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Dave Stewart & The Spiritual Cowboys / Live At Rockpalast – Köln 1990 – CD/DVD-Review

Dave Stewart bringt jeder Musikinteressierte zuerst mit den Eurythmics (gegründet 1980) in Verbindung. Stewart ist ohne Frage ein begnadeter Komponist und Multiinstrumentalist, Annie Lennox hat ein ebenso begnadetes Händchen für das Schreiben der dazu passenden Texte. Ein hervorragendes Grundgerüst für eine zukünftig abhebende Hitmaschine. Popsongs der Marke "Sweet Dreams (Are Made of This)","Here Comes The Rain Again", "There Must Be An Angel (Playing With My Heart)", "Sexcrime (Nineteen Eighty-Four)", "Who’s That Girl?" stürmten die Charts und die Fans stürmten die Stadien, in denen das Synthie-Pop-Duo auf Grund ihres stetig wachsenden, kommerziellen Erfolges mittlerweile spielte.

Neben seinen Erfolgen mit den Eurythmics betätigte sich Stewart nicht nur als Songwriter, sondern auch als Produzent für andere Künstler. Ob nun Bon Jovi, Stevie Nicks, Tom Petty, Bob Dylan, Aretha Franklin oder Mick Jagger, um nur einige zu nennen, sie alle schätzten seine Qualitäten nicht nur in dieser Hinsicht, sondern 'missbrauchten' ihn gern auf Grund seines unschlagbaren Ideenreichtums als Inspirationsquelle.

Mit "We Too Are One" haute das Eurythmics-Duo 1989 noch einmal eine richtig erfolgreiche Scheibe raus, erklärte danach jedoch die Zusammenarbeit für beendet. Doch der rastlose Stewart hatte mit den Spiritual Cowboys bereits das nächste Ass im Ärmel. Eine Band, die so gar keine Gemeinsamkeiten mit den Eurythmics hat, was ziemlich logisch ist, wurde der komplette Sound doch »um die Stimme von Annie Lennox herum konstruiert«. Also musste ein völlig anders gearteter Arbeitsstil her und Dave Stewart begann auch gleich, erste Songs für ein komplettes Album mit der neuen Live-Band zu schreiben, die auf Grund ihrer Besetzung (drei Gitarren und zwei Schlagzeuge) einfach nur – ohne irgendwelche Schnickschnacks – rocken sollten. Stewart schwebte außerdem eine Art Vagabunden-Band vor, mit der er – zumindest anfangs – überwiegend in Frankreich auftreten wollte. Doch hielt der rastlose Musiker nicht lange durch, zu viele andere Projekte, die oftmals sogar wenig bis gar nichts mit Musik zu tun hatten, forderten seine Zeit und ganze Aufmerksamkeit. Mit den Cowboys gab es nur ein kurzes Intermezzo, es wurden lediglich zwei Alben in zwei Jahren aufgenommen: "Dave Stewart & The Spiritual Cowboys" (1990) und "Honest" (1991), danach war das Bandprojekt schon wieder Geschichte. Schade eigentlich.

Nun gibt es den Auftritt von 1990, live im Rockpalast in Köln, festgehalten auf zwei CDs sowie auf DVD, welcher von MIG als Box veröffentlicht wird. Natürlich ist es für das Publikum eine echte Sensation, einen Star wie Dave Stewart, der normalerweise seine Auftritte in großen Stadien absolviert, nun auch einmal in einem Club hautnah erleben zu dürfen, ihm evtl. am Bühnenrand die Hände schütteln zu können. Dennoch, es ist zu sehen, dass die Band einschließlich ihres 'Chefs' sich in dieser Atmosphäre wohl fühlt und jede Menge Spaß hat, also – let’s go:

So ganz von seinen musikalischen Experimenten verabschieden kann Stewart sich offensichtlich nicht, denn bereits das Intro für seinen Auftritt ist sehr futuristisch, baut Spannung auf beim Publikum, bevor der Meister samt Mitstreitern die Bühne entert und mit dem rockigen "Hey Johnny" das Set eröffnet.

Beeindruckend zu sehen, wie die beiden Drummer Martin Chambers und Olle Romo mit wuchtigen Schlägen ihre Felle bearbeiten und so die anderen Bandmitglieder immer wieder vorantreiben. Passend dazu der volle Sound des Keyboards, zum Beispiel bei "Soul Years". Kritiker ziehen gern Vergleiche zu David Bowie, dem kann ich mich nur anschließen. Man streut satte Up-Tempo-Nummern wie das leicht Floydsche "This Little Town" (hier spielt Dave sogar die Harp) oder auch "The Devil’s Just Been Using You" ins Set. Gerade bei letzterem Stück ist es ein Hochgenuss, Dave mit einer abgefahrenen Soloeinlage an der Gitarre zu erleben. Er kann sich locker mit so manchem Frickelkünstler messen, doch haben seine Soli, im Gegesatz zu deren oftmals reinem Technik-Geschrammel, ein gutes Stück Seele, und werden songdienlich eingesetzt.

