Warum ein Sampler?
In den 80ern war einiges anders als heute – ob besser oder schlechter hängt von der Betrachtung und vom konkreten Beispiel habe. Mit Internet sind die Möglichkeiten, neue Bands kennen zu lernen und Songs anzutesten um einiges gestiegen. Damals sah das noch anders aus: Wenn Freunde eine Scheibe besaßen oder sie im lokalen Plattenladen vorhanden war, konnte man dort reinhören. Was aber, wenn nicht? Ein anderer Weg, Neues zu entdecken (gerade für diejenigen, die sich noch nicht so in der Szene auskannten oder einen Bereich erkunden wollten) waren Sampler. Vor allem, wenn sie spezialisiert waren und kompetent zusammengestellt. Für den Metal Bereich interessant war dabei beispielsweise das Label Castle Communications, von dem es einiges mit dem Begriff "Metal Killers" bzw. Varianten davon gab.
Herausragend fand ich "Metal Inferno" (1985 unter dem Label Kastle Killers erschienen mit der Nummer KKLP 103), der sich auf die dunkle Seite der NWoBHM konzentrierte, also vorwiegend Bands mit okkulten Inhalten präsentierte. Von einigen davon war ich so begeistert, dass ich LPs kaufte – somit war das Ziel, nämlich Kauftipps zu erhalten, erreicht.
Welche Bands waren denn dabei?
Den Anfang machten Venom, eine Band, die damals mit ihrem Image und den Effekten bei ihren Shows Aufsehen erregte, positiv als auch negativ. Venom waren irgendwie Kult. Bis dahin fand ich die Interviews sehr amüsant, die Musik weniger. Das änderte sich mit "Black Metal" (der Titel sollte später Begriff für ein ganzes Genre werden, bei dem sich die meisten deutlich ernster nahmen als das Trio aus Newcastle). Damit hatten sie mich gepackt – während ich "Woman" auf der zweiten Seite nicht so überzeugend fand (dafür ist es als B-Seiten-Track von "Manitou" seltener). Aber "Black Metal" hatte genau die richtige Mischung aus punkig-rumpelig mit einer Prise Schwärze und humorvollen Texten über Metal, Rock’n’Roll und Satan…
Witchfinder General waren zwar auch "Friends Of Hell", doch musikalisch eher eine Mischung aus NWoBHM und frühem Doom, wobei es deutlich softere und kommerziellere Stücke als das gewählte gibt, das (daher) mein Lieblingssong von der Band ist und einer der 'bösesten'. Passend dazu präsentierten sich die Musiker (die ihren Namen einem Film mit Vincent Price entnommen haben) in 'Hexenjäger-Kostümen', die sich um leichte bekleidete 'Hexen' (Fotomodelle) kümmerten… im Verhältnis zum Image war die Musik eigentlich recht harmlos. Dennoch hat auch diese Truppe einen gewissen Kult-Status.
Crucifixion brachten es gerade mal auf zwei Singles, ein Demo und eine EP. Auf Letzterer von 1984 befindet sich das hier vertretene "Green Eyes", was ich nicht schlecht finde, aber auch nicht umwerfend. Ging wohl anderen ebenso, weswegen die Band in der Versenkung verschwand, ihre Zeit war beim Erscheinen dieses Tracks schon vorüber.
Ganz anders Cloven Hoof, die es jedoch in den 80ern auf drei LPs brachten und nach ihrer Wiedervereinigung 2001 auf weitere drei. Sie zählen damit zu den lebenden Legenden der NWoBHM, die auch gerne mal auf einem Festival für traditionellen Metal gesehen werden. Schönes Logo übriges, und ebenso hat die Idee, dass jedes der vier Mitglieder einem der vier Elemente zugeordnet wurde wirklich was.
Auf dieser Compilation sind sie gleich zwei Mal vertreten mit "Laying Down The Law" (mit einer Titelzeile, die ins Ohr geht und dort hängen bleibt) und "Gates Of Gehenna", beide vom Debüt von 1984.
