Es war gewiss ein Paukenschlag für alle Fans von Deep Purple, als für 2020 das Album "Whoosh!" angekündigt wurde. Gewissermaßen heimlich, still und leise. Im Zuge der Corona-Krise steht das Werk erst zwei Monate später als geplant in den Läden, wie auch die Tour der Altrocker um ein Jahr verschoben wurde.
Als ultimatives Abschiedsalbum wurde 2017 inFinite veröffentlicht. Einen solchen Zusatz besitzt das 21. Studioalbum nicht. Es darf also weiter spekuliert werden. Auch um die Frage, wie lange das Quintett noch auf der Bühne stehen wird. Soviel zum Thema aufgeschobener Abschied.
Die Realität sieht erfreulich frisch und lebendig aus. Dafür sorgt die vorliegende Scheibe in jedem Fall. Oft gibt es Platten, die brauchen mehrere Durchläufe, ehe der Hörer warm wird, das trifft bei dieser nicht zu.
Schon der Titeltrack, "Throw My Bones", kommt druckvoll mit Orchesteranleihen daher und zeigt uns, wer hier den Ton angibt. Die eingängige Melodie und der typische Sound machen sofort Spaß auf mehr. Das Gitarrensolo liefert zusätzliche Würze. Alles wie gehabt. Ehe man sich in dieses Stück verliebt hat, ist es auch schon zu Ende. Mit 3:39 Minuten Länge ist etwa die durchschnittliche Spielzeit der 13 Tracks erreicht. Monumentale Werke gibt es also keine.
Der Übergang zu "Drop The Weapon" ist gewissermaßen nahtlos, weil das Material Deep Purple auf den auf den Leib geschrieben ist. Was alles andere als ein Zufall ist. "Whoosh!" wurde mit Produzent Bob Ezrin aufgenommen. Gemeinsam schrieben und nahmen er und die Musiker in Nashville die neuen Songs auf und kreierten das bislang vielseitigste Werk ihrer Zusammenarbeit, so die Aussage der Beteiligten. Die Vorgängeralben Now What?! (2013) und "inFinite" tragen ebenfalls dessen Handschrift und sind kommerziell sehr erfolgreich gewesen, was die Verkaufszahlen beweisen.
Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang, dass Deep Purple in den vergangenen Jahren nach und nach neue Bereiche erkundet und damit das Interesse von neuen Fans geweckt haben, die das Licht der Welt erst erblickten, nachdem die mächtige Purple-Maschine bereits die Musikwelt beherrschte. Ihr heiliger Gral aus "In Rock" (1970), Machine Head (1972) und Made In Japan (1973) katapultierte Deep Purple an die Spitze der Konzert- und Albumverkäufe auf der ganzen Welt, u. a. mit Tracks wie "Smoke On The Water", die zum Mega-Status aufstiegen.
Doch zurück zum aktuellen Album: Recht schnell gewinnt man beim Hören den Eindruck, dass hier einfach noch mehr Deep Purple drin steckt, nimmt man die drei Platten mit Produzent Bob Ezrin. Es fällt auf, dass kein Instrument Oberwasser gewinnt, aber im 52. Jahr der Band die Stimme von Ian Gillan angenehm wirkt und keinesfalls überstrapaziert. Wenn man vielleicht ein Instrument herausgreifen möchte, dem ein besonderer Status zusteht, dann doch der Tastenmann. Es ist schlichtweg beachtlich, welchen Part Don Airey in der Band inzwischen spielt.
"Whoosh!" und Deep Purple anno 2020 vermitteln eine angenehme Spielfreude, die den Schluss zulässt, dass die Soloprojekte aller Musiker seit dem letzten Album ebenfalls zu dieser Frischzellenkur beigetragen haben. Da macht es Spaß, eine Hymne wie "The Long Way Round" zu hören, auch wenn diese melancholisch ein wenig nach Abschied klingt. Mystisch wird es zu Beginn des folgenden "The Power Of The Moon". Sofort wird wieder der Facettenreichtum der Band aufgerufen, sodass es beim Hören nie langweilig wird.
Ganz offensichtlich sind es der Mix aus Tradition und Erfahrung und die ungezähmte Freude an Musik, unterstützt von einem passenden Produzenten, die uns ein solch solides Album bescheren. Die Protagonisten zeigen sich erfreulich experimentierfreudig, wie man es nicht automatisch erwarten musste.
Beim Stichwort experimentierfreudig sind wir auch schon bei den kritischen Anmerkungen. Ab dem zehnten Titel sind wohl einige Abstriche nötig. Als einen Ausflug in das Reich der experimentellen Musik darf man das 1:39 Minuten lange "Remission Possible" werten. Das Instrumental ist nur schwer einzuordnen. Dem folgt "Man Alive", das wiederum futuristisch und ebenfalls ein wenig gewöhnungsbedürftig daher kommt. Aber das ist letztlich Geschmackssache. Mit "And The Address" gibt es ein weiteres, stark von der Gitarre geprägtes Instrumentalstück, ehe "Dancing In My Sleep" den Reigen der 13 Lieder schließt.
Als Fazit bleibt: Deep Purple haben ihre Hausaufgaben gemacht, um im Jahr 2020 ein abwechslungsreiches Werk zu präsentieren, das beim Hören durchaus Freude bereitet.
Line-up Deep Purple:
Ian Gillan (vocals)
Steve Morse (guitar)
Roger Glover (bass)
Ian Paice (drums)
Don Airey (keyboards)
Tracklist "Whoosh!":
- Throw My Bones
- Drop The Weapon
- We’re All The Same In The Dark
- Nothing At All
- No Need To Shout
- Step By Step
- What The What
- The Long Way Round
- The Power Of The Moon
- Remission Possible
- Man Alive
- And The Address
- Dancing In My Sleep
Gesamtspielzeit: 51:13, Erscheinungsjahr: 2020
3 Kommentare
Josef Zeilberger
17. Dezember 2020 um 14:18 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Ich verfolge die Karriere von Deep Purple seit Mark 1,und bin immer wieder begeistert von der Vielfältigkeit verschiedener Stilrichtungen.
Zu meinem Glück konnte ich Deep Purple sieben mal Live (in 5 verschiedenen Besetzungen,sogar mit Joe Satriani)erleben.
Wenn man die Soloalben der Gruppenmitglieder hört,kann man auch verstehen,warum diese Gruppe so viele Musikstile wiedergibt.
Ich es geht noch einige Jahre so weiter.
Mario Keim
26. August 2020 um 22:33 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo, ich danke Dir vielmals für Deine Zuschrift. Ja, auch ich war schnell angetan. Du bringst es sehr gut auf den Punkt. Es wird immer Hörer bzw. Fans geben, die im Fall von Deep Purple unzufrieden sind und die alten Sachen beschwören. Aber wir leben im Hier und Jetzt und 52 Jahre nach Bandgründung. Ich finde auch, dass es die Oldies gut gemacht haben. Es gibt noch einen Punkt: Die alten Meister und ihre aktuelle Scheibe haben mich in ein Hochgefühl versetzt, das mich die ganze Diskussion um Corona ein wenig vergessen ließ. Das tat gut! Nochmals Danke und Dir alles Gute. Bleib gesund! Schau ruhig immer mal hier rein.
Liebe Grüße Mario
h-j.müller
25. August 2020 um 15:40 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Coole Scheibe. Habe zwar ein paar Durchläufe gebraucht um die Qualität komplett rauszuhören und bin mittlerweile begeistert. Ein geschlossenes Werk der Altmeister. Die zeigen immer noch wie es geht.