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Deep Purple – Whoosh!-Tour, Konzertbericht, 15.07.2022, Freilichtbühne Peißnitzinsel, Halle/Saale

Deep Purple - Whoosh!-Tour, Freilichtbühne Peißnitz, Halle/Saale

Die Quadratur des Kreises ist eines der Probleme der Mathematik, das sich bis heute nicht lösen lässt. Gleichwohl beschäftigen sich Gelehrte immer wieder aufs Neue mit diesem Phänomen. Übertragen auf die Musik könnte es bedeuten, eine Titelliste in der Form aufzustellen, die alle Klassiker aus 22 Studioalben enthält, die die Fans hören möchten und die berücksichtigt werden müssten. Dazu kommen die Alben jüngeren Datums und ältere Produktionen, die ebenfalls eine Schlüsselfunktion haben. Man darf davon ausgehen, dass Deep Purple, um die es hier gehen soll, das Problem längst gelöst haben und gewissermaßen ihren Frieden mit dem Thema Setlist geschlossen haben. Die Stücke, die seit der Bandgründung 1968 am meisten gespielt wurden, sind in dieser Reihenfolge "Smoke On The Water", "Highway Star", "Perfect Strangers", "Black Night" , "Lazy", "Space Truckin'" und "Hush". Sie waren alle beim Konzert am 15.07.2022 in Halle an der Saale zu hören.

Erweitert um "Pictures Of Home" und "When A Blind Man Cries", erklangen sogar sechs Tracks aus Machine Head an einem Abend. Das Album, das im Dezember 1971 im Rolling Stones Mobil-Studio in Montreux (Schweiz) aufgenommen worden war und 1972 erschienen ist, gilt als Meilenstein und als Wegbereiter des späteren Genres Heavy Metal. Welche Bedeutung beispielsweise "Smoke On The Water" und "Lazy" in der Musikwelt haben, beantwortet sich fast von selbst.

Eine Legende lädt ein

Eine Legende lädt ein

Damit stiehlt "Machine Head" dem Album Whoosh! auf der aktuellen Tour locker die Show. Daraus zu hören waren "No Need To Shout" und "Nothing At All". Die Produktion aus dem Jahr 2020 sollte im  Fokus der anstehenden Konzerte stehen. Den Fans dürfte der Minimalismus recht sein, denn neben "Perfect Strangers" (1984) gesellten sich mit "Uncommon Man" eine Produktion zugunsten des 2012 verstorbenen Keyboarders Jon Lord und "Wring That Neck" aus dem zweiten Studioalbum "The Book of Taliesyn"  (1968). Letztlich überwog der Anteil älterer Kompositionen, was sich allerdings im Reigen von Deep Purple nicht spürbar bemerkbar macht. Als sei es eine Pflichtveranstaltung, wurde allen voran bei "Lazy", aber auch in anderen Teilen der Show improvisiert. In seiner Knappheit erhielt "Black Night" als Abschluss des 95-minütigen Konzertes keine erkennbare Veränderung.

Aus dem 2022er Coveralbum "Turning To Crime" war das Medley "Caught In The Act" zu hören. Damit wurde der lange Reigen an Liedern noch einmal um einige Stücke erweitert. Sänger Ian Gillan meisterte seinen Part souverän. Er hatte mit den tiefen Stimmlagen keine Probleme. Kollektiv überzeugten die Musiker durch ihre Spielfreude, was schon beim Opener "Highway Star" auffiel.

Angenehm wirkten die Soli, die es für die Keyboards und kurz vor Ende für Bassist Roger Glover gab, die aber in ihrer Dauer alles andere als ausufernd waren. Simon McBride wirkte wie ein Gitarrist mit Sonderstatus und war stets für Einlagen gut. Ihm muss man eine Glanzleistung bescheinigen, ohne dabei zu vergessen, dass Steve Morse während der Konzerte im Sommer seiner kranken Frau zur Seite steht. Damit bleibt der Blues- und Hard Rock-Gitarrist McBride bei Deep Purple im Status eines Gastmusikers. Stallgeruch hat er allemal, nachdem er mit Don Airey und Ian Gillan deren Soloprojekte einspielte und live unterstützte und auch die Plattenfirma Ear Music jeweils identisch ist.

Ian Gillan gehört Deep Purple mit Unterbrechungen seit 1969 an

Ian Gillan gehört Deep Purple mit Unterbrechungen seit 1969 an

Bleibt noch nachzutragen, dass es mit "Anya" aus dem Album "The Battle Rages On" (1993) eine Nummer zu hören gab, die laut Angaben der Band zuletzt 1995 live gespielt wurde. "Anya" geht gut ins Ohr und ist vergleichsweise modern produziert. Dagegen verursacht "Perfect Strangers" bei mir auch 38 Jahre nach Veröffentlichung auf dem gleichnamigen Longplayer noch immer eine Gänsehaut. Einerseits erinnert es an die wiedervereinigte zweite Bandbesetzung Mitte der 1980er. Andererseits ist ein Konzert ohne diesen Programmpunkt unvorstellbar. Wo könnte "Perfect Strangers" besser aufgehoben sein als unmittelbar nach dem Keyboard-Solo?

Songauswahl, Spielfreude und die im dezenten Licht gehaltene Bühne ließen das Konzert zu einem ungetrübten Genuss werden. Das abrupte Ende nach dem nahtlos gespielten Zugabenteil, der so gar nicht auszumachen war, verunsicherte die Fans und war gewiss ein kleiner Betriebsunfall. So bedankte sich Ian Gillan brav beim Publikum, worauf die Band die Bühne verließ und verschwunden war. Die Fans einte, dass sie sich sehnlichst ein Konzert ihrer Idole gewünscht hatten. Die Akteure auf der Bühne sahen das grundlegend nichts anders. Sie wollten wieder einmal vor ihre Zuhörer treten. Darauf mussten sie lange genug warten. Die Titelauswahl umfasste Kompositionen aus 54 Jahren Bandgeschichte. Für den Hörer war zum Teil nicht leicht zu unterscheiden, was Vergangenheit und was Gegenwart war. Ein zusätzlicher Pluspunkt.

Ein herzliches Dankeschön von RockTimes geht an Julia Wehle, MAWI Concert GmbH, für die tatkräftige Unterstützung bei der Bereitstellung der Fotoakkreditierung.

©Fotos: Mario Keim


Line-up Deep Purple (Sommer-Tour 2022)

Ian Gillan (vocals)
Simon McBride (guitar)
Roger Glover (bass)
Ian Paice (drums)
Don Airey (keyboards)

Setlist:

  1. Highway Star
  2. Pictures of Home
  3. No Need to Shout
  4. Nothing at All
  5. Uncommon Man
  6. Lazy
  7. When a Blind Man Cries
  8. Anya
  9. Keyboard Solo
  10. Perfect Strangers
  11. Space Truckin'
  12. Smoke on the Water

Zugaben:

  1. Caught in the Act
  2. Wring That Neck
  3. Hush (Joe South cover)
  4. Bass Solo
  5. Black Night

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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