Eins der Highlights der Zusammenstellung ist für mich "Don’t Break The Circle" von Demon. Diese brachten zwei LPs mit okkulten, recht melodischem Hard Rock mit NWoBHM-Einschlag heraus, später änderten sich die Inhalte (z. B. zu Antikriegsthematik und dem Leben allgemein), die Musik wurde eingängiger und melodischer. Die 1982-er Scheibe "The Unexpected Guest" erzählt von einer Seance, bei der die Teilnehmer mehr Erfolg haben als ihnen hinterher lieb ist. Gerade das Intro vor "Don’t Break The Circle" wirkt wirklich unheimlich (ist leider nur auf der Original-LP, nicht hier dabei). Und weil’s so gut ist, durften Demon nicht nur die erste Seite beenden, sondern auch die zweite anfangen, mit "Beyond The Gates". Auch Demon sind heute wieder aktiv.
Etwas mysteriös wird es bei Blood. Gemeint sind nicht etwa die deutschen Death Metaller. Aber auch die NWoBHM-Truppe, die 1984 eine LP mit dem Titel "To The Devil A Daughter" ist eine Fehlanzeige. Vielmehr stammt "Incubus" von den Londonern The Blood (auf deren 85er EP "Se Parere Nex") , deren Sänger sich zeitweise Cardinal Jesus Hate nannte. Musikalisch kein reiner Metal, sondern auch Oi/Punk/New Wave dabei. Also: Blood mit "Incubis" sind The Blood mit "Incubus"….
Traditoneller wird es wieder mit Angel Witch, deren Debüt als eines der wichtigsten Werke der NWoBHM gilt, das nicht nur unter Heavy Metallern, sondern auch bei Doom-Fans beliebt ist. Was habe ich mich auf das mir bis dahin unbekannte "Dr.Phibes" gefreut (auch hier standen Horror-Filme Pate, zwei Vincent Price-Meisterwerke) – und war enttäuscht, handelt es sich doch um ein kurzes Instrumental, das zuvor auf die B-Seite der Single von "Loser" gesteckt wurde. Eins der Highlights des Debüts wäre mir lieber und der Compilation würdiger gewesen.
Ganz zum Schluss wird es wieder etwas seltsam. Widow – "Come To The Sabbat". Hieß die Band nicht Black Widow? Wieso steht da Widow? Und wieso klingt der Song etwas anders? Es handelt sich wohl um den Sänger, der den Track neu aufgenommen hatte. Klingt etwas moderner und poppiger, hat jedoch ebenfalls unheimliche und etwas kitschig wirkende Momente. Ich bin mir nicht ganz so sicher, was ich von dieser Version halten soll, interessant ist sie auf jeden Fall und mir bisher noch nirgendwo anders begegnet.
Fazit:
"Metal Inferno" gelingt es, nicht nur einfach ein paar Bands zusammen zu stellen, sondern eine Auswahl von okkult angehauchten britischen Bands der 80er zu bringen. Da sind Klassiker der NWoBHM darunter, neben etwas untypischeren Bands, bekannte Standards und ebenso Selteneres.
Damals interessant als Überblick und um Neues kennenzulernen. Etwas schade finde ich höchstens, dass durch die Doppelwahl dreier Bands andere, die durchaus ebenfalls gut darauf gepasst hätten, beispielsweise Witchfynde, fehlen. Nun, die genauen Gründe, was warum bzw. warum nicht möglich war und nach welchen Kriterien entschieden wurde – das alles liegt schon gut dreißig Jahre zurück.
Aus heutiger Sicht steht die nostalgische Erinnerung an diese Zeit im Vordergrund. Das scheint nicht nur mir so zu gehen, denn einige Songs sind – von Fans hochgeladen – bei youtube zu finden, der Sampler taucht in Sammlungen auf, als Second-Hand-Angebot und wird in Foren erwähnt. Das Feuer des "Metal Infernos" brennt irgendwie immer noch…ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass sich eine Wiederveröffentlichung (am besten zusätzlich auf CD) lohnen würde.
