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David Bowie / "Bowie Odyssee ’72" von Simon Goddard – Buch-Review

David Bowie / "Bowie Odyssee 72" von Simon Goddard

Der englische Autor Simon Goddard, der unter anderem auch bereits Bücher über die Rolling Stones, The Smiths oder Elvis Presley veröffentlichte, hat vor einiger Zeit eine Buch-Serie gestartet, die dem Rezensenten immer wieder mal ins Auge gestochen ist. "Bowie Odyssee" nennt sich diese Zeitreise, die wohl jedes Jahr im Leben des Musikers und Schauspielers David Bowie in den Siebzigern etwas genauer unter die Lupe nimmt. Nachdem die ersten beiden Werke "Bowie Odyssee 70" sowie "Bowie Odyssee 71" noch an mir vorbei gingen, flatterte dann glücklicherweise der "… 72" betitelte dritte Teil der Reihe auf meinen RockTimes-Schreibtisch.

Keine Frage, 1972 war ein grandioses und wahrscheinlich das wichtigste Jahr in Bowies Karriere. Zum Einen, weil es ihm endlich den großen Durchbruch brachte und zum Zweiten, weil er mit Ziggy Stardust eine Kunstfigur erfand und verkörperte, die bis heute sehr bekannt und außerdem nach wie vor auch als Kultfigur berühmt-berüchtigt ist. Nach einem ersten, nicht beachteten, Album (1967) hatte der Engländer in der zweiten Hälfte des Jahres 1969 mit "Space Oddity" einen ersten Hit, was seinem zweiten, ebenfalls gleichnamigen, Album (das ab der zweiten Auflage mit dem Namen "Space Oddity" veröffentlicht wurde) allerdings auch nicht wirklich auf die Beine half. Seine dritte Scheibe ("The Man Who Sold The World", 1971) konnte zwar auch noch nichts Bahnbrechendes reißen, ganz wichtig aber, dass er zu jenem Zeitpunkt bereits seinen kongenialen Gitarristen Mick Ronson und auch den Drummer Mick 'Woody' Woodmansey gefunden hatte. Ende 1971 folgte dann das aus heutiger Sicht als Klassiker anzusehende "Hunky Dory" (mittlerweile war auch der Bassist Trevor Bolder an Bord), aber als diese Platte erschien, hatte Bowie in einem wahren kreativen Rausch nicht nur bereits sein nächstes Album geschrieben, sondern außerdem noch ein neues Alter-Ego zum Leben erweckt.

1972 war ganz sicher das Jahr des sogenannten Glam Rock, über dem gottesgleich ganz weit über allen anderen Marc Bolan und T.Rex schwebten. Slade waren ebenso ganz dick in den Charts vertreten, Sweet standen schon länger in den Startlöchern, während die Teenies jedoch ebenso auf heute zu recht längst vergessene 'Luftpumpen' wie David Cassidy oder The Osmonds standen.

Aber halt, um mal auf das Buch zurück zu kommen: Der Schriftsteller hat für sein Werk einen komplett anderen Ansatz gewählt, als hier rein die Geschichte des 'Starman' hautnah zu erzählen. Goddard vermittelt durch seine Beschreibungen der sozialen und politischen Lage in Großbritannien vielmehr den Zeitgeist, in dem ein außerirdisches, alle menschlichen Geschlechter liebendes Wesen aus dem Weltraum auf die Erde kommt, um hier eine Karriere als Rockmusiker zu starten. Was ihm auch gelingt, bis es nach dem Höhepunkt ständig bergab geht und schließlich sogar im Selbstmord von 'Siegfried Sternenstaub' endet. Wir erhaschen einen kalten Blick auf das in jenem Jahr politische Treiben der zukünftigen Premier Ministerin Margaret Thatcher, dürfen an ein paar Momenten des Lebens von Iggy Pop teilhaben, der – vorübergehend frei von Heroin – von Bowie nach London zum zweiten Versuch einer Karriere der Stooges (und deren Aufnahme des Albums "Raw Power") geholt wurde, erleben den erfolglosen Versuch der New York Dolls in England Fuß zu fassen und werden schließlich auch Zeuge einiger weniger Momente, während denen Lou Reed die englischen Bühnen sowie das Aufnahmestudio für "Transformer" unsicher macht. Und schließlich ist da noch Marc Bolan, der auf seinem Zenit angelangt plötzlich Selbstzweifel bekommt, ob er das bereits Erreichte überhaupt noch toppen kann.

Und zwischendrin natürlich immer wieder die damalige Situation von Ziggy, äh, David Bowie und seinen Spiders From Mars, die England im Sturm erobern, in den USA jedoch nur teilweise (New York, Los Angeles) punkten können, während sie im Mittleren Westen und im Süden dieses riesigen Landes doch eher mau aussehen bzw. nur eher schlecht als recht ankommen. Es gibt wilde Parties und wilden Sex, während die so offene Ehe von David und seiner Frau Angie dann plötzlich doch nicht ohne Eifersüchteleien und Kränkungen auskommt. Erzählt wird von der dumpfen Monotonie der Busreisen zwischen den Auftrittsorten in den USA, dem Kokain, um sich wieder gut drauf zu bringen und den sich daraus entwickelnden Psychosen. Und schließlich ist da ja auch noch der selbsterschaffene 'Dämon' Ziggy Stardust, der stärker und stärker die Kontrolle übernimmt und seinen Erfinder David Jones (aka Bowie) hinsichtllich seines Wesens und Charakters immer mehr in den Hintergrund drängt und die Kontrolle übernimmt.

Wie gesagt, "Bowie Odyssee 72" ist kein Buch, dass das Scheinwerferlicht voll und prall auf seinen Protagonisten wirft oder einzig und allein dessen Erfolgsgeschichte abfeiert. Vielmehr ist es ein Zeitbericht, ein mit emotionalem Abstand akribisch beobachteter Ablauf des Jahres 1972 im Leben des Künstlers und seines persönlichen, familiären, sozialen und politischen Umfelds. Sehr gut und interessant zu lesen, dazu eine echte Empfehlung für jeden Musik-Fan, der sich nochmal intensiver mit der damaligen Zeit beschäftigen will.


Autor: Simon Goddard
Herausgeber: Hannibal Verlag
Sprache: Deutsch
Übersetzung: Andreas Schiffmann
Taschenbuch (Broschur): 198 Seiten
ISBN: 978-3-85445-764-0
Originaltitel: Bowie Odyssee 72
Abmessungen: 21,5 x 14 cm
Preis: 20,00 Euro
Auch als E-Book erhältlich.

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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