Söhne berühmter Väter haben es nicht leicht. Wenn Devon von seinem Onkel Duane (Gitarrist der Allman Brothers Band bis zu seinem Tod 1971) erzählt, kommen dem geneigten Betrachter fast die Tränen und ich bin mir ziemlich sicher, dass ein großer Künstler wie Devon so etwas weiß. Doch seinen Papa Gregg hat er in der Kindheit gar nicht um sich gehabt, ist er doch aus einer geschiedenen Ehe heraus bei seiner Mutter aufgewachsen. So kann man die ersten musikalischen Impulse erstaunlicherweise nicht seinem berühmten Vater zusprechen. Später aber, da stimmte es umso besser zwischen den beiden.
Gleich zu Beginn hauen sie einen raus, Devon und seine Spießgesellen. "Say Your Prayers", was für ein großartiger bluesrockender Kracher, den wir da um die Ohren gehauen kriegen. Klasse Komposition, große Stimme, fetzige Gitarre und alles in einem leuchtend modernen Gewand, alles, was man braucht.
Aber komisch, schon in "Find Ourselves" erwächst in mir das Gefühl, eine Art von klassischen Clapton-Song zu hören. Was natürlich Quatsch ist, seine Songs schreibt Devon weitestgehend selbst. Aber nachdem ich nachgelesen habe, mit welcher unglaublichen Empathie Devon über Claptons Layla schreibt, da habe ich verstanden. Gar so falsch war meine Intention nicht, hier findet jemand seine Wurzeln ziemlich nah dort, wo Derek & The Dominos einst ganz große Gefühle verbreiteten.
Doch wehe, wenn Du Dich zu sehr in dieser Richtung verfängst. Schon in "Galaxies" jammen wir uns in coolen Rhythmen und wunderbar flüssigem Gitarren-Workout in eine ekstatisch entspannte Stimmung. Einen Hauch von Esel (Gov’t Mule selbstredend) mag ich irgendwo vernehmen. Was für eine geile, fließende Gitarre zieht Tyler Stokes da ab, einfach herrlich. Nur, um gleich maximal zurückzuschalten auf eine wunderschöne Ballade mit akustischer Gitarre und einer Gänsehaut erzeugenden, Südstaaten gewichsten Stimme mit einem zarten Gitarrenpart, unter dezenter Verwendung der so herrlich befremdlichen Talkbox, genial wie damals bei Jeff Beck. Ein Stück Retro in Verbindung mit einem Southern Feeling aus der tiefen Kiste eines "Simple Man", zubereitet in einem zeitgenössisch eleganten Sound. Yeah, nun habt ihr mich endgültig am Haken.
Wenn ein Mensch nun zwischen genetischen Voraussetzungen, natürlichen Beziehungen und Erwartungshaltungen aus der familiären Umgebung nach seiner Bestimmung sucht, dann muss das ein schwieriger Prozess sein. Devon hat einiges davon bestritten, hat seinen Stil lange gesucht. Seine Mitgliedschaft bei der als Supergroup titulierten Royal Southern Brotherhood spricht für seine enorme musikalische Potenz. Das (was so verteufelt gut lief) irgendwann zu beenden, ist vermutlich noch ein deutlicheres Zeichen von Stärke.
"Shattered Times" überrollt uns wie einst der überwältigende Shuffle eines Stevie Ray Vaughan, als er sich euphorisiert bis in die Zehenspitzen über Stevie Wonders "Superstition" hermachte. Vorwärts treibend, irre, galaktisch. 'Let’s Dance, People'.
Faszinierend ist für mich der Kontrast zwischen den teilweise düster skeptischen Themen unserer Zeit, die auf dem Album entwickelt werden und dem fast immer irgendwie positiv optimistischen Duktus der Musik. Die Abgründe, die sowohl in den Texten als auch im begleitenden Material der Platte ziemlich deutlich herausgehoben werden, muss man erst einmal in den mitreißenden Flow der Musik hinein denken. Eigentlich eine tolle Erfahrung. Man kann auch über Erschreckendes und Bedenkliches musizieren, ohne dabei in dramatisch bedrohliche Sounds verfallen zu müssen. Unsere Politiker kennen diesen Weg zur Genüge. Da entstehen Bilder in meinem Kopf, die ich schnell verdrängen mag.
Die Cover-Art hat das hingegen erstklassig gelöst, wenn uns aus einer bunten Flower-Power-Inszenierung versteckt ein stilisierter Totenschädel angrinst. "Ride Or Die". Mischst Du mit im bunten Strauß des Lebens oder gehst Du verloren? Wie viele mögen sich das wohl in diesen Zeiten fragen.
Fasziniert haben mich die Fiddle-Klänge in "Butterfly Girl", da, wo ich mal wieder an meinen Helden Warren Haynes und sein Americana geprägtes Solo-Projekt denken muss. Überhaupt, so hat es den Anschein, konfrontieren wir uns immer mehr mit der zweiten Generation der fundamentalen Jam-Giganten der Allman Brothers Band. Derek Trucks als unmittelbarer Spross dieses unvergleichlichen, sprudelnden Jungbrunnens pulsierend mitreißender Rockmusik geht mit Greggs Sohn Devon und Marcus King, dem wenngleich nicht genetisch verwandten, gleichsam aber kulturell musikalisch adoptierten Spross seines Mentors Warren Haynes, einen unbeirrbaren Weg. All diese maximal talentierten jungen Erben aus den Wurzeln der großartigsten Musik aus dem Spannungsgebiet zwischen Rock, Blues, Jazz, Soul und Tradition sind Garanten dafür, dass die Musik von uns Altrockern auf die alten Tage so schnell nicht untergehen wird.
Grateful Dead, ABB, ZZ Top, Lynyrd Skynyrd oder Stevie Ray Vaughan, allesamt aus dem eher südlichen Gefilden der Vereinigten Staaten hervor gebracht, haben uns schon lange gezeigt, wo der Hammer hängt. Absolute Klasse, stilistische Überzeugung und lokales Kolorit, dagegen ist kein Kraut gewachsen. Devon Allman bedient sich ganz gern bei verschiedenen dieser Richtungen. Das ist ein feiner Zug von ihm. Daher werden Rock-Freunde aus durchaus verschiedenen Hütten seiner Musik mit Freude folgen können. Qualität ist ohnehin das beste Argument, davon bietet die Band eine Menge.
Line-up:
Devon Allman (guitars, vocals, bass)
Tom Hambridge (drums, percussions)
Tyler Stokes (guitars, bass)
Steve Duerst (bass)
Ron Hoolway (saxophone)
Bobby Young (violin, string section)
Kevin McKendree (keyboards)
Tracklist "Ride Or Die"
- Say Your Prayers
- Find Ourselves
- Galaxies
- Lost
- Shattered Times
- Watch What You Say
- Vancouver
- Pleasure & Pain
- Hold Me
- Live From The Heart
- Butterfly Girl
- A Night Like This
Gesamtspielzeit: 48:13 , Erscheinungsjahr: 2016
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