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Der Skeptiker – Eugen B / Innenfrost (Rockalbum/Symphonic Album) – DoCD-Review

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Der Name machte mich sofort neugierig. Der Skeptiker. War da nicht etwas? Tatsächlich gibt es eine gleichnamige Punkband Die Skeptiker, die 1986 in Ost-Berlin das Licht der Welt erblickte. Jetzt tritt Eugen Balanskat, einziges noch aktives Gründungsmitglied bei den Skeptikern, aus dem Schatten seiner eigenen Band und veröffentlicht das Solo-Debütalbum "Innenfrost". Untertitel: Rockalbum/Symphonic Album. Derart ist das 77-minütige Werk gegliedert. Es sind insgesamt 21 Lieder, nach Titel 11 ist gewissermaßen Halbzeit und es geht mit symphonischer Musik weiter.

Mit dem Rockalbum verabschiedet sich Der Skeptiker – Eugen B, so der offizielle Name für das Solo-Projekt, für eine CD-Länge vom »energetischen, elektrisierenden und euphorisierenden Punkrock«, wie es in der Presseinformation heißt. Geblieben sind jedoch seine klugen deutschen Texte, mit denen der Künstler punktet. Das trifft auf seine angestammten ebenso wie auf "Innenfrost" zu. Die Skeptiker sind längst gesamtdeutsch angekommen und touren munter durchs Land. Die aktuelle Tour ist mit "Alles auf Anfang" überschrieben. Der Skeptiker Eugen B veröffentlicht 2023 ein Doppelalbum, das eine andere Facette beschreiben soll. Dafür hat er eigens ein Label mit Namen eubala records gegründet. Der Name "Innenfrost"  ist angelehnt an den gleichnamigen, 2019 erschienenen Gedichtband. Auch dabei handelte es sich um ein Debüt.

»Anders als die Skepiker-Sachen. Das soll aber auch so sein«, beschreibt Eugen B alias Der Skeptiker selbst das eigene Werk. Dennoch blitzt musikalisch an einigen Stellen der Punk auf. Das ist nicht ungewöhnlich und hat seinen Grund allein schon durch das Mitwirken von Gastakteuren, die mit dem Punk eng verbunden sind. "Wohlgesonnen" und "Schizophrenie" lassen beispielsweise Anleihen im Punk erkennen, allein durch Rhythmus und Tempo. Trotzdem bleibt der Anspruch eines Rockalbums zu hören. Eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Punk: Es lohnt sich, passend zur Musik aufmerksam dem Text zuzuhören, so wie auf "Unzufrieden". Eine eindeutige Empfehlung mit einem intelligenten Text ist "Ökodiktatur". Eugen Balanskat gehört zu den glaubwürdigen Künstlern, die zeitlose und zugleich hochaktuelle Wortschöpfungen liefern. Kein Widerspruch, sondern die Botschaft eines Musikers, der etwas zu sagen hat oder es sagen will. Mir persönlich geht es so, dass ich mittlerweile vielen Musikern gerade aus dem Punk Rock-Bereich mehr vertrauen kann als den meisten Politikern.

In "Madeleine", "Jede Narbe" und "Ökodiktatur" hören wir Duette. Welche Gastmusiker es im Einzelnen sind, erfahren wir nicht im Booklet, dennoch ist das Booklet inhaltlich und grafisch sehr ansprechend gestaltet. Mein wichtigstes Kriterium sind immer die Texte. Dazu passt emotional gut die Botschaft des Musikers, der hier verlauten lässt: »Ich bedanke mich herzlichst bei allen, die mich so wundervoll unterstützt haben und eine Idee Wirklichkeit werden ließen.« Diese Worte sagen viel über die Motivation des Künstlers aus. Als Anspieltipp für die gesamte CD empfehle ich "Schizophrenie".

Getragen symphonisch geht es im zweiten Teil weiter. "Wir zogen fort" hat eine Dark Rock/Metal-Anmutung. Wir hören Cello-Klänge und dunklen Bombast. Hier lebt sich Eugen B musikalisch alternativ aus. Ein Gastbeitrag ist "Trauer der Möwe". Diese gefühlvolle Ballade singt Vaile Fuchs nach einem Balanskat-Text. Was kann es Besseres geben als eine solche Konstellation zwischen Texter und Sängerin? Ein weiterer Höhepunkt ist der "Filmhit".

Auf "Gen Norden" rezitiert Balanskat den Text von Georg Heym (1887-1912). Hier geht es um Ungewissheit, Vergänglichkeit und das Gefühl von Kälte. Die leichten Themen sind nicht die Sache des Skeptiker-Frontmannes. Bis auf den Heym-Text und "Der Schoß" mit einem Zitat von Bertold Brecht stammen alle anderen Texte aus der Feder von Sänger Eugen Balanskat.

Auf "Innenfrost" gibt es sehr unterschiedliche Facetten zu hören. Ein Album mit einer Vielseitigkeit, die unterhaltsamer und kurzweiliger nicht sein kann. Punk lässt hier zwar grüßen, aber musikalisch tauchen völlig neue Farbtupfer auf. Es ist ein an Überraschungen reiches Album. Die Produktion zeigt, wie Balanskat über den eigenen Tellerrand hinaus blicken kann. Es ist ratsam, wenn man nicht zu sehr mit der Erwartungshaltung an einen Punkmusiker ans Hören heran geht. Schließlich ist es ein Soloalbum, sonst wäre es eine Die Skeptiker–Platte.


Line-up Der Skeptiker – Eugen B:

Eugen Balanskat (Gesang)
Dominik Glöckner (Gitarren, Bass Schlagzeug)
Gillian Bane (Klavier, Cello, Klarinette, Orchesterarrangements)

Gäste:
Vaile Fuchs (Gesang)
Lizal Brandl (Gesang)
Tiger Lilly Marleen (Gesang)
Ines Falckner (Gesang)
Jérôme Reuter (Gesang)

Tracklist "Innenfrost (Rockalbum/Symphonic Album)":

  1. Kontakt
  2. Einsicht
  3. Madeleine
  4. Der Schoß
  5. Jede Narbe
  6. Wohlgesonnen
  7. Unzufrieden
  8. Sommerduft
  9. Ökodiktatur
  10. Selten
  11. Schizophrenie
  12. Wir zogen fort
  13. Trauer der Möwe
  14. Filmhit
  15. Innenfrost
  16. Amsellied
  17. Vergeigt
  18. Leckgeschlagen
  19. Gegen Norden (Georg Heym)
  20. Unangekommen
  21. Abschied

Gesamtspielzeit: 77:38, Erscheinungsjahr: 2023

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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