Mit Jeff Beck hat am 10. Januar 2022 im Alter von 78 Jahren wohl unbestritten einer der größten und innovativsten Gitarristen diese Welt verlassen. Der mit Spitznamen wie Beckola oder El Becko gekürte Engländer hatte dabei immer die Wertschätzung von nicht nur Gitarren-Fans und Kritikern, sondern auch Musikerkollegen auf seiner Seite, wurde dennoch nie zu einem Superstar im Ausmaß eines Eric Clapton oder Jimmy Page. Was sicherlich auch an seiner etwas sprunghaften und temperamentvollen Persönlichkeit sowie teilweise eigenwilligen Karriere-Entscheidungen geschuldet war.
Nach einigen Jahren in verschiedenen Bands und als Studio-Session Player schlug ihn sein Kumpel Jimmy Page Mitte der sechziger Jahre als Nachfolger von Eric Clapton bei den Yardbirds vor. Das ging einige – wenn auch nicht besonders lange – Zeit gut (Album: "Roger The Engineer", 1966), bis der gute Jeff (der für sein aufbrausendes Temperament bekannt war) mitten in einer US-Tour nach einer bandinternen Auseinandersetzung die Brocken hin warf. Manche Quellen im weltweiten Netz berichten auch, dass er gefeuert wurde. Wie dem auch sei, Beck veröffentlichte nicht lange danach mit "Hi-Ho Silver Lining" eine Solo-Single, die sogar ein Überraschungs-Hit wurde, hatte aber eigentlich überhaupt keine Lust darauf, zu singen. So formierte er die Jeff Beck Group mit niemand geringeren als den blutjungen Rod Stewart am Gesang und Ronnie Wood. Letzterem wurde zunächst die Rolle als zweiter Gitarrist versprochen, nur um ihn anschließend aber doch zum Bassisten zu 'degradieren'. In dieser Formation entstanden die Alben "Truth" (1968, mit Micky Waller am Schlagzeug) sowie "Beck-Ola" (1969, mit Tony Newman an den Drums) und es fanden sehr erfolgreiche Touren (auch durch die USA) statt, bevor der Brite wie aus dem Nichts einen Schlussstrich zog und die komplette Band feuerte.
Als nächstes war eine Band mit den ehemaligen Vanilla Fudge-Musikern Tim Bogert (bass) und Carmine Appice (drums) geplant, allerdings kam dem Trio in Spe ein schwerer Autounfall des Gitarristen in die Quere, der den Engländer erst mal für lange Zeit außer Gefecht setzte. Wieder genesen, gründete er eine neue Version der Jeff Beck Group, die mit (unter anderem mit Cozy Powell am Schlagzeug) "Rough’n’Ready" (1971) sowie "Jeff Beck Group" (1972) zwei ebenfalls starke Scheiben ablieferte. Aber auch von dieser Besetzung hatte Beck dann schon wieder die Nase voll und es kam schließlich doch noch zu dem Trio Beck, Bogert & Appice, das ein gleichnamiges Studioalbum (1973) sowie ein (zunächst nur in Japan veröffentlichtes) Live-Album (1974) ablieferte. Für Manche wenig überraschend kam es auch hier zu genau der Situation, vor der der gute Rod Stewart den Drummer Carmine Appice noch vor der Gründung gewarnt hatte. Beck erklärte den beiden anderen überrumpelten und völlig entsetzten Musikern über Dritte und ohne Vorwarnung seinen Ausstieg, was gleichbedeutend mit dem Ende der Band war.
Ab sofort lief alles weitere nur noch unter dem Namen Jeff Beck mit bezahlten Mitmusikern. Mitte der Siebziger kamen noch die erstaunlichen und Aufsehen erregenden Alben "Blow By Blow" sowie "Wired", die sehr stark von Jazz Fusion geprägt waren, anschließend erst 1980 das nach Meinung des Rezensenten unterschätzte "There And Back". In den Achtzigern wurde es bis auf das schwächere Album "Flash" (1985, erstaunlicherweise mit dem Erzfeind Rod Stewart als Gast-Sänger auf der Nummer "People Get Ready") sehr ruhig um Mr. Beck, der dann 1989 allerdings mit "Jeff Beck’s Guitar Shop" ein großes Comeback feierte. Aber auch in den neunziger Jahren blieb es trotz ein paar Projekten und Veröffentlichungen verhältnismäßig still um den Londoner. Ein Fakt, der sich erst rund um das Millenium wieder änderte, als der Auto-Narr wieder deutlich mehr Output in eigenem Namen veröffentlichte. Nach sieben Jahren Pause und dem durchaus guten Emotion & Commotion (2010) dauerte es dann wieder sechs Jahre bis "Loud Hailer" erschien. Das letzte zu Lebzeiten erschienene Album kam gerade erst im Sommer 2022 im Verbund mit dem Schauspieler und Musiker Johnny Depp in Form der Scheibe "18".