Ein bisschen Funky-Groove gefällig? Gerne – bekommt die geneigte Zuhörerschaft in Form von "Jack Talking" serviert, Das Intro spielt der Bandchef höchstselbst auf der Akustikgitarre, um sich anschließend die Fender umzuschnallen und loszulegen. Gewürzt wird das gesamte Buquette mit feinen Backing-Vocals. Eine Hommage an die Glam Rock-Zeit ("Fashion Bomb") wird ebenso wenig vergessen wie der eine oder andere Rockknaller ("Party Town I", "King Of The Hypocrites") mit starken Gitarrenduellen. Stewart zeigt einmal mehr, welch genialer Gitarrist er doch ist.
Und selbst eine Ladung Gänsehaut  bleibt nicht aus, dafür sorgt das wunderschöne "Heaven And Earth". Stewarts Stimme klingt in diesem Song wiederum verdammt nach David Bowie, für den er ein gewisses Faible hat. Tragendes Element ist dieses Mal die Gitarre von John Turnbull.
"Love Shines" gehört mit seinem tollen Satzgesang sowie Daves überbordendem Gitarrensolo in die Kathegorie 'Stadionhymne'.

Apropos Gitarre: Neben Dave Stewart sorgen noch zwei weitere Gitarristen in der siebenköpfigen Truppe für amtlichen Sound, darunter die kanadische Schauspielerin und Sängerin Nan Vernon. Bands wie Lynyrd Skynyrd, die ABBs und nicht zu vergessen Iron Maiden bewiesen schon, dass es funktioniert.

Als Bonus gibt es ein Backstage.Interview, ein Wiedersehen mit Can-Mitbegründer Holger Czukay sowie eine kleine Session in der Garderobe. Stewart spielt eine Akustik-Version von "Cry Baby", die Band singt im Chor mit und sogar den einen oder anderen Folk-Song aus der Heimat gibt man zum Besten. Über das Menü kann man Setlist, Trailer und die Backstage-Gimmicks einzeln abfrufen. Kleiner Tipp: Unbedingt den Trailer anschauen, der den einen oder anderen Rockpalast-Auftritt beinhaltet.

Schade, dass ich den Auftritt von Dave Stewart & The Spiritual Cowboys selbst nicht live erleben konnte. Als kleine 'Entschädigung' dient mir nun diese DVD, die sowohl den Spirit der 90er als auch die Club-Atmosphäre im Rockpalast hervorragend wiedergibt.
Alle Songs des Rockpalast-Auftrittes sind in gleicher Reihenfolge auf beiden CDs enthalten. Eine rundum gelungene Box für alle Dave Stewart-Fans, die unbedingt ins heimische Regal gehört.


Line-up  Dave Stewart & The Spiritual Cowboys:

Dave Stewart (guitars, vocals)
Nan Vernon (guitars, backing vocals)
Jonathan Perkins (keyboards, backing vocals)
Chris Bostock (bass, backing vocals)
Olle Romo (drums, programming)
Martin Chambers (drumwarp, backing vocals)
John Turnbull (e-bow, semi acoustic guitars)

Tracklist "Live At Rockpalast – Köln 1990"

DVD

  1. Hey Johnny
  2. Victim To Fame
  3. Fashion Bomb
  4. Soul Years
  5. The Devil’s Just Been Using You
  6. Jack Talking
  7. This Little Town
  8. Love Shines
  9. Party Town I
  10. On Fire
  11. Spirtitual Love
  12. Heaven and Earth
  13. Party Town II
  14. King Of The Hypocrites
  15. Bonus: Backstage Interview

CD 1:

  1. Hey Johnny
  2. Victim To Fame
  3. Fashion Bomb
  4. Soul Years
  5. The Devil’s Just Been Using You
  6. Jack Talking
  7. This Little Town
  8. Love Shines

CD 2:

  1. Party Town I
  2. On Fire
  3. Spirtitual Love
  4. Heaven and Earth
  5. Party Town II
  6. King Of The Hypocrites

Gesamtspielzeit: 100:00 (DVD), 47:42 (CD 1), 37:04 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2016 (1990)

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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Mail: ilka(at)rocktimes.de

1 Kommentar

  1. Bärbel

    Moin Ilka,

    gleich mal ein großes Dankeschön für den DVD-Tipp.
    Ich war nämlich bei dem Konzert 1990 in Frankfurt dabei
    und suchte im Netz gerade das genaue Datum des Konzertes
    für meinen nächsten Blogartikel.

    Mal schauen, ob ich die Fotos von damals noch finde…

    Aber jetzt begebe ich mich erstmal auf die Suche nach den Scheiben,
    um schöne Erinnerungen aufzufrischen.

    Viele Grüße aus Hamburg!
    Bärbel ☼

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