Satter und teilweise recht symphonischer Prog kommt kompakt wie eine Wolkenfront von Kanada zu uns herüber. Code 18 ist ein Trio aus der Provinz Quebec, die allein schon größer ist als das Territorium von Deutschland und in diesem Jahr stellen sie endlich ihr Debüt-Album vor; endlich deshalb, weil das Projekt bereits vor 12 Jahren gegründet wurde. Da Johnny Maz, JF Rémillard und Bönz für Saiten, Tasten und Gesang stehen, mussten Gäste den vakanten Platz hinter der Schießbude besetzen.
Wenn ich eingangs von einer Wolkenfront sprach, so geschah dies nicht ohne Grund, denn das Konzeptalbum hat sich ein Thema vorgenommen, bei dem es um die Versorgung mit Wasser geht. Genauer gesagt wird ein Szenario beschrieben, in dem zwei Nationen einen Krieg um Wasser führen. Eine gespenstische Vision, die vermutlich als erstes in Afrika traurige Wahrheit werden könnte, denn die rasante Überbevölkerung muss zwangsläufig irgendwann dazu führen, dass die Wasserversorgung der Menschen nicht mehr gewährleistet ist. Wissenschaftler warnen seit vielen Jahren davor und ganz nebenbei ist der Verkauf heimischer Trinkwasser-Vorkommen grundsätzlich möglich.
Code 18 nähern sich dem Thema mit fettem Neo-Prog, bewaffnet mit mächtigen Keyboard-Wänden und episch aufwallenden Gitarrensoli. Harte Breaks, zum Teil mit heftigen Riffs unterlegt und wechselnde Tempi, all das lässt den klassischen Prog-Freund sich heimisch fühlen. Eine These, die gleichzeitig mit der Erkenntnis einher geht, dass allzu viele Wiedererkennungsfaktoren zwangsläufig auch dazu führen, dass wir nicht wirklich revolutionär Neues hören werden. Der Handlung geschuldet werden immer wieder reale Geräusch-Kulissen wie Ausschnitte einer Kriegsberichterstattung aus den Medien in die Klangbilder eingeschnitten, um den dramatischen Effekt zu erhöhen. Im längsten Teil der Geschichte, "Waste", berühren wir atmosphärisch die Dunstkreise eines Steven Wilson, die an anderer Stelle mitunter eingestreute klassische Orgel würde hingegen Herrn Wakeman von Yes gut zu Gesicht gestanden haben und hier und da liegt ein wenig vom Geist der Emerson, Lake & Palmer in der Luft. Wie gesagt, auf einem derart konstruktiv und innovativ beackerten Feld progressiver Musik ist es wahrlich nicht so leicht, gänzlich neue Eindrücke zu vermitteln. Deswegen klingt die Musik nicht minder spannend.
Besonders gefällig sind die gelegentlichen, zurückgenommenen Momente mit einem nachdenklich reflektierenden Piano, ganz besonders im Finale "Bed Time Story" mit der eindringlich schönen Stimme von Gastsängerin Rachelle Behrens, deren Auftritt perfekt in die Atmosphäre der Nummer passt, fast zärtlich von einer akustischen Gitarre umspielt. Ein Gänsehaut-Moment, der sich noch verstärkt, wenn sich aus dem getragen mäandernden Song ein wirklich ergreifend erhabenes Gitarrrensolo entwickelt und so das Album ziemlich bombastisch finalisiert.
Die Gesangsleistung von Bassist Bönz wird im Netz teilweise recht kontrovers gesehen, doch da würde ich mich nicht dem Tenor anschließen wollen. Ich denke nicht, dass ein Sänger unbedingt Frontmann sein muss und wenn die Musik auf andere Höhepunkte ausgelegt ist, was hier ganz ausdrücklich der Fall sein dürfte, dann finde ich eine dezente und dem Duktus der Musik angemessene Stimme durchaus sehr angenehm, auch wenn sie nicht mit fulminantem Timbre agiert. Solche Diskussionen werden ja um Nicky Barret von Pendragon auch immer wieder mal geführt.
Welch enormes Einfühlungsvermögen die Band in die heikle Thematik entfaltet, zeigt sich mir ganz besonders in "Drought". Allein das krautige Intro beschwört mit spröden Saitenklängen die Dürre herauf und es entwickelt sich ein ausgewachsenes Prog-Monster, in dem zunächst Johnny den getasteten Ton angibt. Fast unbemerkt steigt JF mit der Gitarre ein. Zunächst nur leicht unterstützend und begleitend. Lebendig rhythmische Riffs arbeiten sich nach und nach in den Vordergrund, bis ein höchst melodiöses Solo wie aus dem Hause Arena die Spannung löst und die Kühe fliegen lässt. In Kanada sind es wahrscheinlich die Elche. Wer auf Neo-Prog steht, der steht jetzt auch vor seinen Boxen, das ist schon sehr geil, was uns da entgegen fliegt.
Insgesamt präsentieren Code 18 ein schönes Album pulsierenden Progressive Rocks mit extrovertierten Gitarren, fetten Orgeln und mächtigen Soundwänden, immer wieder unterbrochen durch sehr angenehme ruhige Passagen voller Mystik und düsterer Schönheit wie gleich im ersten "Underlude". Allerdings muss ich an dieser Stelle denen Recht geben, die bereits darauf hingewiesen haben, dass das Album insgesamt ein wenig überfrachtet wirkt. Es ist schon sehr auffällig, dass die Band scheinbar von einem dramatischem Höhepunkt zum nächsten eilen möchte und selbst die hintergründigen Keyboards immer wieder choral aufgemotzte Hochglanzteppiche zelebrieren. Es mag dem so ernsthaften und leider sehr realistischen Szenario der zugrunde liegenden Handlung geschuldet sein. Lässt man sich drauf ein, bekommt man eine berührende Geschichte in oftmals elegisch symphonischem Gewand zu Gehör, die musikalisch überzeugen und befriedigen kann. Da ich immer schon ein großer Freund der polnischen Riverside gewesen bin, spricht mich diese Art dunkler Dramaturgie sehr wohl an und ich werde Code 18 sicher im Auge (und Ohr) behalten.
Line-up Code 18:
Johnny Maz (keyboards)
JF Rémillard (guitar)
Bönz (bass, vocals)
Guests:
Sonny Tremblay (drum – #5,7,9)
Dan Lacasse (drums – #1,3,8,10)
Donald Prince (bass – #8)
Michel St-Père (guitar solo – #8)
Rachelle Behrens (lead vocal – #10)
Tracklist "Human Error":
- Crytal Of Time
- Underlude I
- Waste
- Underlude II
- They Took It All
- The March
- River Of Blood
- Drought
- Underlude III
- Bed Time Story
Gesamtspielzeit: 60:33, Erscheinungsjahr: 2020
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