Auch wenn Jeff Beck offensichtlich nicht bei allen seinen ehemaligen Mit-Musikern für seine Persönlichkeit geliebt bzw. geschätzt wurde, so war er dennoch ein ewig suchender und höchst innovativer, darüber hinaus technisch hochgradiger Gitarrist, der nicht nur unzählige Anfänger, sondern auch bereits gestandene Profis seiner Zunft inspirierte. Um mal ganz weit zurück zu gehen, höre man sich nur mal die Gitarren-Arbeit bei dem Yardbirds-Song "Shapes Of Things" an, die für die damalige Zeit schlicht und ergreifend revolutionär war. So klang damals nicht nur kein anderer Gitarrist, das war auch eine vollkommen andere Fingertechnik, die von ihm angewandt wurde. Auf der anderen Seite konnte er auch wunderschöne Gitarren-Melodien wie bei dem Song "Definitely Maybe" (um nur mal ein Beispiel zu nennen) kreieren. Eine relativ kurze Zusammenfassung seiner Karriere gab es ja bereits vor ein paar Jahren auf der DVD Still On The Run – The Jeff Beck Story.
Ruhe in Frieden, Jeff, wir werden dich nie vergessen. Definitiv vielleicht!
4 Kommentare
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Johannes Rütten
28. September 2024 um 18:41 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Den Eindruck, dass Markus kein Fan von Jeff Beck sein könnte, kann ich nicht teilen, die Einwände von Carlo aber auch verstehen. Das zitierte "Brush With The Blues" (schon auf der Platte live gespielt!!) oder Eigenkompositionen wie "Two Rivers" und "Where Were You" zeugen von der Einzigartigkeit des Beck’schen Gitarrenspiels, einfach unkopierbar – vor allem auch live! Und das hebt ihn eben von allen Anderen ab. Nicht umsonst bezeichnen ihn nahezu alle bekannten Top-Gitarristen als "Guitarists Guitarist", eben als den Besten. Ich selbst habe mich mit ihm erst nach einem Konzert (2016 in Köln) näher beschäftigt. Selber kein Gitarrist sehe ich seitdem die Welt der Gitarristen und des Gitarrenspiels insgesamt mit völlig anderen Augen.
Carlo Luib-Finetti
15. Januar 2023 um 19:30 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Nun ja, Markus: der größte Jeff Beck Fan bist du wohl nicht. Deshalb finde ich deinen Nachruf nicht so richtig angemessen.
In deiner Aufzählung des Werks von Jeff fehlt vieles, was zu berichten wäre. Zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Größen wie Stanley Clark oder Jan Hammer. Oder großartige Alben wie "Frankies House" (eine Filmmusik!), das schöne 50er Rock’n Roll Tribut "Crazy Legs", die Alben "Who Else!" mit dem umwerfenden "Brush With The Blues" und "You had it coming" mit indisch dem anmutenden "Nadia", das Techno-Album "Jeff". Oder seine Förderung junger Talente wie Imelda May, Beth Heart, Joss Stone oder die Mädels, die er mit "Loud Hailer" präsentierte.
Seine Innovationen in Stil, Sound, Technik und Ausdrucksfähigkeit haben so gut wie alle Größen auf der E-Gitarre (Steve Lukather, Steve Vai, Joe Satriani u.v.m,) zu höchster Anerkennung ausgesprochen, auch in dem sie einige Stücke selber coverten.
Markus Kerren
16. Januar 2023 um 17:59 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Nun ja, Carlo: Vermutungen werden immer das bleiben, was sie eben sind.
Ganz sicher hätte ich auf die vielen von dir genannten Alben auch noch eingehen können, auf die von dir genannten jungen Talente, tiefer eingehen auf seine immer guten und teilweise sogar hervorragenden Gastbeiträge auf Alben von Mick Jagger, Tina Turner, Joe Cocker, Chrissie Hynde, Vanilla Fudge, Cozy Powell, Brian May, Roger Waters, Donovan, Buddy Guy, Paul Rodgers, Dion, Stevie Wonder, Ozzy Osbourne, Diana Ross, Duff McKagan und vielen, vielen weiteren.
Und da darf auch jeder Gastbeiträge drüber schreiben, der sich bemüßigt fühlt.
Mario Keim
16. Januar 2023 um 18:51 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Carlo, Dein Insider- bzw. Fanwissen in Ehren, aber es geht in einem Nachruf vor allem darum, aus gegebenem Anlass eine Persönlichkeit zu würdigen. Und das ist Markus gelungen.
Es ist nicht Sinn und Zweck, alle Werke eines Künstlers aufzuzählen. Im Vergleich zu anderen Beiträgen dieser Art ist der Nachruf vergleichsweise lang. Allein das ist schon eine Form der Würdigung. Zeilen dieser Art sind leider immer öfter anzutreffen. Markus kann man in diesem Zusammenhang einen gut Job bescheinigen. Insofern geht es nicht darum, den Künstler zu sehr aus der Fanbrille zu sehen, sondern mit einer gesunden Portion Distanz zu bewerten.
Bei allem Respekt, aber der Satz „Nun ja, Markus: der größte Jeff Beck Fan bist du wohl nicht.“ geht nach meiner Überzeugung am Thema vorbei.
LG Mario