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Christian Hentschel / "Maschine – Was bisher geschah" – Buch-Review

Christian Hentschel / Maschine Was bisher geschah

Lange ließ Dieter Birr keine Gelegenheit aus, um augenzwinkernd festzustellen, dass seine Geburtsurkunde doch nur gefälscht sei. Spätestens mit seinem 80. Geburtstag am 18. März 2024 gehört dieser Spaß ins Reich der Legenden. Dennoch kann man dem Rocker-Oldie mit gutem Gewissen bescheinigen, dass er bei Konzerten eine Vitalität besitzt, die in dieser Altersklasse Ihresgleichen sucht. Er erfüllt damit eine wichtige Voraussetzung: Man nimmt ihn als Künstler ernst, seine Auftritte lassen zu keiner Zeit Zweifel aufkommen.

So darf man dem einstigen Kopf der Rockband Puhdys glauben, dass es für ihn noch keinen Grund gab, an einer Biographie zu arbeiten. Der Name des Buches "Maschine – Was bisher geschah" trifft es damit auf den Punkt. Denn mit Dieter Birr alias 'Maschine' ist in der Zukunft weiterhin zu rechnen. Was alle Fans der Puhdys bereits wissen: Seinen Spitznamen 'Maschine' erhielt er, weil ein Bandkollege den 1,90 Meter-Mann als Fressmaschine bezeichnet hatte. Christian Hentschel hat sich der Person und dem Musiker verschrieben. Der Autor und Journalist ist wohl erste Wahl, wenn es um eine solch außergewöhnliche Ostrock-Legende geht. Er veröffentlichte bereits Biographien über die Puhdys, Keimzeit und City und gilt als Experte des sogenannten Ostrocks. Er und 'Maschine' kennen sich schon sehr lange, was sich im vorliegenden Buch widerspiegelt.

Die Kapitel zum Sänger und Gitarristen sind unterhaltsam, informativ und kurzweilig. Im gesamten Verlauf wird deutlich, dass das Buch zwar stark Puhdys lastig ist, doch immerhin war der Musiker von der Gründung 1969 bis zum letzten Konzert 47 Jahre deren Mitglied. Genauso intensiv widmet sich Hentschel seiner Solokarriere, die im Grunde genommen schon mit dem ersten Album "Intim" (1986), als er noch Mitglied der Puhdys war, begann. Was den Solomusiker auszeichnet, ist die Arbeit mit vielen Künstlern, darunter viele junge Menschen. Daran kann der Leser teilhaben und erfährt viele Details in den Gesprächen, die der Autor mit mehreren Weggefährten führte. Sie alle arbeiteten oder arbeiten eng mit 'Maschine' zusammen. Sie werden vom 80-Jährigen genauso geprägt wie es umgekehrt der Fall ist.

Die jeweils zehn Fragen an Silly-Gitarrist Uwe Hassbecker, mit dem es ein gemeinsames Bühnenprogramm gibt, an AMIGA-Chef Jörg Stempel, an Julia Neigel, an Heinz Rudolf Kunze, an den Tourmanager Kai Suttner und an weitere Persönlichkeiten an der Seite von Dieter Birr zeichnen ein sehr authentischen Bild vom angesehenen Künstler. Über Julia Neigel erfahren wir in einem Kapitel gleich zu Beginn des Buches, dass sie am 9. Noverner 2023 während eines Konzertes zufällig in Berlin war, um am Abend mit Dieter Birr und Uwe Hassbecker auf der Bühne des Admiralspalastes kurz zu musizieren.

"Maschine – Was bisher geschah" ist reich an solchen Geschichten und enthält nicht zuletzt viele Fotos, darunter etliche mit privater Note. Für die Episoden sorgen nicht zuletzt ausführliche Kapitel wie beispielsweise "Im Tivoli" (wo für die Puhdys 1969 in Freiberg alles begann), "Rockerrente", "Ein Leben lang Musiker" und "Mein zweites Leben". Letzteres steht für das Thema Gesundheit im Leben des Musikers, das ebenfalls nicht ausgeblendet wird. Trotzdem veröffentlicht Christian Hentschel in dem Buch über einen 80-jährigen Rockstar zehn Interviews im Original, die zwischen 1996 und 2024 erschienen sind – zehn beziehungsweise neun Mal Text aus der Konserve.

Mit dem faden Beigeschmack, dass noch einmal aufgewärmt wird, was eigentlich Vergangenheit sein sollte. Der Streit um ein Album, bei dem Dieter Birr an keinem der Lieder beteiligt war, die Kompositionen an ihm vorbei gelaufen waren. Zu dem besagten Streit, der nicht mehr in der Öffentlichkeit ausgetragen werden sollte, lesen wir: »Maschine hält sich auch daran. Schon zuvor sprach er kaum darüber, nur der Berliner Zeitung und mir gab er ein Interview dazu. Weil sich die Schlammschlacht des Boulevards nach wie googeln lässt, ist es mir ein persönliches Anliegen, auf dieses Interview, in dem Maschine auch etwas zu den Vorwürfen sagt, in diesem Buch nicht zu verzichten.« Das schreibt der Autor, der sich seit rund 30 Jahren regelmäßig mit dem Protagnisten des Buches trifft. In dem Interview aus dem Jahr 2020 geht es auf sechs von acht Seiten nur um besagte Schlammschlacht. Der Boulevard lässt also grüßen.

Am Ende der Ausgabe stoßen wir neben dem Bildnachweis auf eine ausführliche Albumdiskografie und auf eine Aufstellung jener Künstler, mit denen Dieter Birr Duette gesungen hat. Mit Rammstein-Sänger Till Lindemann ("Wut will nicht sterben", Puhdys, 1999), Jürgen Drews ("Hey, wir woll’n die Eisbärn sehn", Puhdys, 2010) und Mario Adorf ("Gigolo", 1999) gibt es Namen, die durchaus überraschen, während Nena, Dirk Michaelis, die Band City, Julia Neigel, Kerstin Ott, Matthias Reim, Wolfgang Niedecken, Heinz Rudolf Kunze und der 2021 verstorbene Omega-Sänger János 'Mecky' Kóbor schon eher zu einer Art Laufkundschaft gehören.
Unterm Strich ist das 256 dicke Buch eine gute Investition für alle Fans der Puhdys und des Solokünstlers Dieter Birr. Es ist informativ, unterhaltsam und überzeugt mit viel Detailwissen. Im Ausblick sollte die nächste Abhandlung dann doch eher als reiner Erzählband glänzen.


Angaben zum Buch:

Autor: Christian Hentschel
Herausgeber: Rotbuch Verlag
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe, 256 Seiten
Abmessungen: 17 x 2 x 21,7 cm
ISBN 9783867892148
Preis: 25,00 Euro

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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