Ein (ok)kult(ig)er Klassiker!
Tracklist "Metal Inferno":
- Venom – Black Metal (3:45)
- Witchfinder General – Friends Of Hell (6:05)
- Crucifixion – Green Eyes (4:33)
- Cloven Hoof – Laying Down The Law (4:47)
- Demon – Don’t Break The Circle (4:47)
- Demon – Beyond The Gates (4:20)
- Blood – Incubis (5:51)
- Venom – Woman (2:57)
- Angel Witch – Dr. Phibes (2:49)
- Cloven Hoof – Gates Of Gehenna (5:21)
- Widow – Come To The Sabbat (5:43)
Anmerkung: Die Schreibweisen in der Tracklist entsprechen der auf dem Backcover, daher wurden Variationen (Fehler) zu den Diskografien der Bands übernommen.
Spielzeit: Seite A (23:57), Seite B (27:01), Gesamtspielzeit (50:58), Erscheinungsjahr 1985
4 Kommentare
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Bill Pflasterstain
14. Dezember 2018 um 19:23 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hatte die Scheibe gerade mal wieder auf dem Plattenteller…und musste danach nach "irgentetwas" ,was zu dieser Scheibe im Netz zu finden war,lesen
Na,da fand ich diese interessante Rezession…,echt klasse,mich hat dieser Sampler auch musikalisch "okkult"sehr berührt..bin damals auch bei VENOM,DEMON und CLOVEN HOOF und natürlich ANGEL WITCH hängen geblieben
Diesen Sampler gab es damals in den 80gern in den "Grabbelkisten"der lokalen Plattenläden..hat eigentlich "mehr"verdient als "Schnellschuss" der damaligen "Metal Communication";welche die echten "Gems"dieser Scheibe nicht erkennen konnten. (Mit VENOM konnte man damals immerhin noch
jede TEENIE Party in Kürze auflösen –har har har,das war tatsächlich noch BÖÖÖSEE!!!)
Lange Rede kurzer Sinn:Wer etwas "infernales Metal" aus den 80gern ..mit etwas FAKE seitens Widow aka Black Widow COME TO THE SABBATH "verschmerzen"kann liegt hier genau richtig!! Nicht zu vergessen..DAS GEILE COVER!!! Habe damals echt mit dem Gedanken gespielt,so´n SKULL auf meine Karre zu schrauben..als SCHOCKER für den lokalen TÜV..
Naja,geblieben ist auf alle Fälle ein Klassiker (Yes,auf VINYL) für die "einsame Insel" ODER gleich für die Ewigkeit.
KEEP ON Rockin
Wolle
13. April 2017 um 20:03 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Also mega rezensiert! Ich kann mich nur anschließen – das Mysterium Widow verstehe ich auch nicht so ganz, wobei diese Version von Come to the Sabbat mich mehr in den Bann zieht, als die Version von Black Widow. Ist sicherlich Geschmackssache…. Die LP hatte ich Anfang der Neunziger für nen Appel und nen Ei verkauft… Und war 16 Jahre später immer noch gefangen in den Melodien dieser doch sehr okkulten Scheibe …. Bis ich sie zum Geburtstag als Geschenk wieder bekam. Jetzt bleibt sie bei mir….geniales Teil…
Claus
12. Dezember 2016 um 6:56 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Die LP steht bei mir noch im Keller. Vor 30 Jahren habe ich sie oft gehört. War gut geeignet zur Frustbewältigung in jungen Jahren. Lang ist’s her.
Andrea Groh
13. Dezember 2016 um 16:59 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Freut mich, wenn ich Erinnerungen wecken konnte…
Obwohl ich meistens aktuellere Musik höre, fand ich den Nostalgietrip doch sehr reizvoll… habe das Teil damals oft und gerne gehört, auch wenn ich zur Frustbewältigung eher Hellhammer oder Possessed gewählt habe… 😉