"Live At Pompeii" – ist das nicht schon uralt? – war mein erster Gedanke. Ich meinte damit natürlich den Konzertfilm von Adrian Maben aus dem Jahr 1972, der Pink Floyd 1971 im dortigen Amphitheater zeigte, sie spielten sechs Songs, allerdings ohne Publikum.
45 Jahre später, konkret am 7. und 8. Juli 2016, kehrte David Gilmour für zwei Konzerte (dieses Mal mit Zuschauern) dorthin zurück. Seit damals ist einige Zeit vergangen, Roger Waters ist schon seit 1985 nicht mehr dabei, Richard Wright 2008 gestorben. Pink Floyd sind aufgelöst, die letzte Scheibe The Endless River war hauptsächlich eine Verwertung von bereits vorhandenen Material. David Gilmour ist solo unterwegs, dabei spielt(e) er Songs aus seinen Solo-Alben – das vierte, "Rattle That Lock", erschien 2015 – und natürlich kam er auch an Songklassikern seiner ehemaligen Band nicht vorbei. Darunter befanden sich Wish You Were Here, "Shine On You Crazy Diamond", "Time" und "Comfortably Numb" – letzteres würde ich nennen, wenn ich mir nur einen Song von Pink Floyd aussuchen/wünschen dürfte – wobei die anderen genannten auch zu meinen Favoriten gehören. Alle diese Stücke existierten noch gar nicht beim dem Auftritt damals – nur "One Of These Days" von der Meddle gab es 1971 bereits und war im Film enthalten – erklangen also nun das erste Mal dort in dieser fantastischen Location.
Denn die ist es, was "Live At Pompeii" so besonders macht. Der Ort, an dem aufgenommen wurde, ist das alte Amphitheater der Römer, diese wussten schon, wie Spektakel ordentlich in Szene gesetzt werden, auch wenn Gladiatorenkämpfe natürlich für die Beteiligten wenig positiv waren – glücklicherweise standen 2016 Musiker auf der Bühne, keine Sklaven…
Dazu kommt die gigantische Naturkulisse mit dem Vesuv im Hintergrund, dessen Ausbruch im Jahr 79 n. Chr. der damaligen römischen Siedlung zum Verhängnis wurde und die Stadt für viele Jahrhunderte verschüttete. Dieser mächtige, immer noch als aktiv geltende, über tausend Meter hohe Vulkan war während der Auftritte zumindest bis Sonnenuntergang zu sehen als etwas entfernt, hinter der Stadt gelegener, dunkler Koloss im Kontrast zu der erwartungsgemäß aufwändigen Lightshow.
Diese bot stimmungsvolles Licht, beispielsweise ist "The Blue" dem Titel entsprechend in blau getaucht. Der Cyclorama-Screen war natürlich auch dabei, hier waren neben Einblendungen der Musiker die für Pink Floyd typischen Zeichentrickszenen bei "Rattle The Lock" (auch wenn dies ein Gilmour-Solo-Song ist) zu sehen und bei "In Any Tongues" und "High Hopes" liefen im Hintergrund die Videoclips, die zu diesen Stücken veröffentlicht wurden. Bei letztgenanntem kam auch die 'Division Bell' zum Einsatz. Für mich einer der Highlights der Show. Danach verabschiedete sich der Brite (und seine Mitmusiker) erst einmal in eine (Tee-)Pause.
Mit dem Instrumental "One Of These Days" kamen die Herren zurück, danach folgte "Shine On You Crazy Diamond", einer DER Hits von Pink Floyd, bevor die "Fat Old Sun" scheinen durfte (natürlich passend optisch dargestellt im Cyclorama).
Danach schlossen sich meiner Meinung nach etwas schwächere Stücke an, bevor in der Zielgeraden wieder mächtig aufgedreht wurde.
