Er steht seit nunmehr zweiundfünfzig Jahren als Profi auf der Bühne. So lange ist es her, dass er im Jahr 1962 die Thunderbirds gründete. Aber auch schon vorher musizierte er neben seinem Studium mit der John Henry Skiffle Group. Mitte der Sechziger nahm er eine Reihe von Singles auf, auf denen er Soul-Klassiker und Titel der Rolling Stones coverte. Darunter befand sich auch der Song "Out Of Time", der zu seinem größten Hit werden sollte. Nachdem er im Jahr 1970 mit seiner eigenen Band The Hill eine Tour durch die USA absolviert hatte, kam das Angebot der Jazz Rock-Band Colosseum beizutreten, der er in der Folge mit seinen unnachahmlichen Vocals einen ganz eigenen Stempel aufdrückte. Bis zu deren Split 1972 und dann auch wieder von 1994 bis zum Ende der Band im Jahr 2015 blieb er der Formation treu. Anfang der Siebziger stieg er bei Atomic Rooster ein und war an zwei Alben der Mannen um Vincent Crane beteiligt. Nach einer Zusammenarbeit mit Jimmy Page ging er mit der Norman Beaker Band auf Tour und war zusammen mit Clem Clempson und der Hamburg Blues Band unterwegs.
Die Rede ist von Chris Farlowe. Inzwischen sechsundsiebzig Jahre alt und weit davon entfernt, sich zur Ruhe zu setzen. Noch immer steht er mit dem ehemaligen Colosseum-Gitarristen Clempson und seiner Gruppe auf der Bühne und lässt sich bei seinen Solotouren weiterhin von der Norman Beaker Band begleiten. Eine Zusammenarbeit, die nun schon lange Jahre anhält. Da haben sich mit dem Shouter und dem vielseitigen Gitarristen, der ja auch noch sein eigenes Projekt Norman Beaker Blues Trio am Laufen hat und außerdem immer wieder mit Larry Garner auf Tour geht, zwei Musiker gefunden, zwischen denen die Chemie offensichtlich stimmt und die sich perfekt ergänzen. Chris Farlowe & Norman Beaker Band bilden eine absolute Einheit, was sie bei allen Auftritten ein ums andere Mal unter Beweis stellen.
Nachdem ich 'The Voice' in den letzten Jahren nur mit Clem Clempson und der Hamburg Blues Band gesehen hatte, wo er immer nur bei einem Teil der Setlist mitwirkte, war ich doch ziemlich gespannt, wie er sich bei einem Fulltime-Konzert halten würde, was ja doch eine ziemlich große Belastung sein kann. Immerhin wirkte Farlowe schon bei den letzten Auftritten vor ein paar Jahren körperlich etwas angeschlagen und war nicht so gut zu Fuß, was allerdings keinerlei Auswirkungen auf seine Stimme hatte. Da war er voll auf der Höhe. Doch, um es gleich vorweg zu nehmen, an diesem Freitag wirkte Chris Farlowe auf mich fit und hatte überhaupt keine Probleme den zweistündigen Gig zu absolvieren. Scheinbar ohne große Mühe 'kämpfte' er sich durch das Programm und schien dabei jede Menge Spaß zu haben. Diesen freundlichen Mann mit seiner sympathischen Art muss man einfach gern haben.
Beide Teile des zweiteiligen Konzertes begann die Norman Beaker Band noch ohne den Protagonisten. Drei Songs so richtig zum Warmmachen mit kleinen Soloeinlagen an Keyboards, Saxofon und Gitarre. Und Norman Beaker zeigte dabei auch eine sehr gute Gesangsleistung mit starker Stimme. Der Sound war klasse und die Musiker schnell auf Betriebstemperatur. Doch dann übernahm Chris Farlowe das Zepter auf der Bühne. Allein schon seine Einlagen zwischen den einzelnen Titeln, seine kleinen Gags in seinem typischen Mix aus Deutsch und Englisch, waren ihr Geld wert. Dazu sein trockener englischer Humor und die Kommunikation mit dem Publikum sorgten ein ums andere Mal für Erheiterung unter den Besuchern. Ein wieder mal sehr gut gelaunter Chris Farlowe bewies seine Entertainer-Qualitäten und zog die Zuhörer sofort auf seine Seite.
Allein schon die Gestik und Mimik während der Show waren sehenswert und seine Bewegungen auf der Bühne machten deutlich: Dieser Mann lebt seine Songs voll aus. In den Instrumentalparts stiefelte er klatschend über die Bühne und ließ es sich auch nicht nehmen, seine Bandkollegen immer wieder mal zu foppen und sie etwas aus dem Rhythmus zu bringen. Herrlich anzusehen, wie er den konzentriert spielenden Norman Beaker einfach mal so umarmte und ihm dabei ein bisschen in die Saiten griff. Aber diesem Mann kann man einfach nicht böse sein. Auf der anderen Seite stand der konzentrierte Chris Farlowe am Mikrofon. Nicht umsonst gilt er als eine der größten Stimmen des R&B, Soul und Blues. Klar, die Töne kommen nicht mehr ganz so intensiv und kräftig wie vor vier Jahrzehnten, haben aber immer noch dieses großartige Feeling, das einen Chris Farlowe so einzigartig macht.
Die Setlist bestand, wie nicht anders zu erwarten war, aus einer Art 'Greatest Hits'-Sammlung, denn ein aktuelles Album ist im Moment nicht vorhanden. Aber seien wir ehrlich, wer möchte schon bei einem Chris Farlowe-Gig auch nur auf einen einzigen Klassiker verzichten. So gab es großartige Versionen des funkigen "Shaky Ground" und "Handbags And Gladrags", bei denen sich die Norman Beaker Band so richtig austoben konnte. Ganz stark auch die ruhigeren "Don’t Want To Sing The Blues No More" und "The Guitar Don’t Lie", die noch immer Gänsehaut erzeugen. Doch musikalisch war der "Stormy Monday"-Blues nicht zu toppen, bei dem Norman Beaker erfolgreich auf den Spuren von Clem Clempson wandelte und eine klasse Gitarre spielte.
Immer wieder gab es bei all diesen Songs spontanen und herzlichen Zwischenapplaus des Publikums, das jeden der herausragenden Instrumentalisten begeistert abfeierte. Nur zweimal stieg die Stimmung nochmal ganz deutlich an, denn auch die beiden größten Hits von Chris 'The Voice' Farlowe durften natürlich nicht fehlen. Sowohl beim Steve Marriott-Überflieger "All Or Nothing" wurde überall im Saal begeistert mitgesungen, was Chris sofort dazu veranlasste, das Publikum alleine singen zu lassen, und auch das legendäre "Out Of Time" fand jede Menge begeisterter Mitsänger. Diese beiden Titel erzeugen auch heute noch wohlige Schauer, die mir über den Rücken jagen, und das nun schon seit über vierzig Jahren. Als das Konzert mit der Zugabe "Rock And Roll Soldier" schwungvoll zuende ging, hatte die Bluesgarage wieder ein großes Konzert einer absoluten Legende erlebt und man konnte hoch zufrieden nach Hause fahren.
Line-up:
Chris Farlowe (vocals)
Norman Beaker (guitar)
John Price (bass)
Steve Gibson (drums)
Nick Steed (keyboards)
Tony Kelly (saxophone)
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