, aber eigentlich nie die Oberhand gewinnen. Nein, der Flow der Musik gewinnt seine Wirkung aus den schönen, manchmal fast verträumten Improvisationen wie in "Nymph", dem das schöne mit akustischer Gitarre sanft aufbereitete "Penelope’s Loom" folgt, sozusagen einer Ode an die treue Frau, die während der Abwesenheit ihres kriegerischen Gemahls Odysseus ihre Freier mit einer trickreichen Ausrede von sich abhielt. Ihr Webstuhl, »The Loom«, spielte dabei eine entscheidende Rolle.
Children Of Aegean haben nicht nur in der durchaus mächtigen Stonerszene Griechenlands, der ich auf meinen Feldzügen durch diverse Festivals schon häufiger meine Aufwartung machen konnte, nein, sie haben für sich ein Alleinstellungsmerkmal gefunden, in dem sie sich nicht nur auf die Genre-typischen Gewaltakte auf unsere Nackenmuskulatur allein beziehen, sondern durch geschickte Verwebung traditioneller heimischer Klänge in Verbindung mit klassischen Themen als Basis ihrer Songs einen eigenen kleinen Klangkosmos erzeugen. Eben genau das lässt sie in einem leichten Flies progressiven Hard Rocks erscheinen. Nicht umsonst wird die Platte bei uns durch Just For Kicks Music vertrieben, dem Verkäufer progressiver Platten meines Vertrauens.
Es ist kein Wunder, dass Stoner Rock in Griechenland seinen Platz gefunden hat, dort glüht das Wüstenland dann doch auch trotz Klimawandel noch ein wenig mehr als in hiesigen Breitengraden. Schön, dass die Children Of Aegean die Amphoren der Vergangenheit mit modernem Sperrfeuer elektrisierender Rockmusik präsentieren und ihre Wurzeln niemals außer Acht lassen. Da rockt der Olymp.
Line-up Children Of Aegean:
Stavros Papadopoulos (guitar, bass, drums, keyboard)
Panagiotis Zabourlis (guitar, lute)
Tracklist "Mythologica"
- Sisyphus
- Delos
- Caryatis
- Morpheus
- Argo
- Symplegades
- Wrath Of Achilles
- Nymph
- Penelope’s Loom
- Pythia
Gesamtspielzeit: 45:07, Erscheinungsjahr: 2020
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