Das Finale wurde eingeleitet von dem vermutlich aggressivsten Stück der Floyds "Run Like Hell", das mit Feuerwerk oben am Rand des Amphitheaters endete. Gleich darauf wurden viele, viele Uhren eingeblendet, was zeigte, dass nun Zeit für "Time" war. Einfach grandios, dieser Klassiker. Mit dem wunderschönen, melancholischen "Comfortably Numb" (illuminiert von Laserstrahlen) wurde das Konzert sehr gelungen und komfortabel beendet. Die letzte halbe Stunde war (für mich) ganz großes Kino – ja, verdammt, das hätte ich gerne live miterlebt.
Wer nicht dabei sein konnte – es waren nur zwei Auftritte, vermutlich nicht günstig und dennoch schnell ausverkauft (laut Info waren nur 2600 Zuschauer dort, die Ränge des Amphitheaters waren nicht besetzt), hat die Möglichkeit, sich das Ganze auf Konserve anzusehen.
Einerseits gab es eine exklusive Kinofassung, die am 13.09.2017 in ausgewählten Filmtheatern lief, andererseits verschiedene Versionen für das Heimkino bzw. die Stereoanlage: Doppel-CD (mit 21 Tracks), Einfach-Blu-ray, Doppel-DVD, Blu-ray + CD Deluxe Edition Boxset (2 CDs und 2 Blu-rays), Vierfach-Vinyl und Download.
Mir liegt die normale Blu-ray vor. Dieser enthält ein 24-seitiges Booklet mit vielen Bildern. Auf der Disk selbst sind die 21 Songs aus den beiden Teilen des Sets und einen kurzer Bonus-Teil. Dort ist David Gilmour zu sehen, in einer Ausstellung mit Bildern zum alten Film (in Begleitung von Adrian Maben), bei der Ernennung zum Ehrenbürger von Pompeii, außerdem wie er im leeren Amphitheater steht und sich mit zwei Expertinnen über Gladiatorenkämpfe unterhält. Hier, wie auch beim Konzert selbst, blitzt ganz kurz sein trockener englischer Humor auf.
Fazit: Ein einmaliges (bzw. zweimaliges) Event, das glücklicherweise gefilmt wurde (teilweise von Drohnen aus der Luft) und so den Fans zur Verfügung steht. Auch wenn ich (und vermutlich viele andere) finde, dass die Solo-Sachen von David Gilmour zwar gut sind, jedoch nicht an die Pink Floyd-Klassiker herankommen, können wir doch froh sein, dass der 71-jährige die Stücke immer noch spielt, denn wie bereits eingangs erwähnt, ist die Band Geschichte … und was für eine … wie auch hier wieder vermittelt wird, sowohl musikalisch als auch visuell. Dies scheint wieder einmal durch obwohl er alleine (bzw. mit anderen Musikern, die natürlich hervorragend spielen) unterwegs war.
Line-up:
David Gilmour (guitars, vocals)
Guy Pratt (bass guitars, double bass, vocals)
Steve DiStanislao (drums, vocals)
Chester Kamen (guitars, vocals)
Chuck Leavell (keyboards, vocals)
Greg Phillinganes (keyboards, vocals)
João Mello (saxophones, guitars)
Bryan Chambers (vocals)
Louise Clare Marshall (vocals)
Lucita Jules (vocals)
Tracklisting "Live At Pompeii":
Part 1:
- 5 A.M. (3:54)
- Rattle That Lock (4:40)
- Faces Of Stone (6:01)
- What Do You Want From Me (4:34)
- The Blue (6:30)
- The Great Gig In The Sky (6:01)
- A Boat Lies Waiting (4:55)
- Wish You Were Here (5:18)
- Money (8:12)
- In Any Tongue (8:02)
- High Hopes (9:58)
Part 2:
- One Of These Days (6:35)
- Shine On You Crazy Diamond (12:37)
- Fat Old Sun (5:58)
- Coming Back To Life (7:16)
- On An Island (7:08)
- Today (6:34)
- Sorrow (10:49)
- Run Like Hell (7:15)
- Time / Breathe (In The Air) [reprise] (6:45)
- Comfortably Numb (9:41)
Documentary: Pompeii Then And Now Doc (7:17)
Technische Daten Blu-ray:
Tonspur: 96/24 PCM Stereo & 96/24 DTS Master Audio
FSK 0
Gesamtspiellänge 149:40, Erscheinungsjahr 2017
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