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Detlev Schmidtchen / Zero Gravity – CD-Review

Detlev Schmidtchen - "Zero Gravity" - CD-Review

Der in der Nähe von Hannover ansässige Musiker Detlev Schmidtchen dürfte den meisten Musik-Fans durch seine Zeit in der Band Eloy bekannt sein, als mit ihm die Alben Dawn (1976), Ocean (1977), Silent Cries & Mighty Echoes (1979) sowie "Live" (1978) eingespielt und produziert wurden. Nach seinem Ausstieg bei Eloy folgten in den achtziger Jahren mehrere Bands sowie Projekte und nach wie vor regelmäßige Veröffentlichungen, bevor es gegen Ende jenen Jahrzehnts deutlich ruhiger um den Niedersachsen wurde. 2007 meldete er sich dann unter eigenem Namen und der Trilogie The Last Planet zurück, wobei jeder neue Part im Jahres-Rhythmus erschien. Anschließend kamen weitere Platten, zuletzt Another World aus dem Jahr 2015.

Den Anstoß für das neue Album "Zero Gravity" gab laut dem auf dem CD-Digipak hinterlegten Prolog der plötzliche und völlig unerwartete Tod von Schmidtchens Bruder. Dies nun wissend, macht auch das Album-Design (grau in grau gehaltene Naturfotos) Sinn und auch das eröffnende "Open Sesame" spiegelt diese traurige Atmosphäre wider. Der oben erwähnte Schicksalsschlag ließ den Protagonisten offensichtlich in ein großes emotionales Loch fallen und auf diesen elf neuen Tracks lässt er uns tief in seine Seele schauen. Die Electronic von Detlef Schmidtchen wird auf dieser ersten Nummer von auf dem Gesamtwerk ganz selten vorkommenden Gitarren-Licks ergänzt, ansonsten ist die Atmosphäre sehr dicht und man kann die Verzweiflung des Musikers fast fühlen. Was sich auch auf das folgende "Pray For Preacher" überträgt, nur, dass es hier sogar noch düsterer und verzweifelter zugeht. Der Albumtitel, "Zero Gravity" ('Keine Bodenhaftung'), genau dieses Feeling wird vermittelt. Der freie Fall ins Leere, völlige Verwirrung und keine Chance, einen klaren Gedanken zu fassen.

Wie ein Lichtstrahl kommt dann aber "Silver Moon" ins Spiel, klingt wieder etwas munterer und beschwingter, wieder etwas befreiter, nicht jedoch ohne die sehr melancholische Grundstimmung zu verlieren. Und spätestens an dieser Stelle zeigt sich erneut die Klasse des Musikers Detlev Schmidtchen, diese so schwierigen und sich manchmal sogar widersprechenden Gefühle in einem einzigen Track unter zu bringen. Definitiv ein Highight der Scheibe. Und so geht die Fahrt mit – trotz aller Gefühlsschwere beladenen – doch auch recht eingängigen Stücken weiter. Songtitel wie "Weightless", "Freefall" oder "Enter Atmosphere" alleine sprechen schon Bände, dass hier nicht unbedingt ein Kindergeburtstag gefeiert wird. So traurig wie aber auch wunderschön trägt uns beispielsweise "Miss You" in andere Welten, während "Weightless" tatsächlich das Gefühl vermittelt, mindestens einen Meter über dem Erdboden zu schweben.

Am Anfang von "Sunglow" sind sogar Wellen und Vogelgezwitscher zu hören, was immer wieder den Eindruck vermittelt, dass es auch im dunkelsten Dunkel immer noch ein kleines Lichtlein gibt, dass die Hoffnung (welche auch immer das bei dem jeweiligen Zuhörer sein mag) noch lange nicht gestorben ist. Und auch nicht sterben muss. Die Melodie vermittelt die Heilung von seelischen Wunden oder zumindest, dass der Protagonist auf dem Weg dorthin ist. Im abschließenden "Enter Atmosphere" kommen dann im Hintergrund auch nochmal Gitarren zum Einsatz und diese letzten knapp vier Minuten lassen das Album auf hohem Niveau ausklingen.

Was "Zero Gravity" von Detlev Schmidtchen zu einem richtig starken Album, sprich zu Kunst macht, ist dass der Hörer trotz des eher schwierigen Themas und der gedrückten Atmosphäre selbst nie zu stark ins Tal der Tränen mitgerissen wird. Vielmehr kann er sich den aufgebauten Klangwelten hingeben und sich darin verlieren. Zugegeben, "Zero Gravity" ist jetzt nicht unbedingt ein Album für jeden Tag, aber wenn man sich die Zeit nimmt und in die Platte eintaucht, bekommt man hervorragene Musik geboten.


Line-up Detlev Schmidtchen:

Detlev Schmidtchen (all instruments and voices)

Tracklist "Zero Gravity":

  1. Open Sesame
  2. Pray For Preacher
  3. Silver Moon
  4. Timeless
  5. Rainbow Bridge
  6. Miss You
  7. Weightless
  8. Sunglow
  9. Traffic In The Air
  10. Freefall
  11. Enter Atmosphere

Gesamtspielzeit: 56:31, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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