Wer kennt sie nicht, die Dap-Kings, die 2002 mit der inzwischen verstorbenen Sharon Jones ein tolles Soul-Revival einleiteten? Nun, einer der Mitspieler war Cochemea Gastelum, der langjährige Saxofonist der Band. Der Mann spielt ein elektrisches Saxofon, diese besondere Art lernte ich in den Sechzigern erstmals durch einen gewissen Otis Hale kennen, der unter anderem für Earl Hooker spielte. Dieser spezielle Sound klingt mitunter schon merkwürdig und gepresst, auch, wenn Wah-Wah-Elemente eingesetzt werden.
Der Protagonist hat Vorfahren bei den Ureinwohnern Amerikas, Yaqui und Mescalero. Und mit jenen frühen Zeiten und entsprechenden Gebräuchen und Ritualen soll auch diese Musik etwas zu tun haben. Das sind letztlich die Verknüpfungen, um die es dem Musiker wohl geht, mithin "All My Relations". Dieser Schulterschluss mit den Wurzeln wird musikalisch eindringlich ausgeschmückt. Dazu zählt auch die reichhaltige Ansammlung von Perkussion, die dem Ganzen einen stark rhythmischen Rahmen verpasst. Wir hören Congas, Bongos, Tablas, Dhols und Shekeres. Sogleich beim Eröffnungstitel ist die Perkussion das maßgebliche Element, auf dem Cochemea seine Saxofonlinien ausstreut.
Und so geht es munter weiter, beim Titelsong wird es ganz rituell, das ist wie der Tanz um den Marterpfahl, es entstehen typische Bilder im Kopf. Nun hat sich noch eine Flöte zum Instrumentarium dazugesellt und der Kriegstanz ist in vollem Gange. Das, was wir aus einschlägigen Filmen kennen, wird hier sicher nicht bedient, die alten Riten sind sehr modernisiert worden, bleiben jedoch beeindruckend eingängig in ihrer spirituellen Wirkung. Das Saxofon wird in diesem Kontext nicht als Jazz-Instrument eingesetzt. Man könnte diese Klänge auch ganz einfach als Weltmusik einstufen, doch das wäre zu einfach. Hier geht es um Roots, hier geht es um Geschichte und das Blasinstrument fungiert fast schon als zusätzliches Perkussionsinstrument.
Dieser Gegensatz zwischen dem elektrisch gespielten Saxofon und der federnd druckvollen akustischen Perkussion ist ungewöhnlich und erzeugt große Spannung. Bei einigen Songs sind zusätzliche Instrumente im Einsatz, der Bass auf "Al-Mu’tasim" bringt noch eine weitere Verbindung zwischen Melodie und Rhythmus und der tranceartige Chorgesang gibt sein Übriges dazu, um auch hier wieder jede Menge Spiritualität aufkommen zu lassen. Diese Musik ist mächtig, ist ursprünglich und strahlt Kraft aus, mitunter wirken die einzelnen Stücke wie Gebete zum Großen Geist, auf das er eines Tages alles Leben wieder in das richtige Lot bringen möge.
Das Album besitzt einige Höhepunkte, zum Beispiel, wenn sich aus dem bisher Gehörten ein klasse Latin-Rhythmus hervorhebt, das ist "Seyewailo" mit seinem betörenden und lasziven Rhythmus, und auch Cochemea überbläst sein Instrument hier auch wohltuend frei. So sind es nicht allein Kultur und Musik der amerikanischen Ureinwohner, sondern auch Afrika, Asien und Lateinamerika werden zitiert und die Kompositionen mit deren musikalischen Elementen angenehm angereichert, so dass letztlich Abwechslung stattfindet. Ja, solche Klänge stehen relativ einzigartig in der Musiklandschaft und werden wohl eher ein Schattendasein fristen. All' den wenigen Liebhabern sollte es jedoch eine große Freude bereiten, diese Spiritualität mitzuleben.
Lineup Cochemea (soweit bekannt):
Cochemea Gastelum (electric sax, flute)
Bosco Mann (bass)
Victor Axelrod (clavinet, pianet)
Plus percussion
Plus vocals
Tracklist "All My Relations":
- Maso Ye’eme
- All My Relations
- Mitote
- Al-Mu’tasim
- Seyewailo
- Asatoma
- Sonora
- Los Muertos
- Mescalero
- Song Of Happiness
Gesamtspielzeit: 35:09, Erscheinungsjahr: 2019
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