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Dave Kerzner / Heart Land Mines Vol. 1 – CD-Review

Dave Kerzner - Heartland Mindes Vol. 1

Jesses, ist das amerikanisch! Dave Kerzner fährt mit "Heart Land Mines Vol. 1" eine knappe Stunde lang mit dem Auto durch die USA, quasi. Allein mit sich und seinen Gedanken. Dieses Album ist ein Road Trip Movie für die Ohren und außerdem Dave Kerzners persönliche Story, mit der er im Booklet der CD auch gleich seine musikalische Gedankenreise einleitet. Kurz und knapp: Mitte der 90er gehts mit der Verlobten schief, er zieht aus der gemeinsamen Bude in Kalifornien aus und fährt einfach drauf los, und das mit äußerst wenig Ziel und ziemlich viel Weg. Was er auf diesem erlebt, gibt es dann nicht mehr in Prosa-Form, sondern nur noch als Musik mit Lyrics.

Kerzner erzählt Geschichten von Träumen, Hoffnungen, falschen Freunden und Einsamkeit – schlimmem Alleinsein, aber auch wohltuendem Loner-Tum. Und zwischendurch tauchen ein paar Frauen auf. Eine gewisse "Genevieve", die Kerzner als 'moderne Sirene' beschreibt, die Männer anzieht, auffrisst und wieder ausspuckt, schafft es dabei sogar, nicht nur den gleichnamigen Song zu bestimmen, sondern sogar im kurzen Zwischen-Track "Pushed Me Out" und kurz vor Schluss im "Siren’s Song" nochmal aufzutauchen. Autsch, das hat offenbar wehgetan … Das "Dirty Girl" war allerdings wohl auch eine zweifelhafte Versuchung. Statt im Schlafzimmer endet die Nacht im Schlafsack unter freiem Himmel.

Der Original Soundtrack von Kerzners Reise durch die USA und seine Gedanken haben viel vom Retro-Prog à la Spock’s Beard – den Eindruck verstärkt auch die Instrumentierung jenseits von viel Akustik- und nicht all zu schwerer, weil selten breit verzerrter, dafür umso melodiemalerischer E-Gitarre – und gleichzeitig vom 'Original'-Progressive Rock. Gar nicht mal so ur-amerikanisch wie der coole Road Trip, sondern durchaus transatlantisch sind die stilistischen Querverweise von Kansas ("Too Far Gone"), Yes, Eric Clapton, Styx ("Dirty Girl"), den Eagles, Billy Idol ("Back To One") oder sogar den Beach Boys ("Manic Calm"). Am Unamerikanischsten ist Dave Kerzner, wenn er sein David-Gilmour-Feeling verströmt ("Eye Of The Storm", "Worlds Apart"), denn er hat diese gewisse Stimmfarbe mit rauchig-schimmerndem Flair, ohne per se ein herausragender Sänger zu sein.

Es gibt hier keine Songs, die ganz klar gegenüber anderen herausstechen würden, auch wenn man das eindringliche "Dreaming In L.A." erwähnen könnte, das sich genialerweise gar nicht entscheiden kann, ob es jetzt optimistisch oder melancholisch sein will. Oder das ultracool-lässige Riff von "When The Heart Sinks Like A Stone (Another Miss Broadway)" mit seiner groovigen Country-Schlagseite. Eigentlich sind es aber viele Kleinigkeiten, die am laufenden Band überzeugen – die witzigen Background-Chöre von "Dirty Girl", die subtile Dramatik von "Eye Of The Storm" und die vielen kurzfristigen Ups und Downs in Lautheit und Dramatik. Dave Kerzner im Auto: Das ist ein selbstironisches und selbstbewusstes, proggig rockendes und zwischendurch viel Fahrtwind atmendes Singer-Songwriter-Album, das immer Spaß macht, egal wo man die Nadel gerade aufsetzt.


Line-up Dave Kerzner:

Dave "Squids" Kerzner (lead vocals, acoustic guitar, keyboards, percussion)
Fernando Perdomo (electric guitar, acoustic guitar, electric sitar, bass, drums)
Matt Dorsey (electric guitar, bass, percussion
Derek Cintron (drums)
Joe Deninzon (violins, violas, chin cello)
Daniel Kerzner (horns)
Mark McCrite (electric guitar, acoustic guitar, backing vocals)
Gene Siegel (bouzouki, electric guitar, acoustic guitar)
Lyle Workman (electric guitar – #4)
Elliott Randall (electric guitar – #5)
Devin Powers (electric guitar – #7)
Randy McStine (electric guitar – #9)
Durga McBroom (backing vocals)
Lorelei McBroom (backing vocals)
Emily Lynn (backing vocals)
Robin Schell (backing vocals)
Pat Meyers (backing vocals – #11)

Tracklist "Heart Land Mines Vol. 1":

  1. True Story (Part One) (1:08)
  2. Eye Of The Storm (4:56)
  3. Dreaming in LA (4:46)
  4. Genevieve (5:50)
  5. Back To One (5:27)
  6. Pushed Me Out (1:24)
  7. When The Heart Sinks Like A Stone (Another Miss Broadway) (4:17)
  8. Worlds Apart (6:32)
  9. Dirty Girl (5:30)
  10. Maniac Calm (4:46)
  11. Too Far Gone (5:43)
  12. To The Eye (Reprise) (2:46)
  13. Sirens Song (1:26)
  14. True Story (Part Two) (0:46)

Gesamtspielzeit: 55:25, Erscheinungsjahr: 2023

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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