
Warum gibt es für Udo Dirkschneider noch kein Bundesverdienstkreuz? Ja, warum einen Konzertbericht nicht mit einer solch wegweisenden Fragestellung beginnen? Unstrittig, dass sich der Mann mit der Reibeisenstimme über einen sehr langen Zeitraum national und international große Verdienste um die Rockmusik erworben hat, speziell im Heavy Metal. Dank solcher Persönlichkeiten ist das Genre so jung geblieben, wie wir es heute erleben.
Aber das ist lange nicht alles. Der heute 72-jährige ist für viele Menschen unverzichtbare Identifikationsfigur, weil seine Kompositionen über viele Jahrzehnte Wegbegleiter für mehrere Generationen sind. Viele seiner Lieder sprechen emotional an. All das war am 28. Februar 2025 beim Konzert im Haus Auensee in Leipzig in einer Punktlandung vereint. Waren es fünf, waren es zehn Restkarten, die nicht über den Tresen gegangen waren? Gefühlt war es ein ausverkaufter Saal an einem Abend, der zwei Gründe zum Feiern bot. Die Metropole in Sachsen war die zweite deutsche Station anlässlich der europaweiten Balls To The Wall-Jubiläumstour 2025, bei der vor allem Titel der 1983 entstandenen, gleichnamigen Scheibe zu hören waren. Offiziell war es die Tour zum 40. Jubiläum des Accept-Albums "Balls To The Wall". Es war das meistverkaufte und bekannteste Album der Solinger Band.
Es waren aber nicht nur diese zehn Lieder zu hören. Das Programm war dreigeteilt. In der Mitte erklang die komplette Setlist in der Reihenfolge des Originals, danach ein kurzer Zugabeteil mit Accept-Klassiken, eingeleitet von "Princess Of The Dawn". Vielleicht haben es mehrere Besucher gar nicht bewusst registriert, doch das Konzert in Leipzig fiel exakt auf den Erscheinungstag von "Balls To The Wall Reloaded", dem Album, das der Originalsänger mit zehn Duettpartnern neu eingespielt hatte. Eine bemerkenswerte CD, ein ebenso grandioses Konzert.
Tatsächlich erlebten die Zuhörer einen gefühlten Accept-Festspieltag, denn alle 20 Titel des Abends stammten von jener Band unter der damaligen Mitwirkung von Udo Dirkschneider. Er spielte die zeitlosen Klassiker aus seiner aktiven Zeit im modernem Gewand mit seiner Band Dirkschneider. Gewiss ist eine solch exklusive Auswahl legitim. Es waren Lieder seiner ehemaligen Band, aber vom Publikum lautstark in Sprechchören gefeiert wurde ihr Held »Udo, Udo«,
Dabei hatte diese Show schon etwas von einer Ironie des Schicksals. Vor genau einem Jahr anlässlich der Tour mit Dirkschneiders zweiter Band U.D.O, die in der gleichen Besetzung agiert, wurden für die Dauer eines Konzerts sehnlichst Accept-Lieder gewünscht. Zwölf Monate später werden diese Kompositionen nicht nur gespielt, sie werden gelebt. Die Band auf der Bühne legte eine Show hin, die das Ganze zum einmaligen Erlebnis werden ließ. Es gab zuvor keine Versprechen, die nicht eingehalten wurden, nach oben war keine Luft mehr. Beim Sänger spürte man regelrecht, wie viel Herzblut in diesen Liedern für ihn steckt.
Ein Glücksfall sind sicher die beiden Gitarristen Andrey Smirnov und Fabian 'Dee' Dammers. Mit scheinbarer Leichtigkeit glitten sie über die Saiten und zauberten im Zusammenspiel Klänge hervor, die dem Genre ihren Stempel aufdrücken. Mit Sohn Sven Dirkschneider und dem agilen Ex-Accept-Musiker Peter Baltes verkörpert die Zwei-Generationen-Band Heavy Metal, wie er nicht besser aufgestellt sein könnte. Dazu kommt eine Songauswahl, die keine Wünsche offen ließ. Vom Album "Metal Heart" (1985) erklangen der Titelsong, "Midnight Mover" und "Up To The Limit". Bei "Breaking Up Again" überzeugte Bassist Peter Baltes als Sänger. Das Lied aus dem Jahr 1981 ist eines der Lieblingslieder von Udo Dirkschneider, verriet dieser. Dessen Können bei einer Ballade unterstrich der Sänger bei "Winter Dreams". "Balls To The Wall", "London Leatherboys" und "Losers And Winners" erklärten die Besucher nach entsprechenden Reaktionen durch Beifall oder Rufen zu ihren Favoriten aus dem 1983er Album.
- Bassist Peter Baltes und Udo Dirkschneider
- Gitarrenfraktion mit Fabian ‘Dee‘ Dammers (links) und Andrey Smirnov (rechts)
- Wenn der Vater mit dem Sohne: Udo und Schlagzeuger Sven Dirkschneider
- Udo Dirkschneider mit Gitarrist Andrey Smirnov
Das Ergebnis der Neuauflage ist ein Tribut an die Geschichte des Heavy Metal. Aber erst 40 Jahre später wird richtig deutlich, wie unvergänglich und inspirierend und damit wie wertvoll dieses Album war und ist. Man möchte sich vor den Akteuren, allen voran vor Udo Dirkschneider, am liebsten verneigen.
Dem vergleichsweise kleinen Sänger mit einer Körpergröße von 1,68 Meter gilt Dank und Anerkennung dafür, dass er Menschen seit so langer Zeit begeistert. Kleiner Mann, ganz groß, möchte man ihm zurufen. Alle seine Produktionen, bis hin zum Coveralbum "My Way" (2022), sind zeitlose Bekenntnisse zum Heavy Metal.
- Fabian ‘Dee‘ Dammers und Andrey Smirnov gehören zur Zwei-Generationen-Formation
- Ein Ausschnitt aus der Dirkschneider-Setliste
- Ikone des Heavy Metal: Udo Dirkschneider
Wenngleich der Abend eindeutig im Fokus von Udo Dirkschneider und seiner Band stand, so sorgten All For Metal und Crownshift als Support gleichberechtigt für einen facettenreichen Metal-Abend. All For Metal bedienen eine Bandbreite vom klassisch-hymnischen Metal mit eingängigen Melodien bis hin zu True- und Power Metal. Das Set mit 30 Minuten Länge kam gut rüber. Zu hören waren Anleihen aus dem Folk Metal. Berichte in den Medien zufolge werden sie gern mit Sabaton, Majesty und Hammerfall verglichen. Die 2022 gegründete, mit Künstlern aus verschiedenen Ländern besetzte Formation hat 2023 mit "Legends" ihr Debütalbum veröffentlicht.
Für eine Spieldauer von 45 Minuten traten Crownshift aus Finnland vor ihr Publikum. Die Band ist der beste Beweis, dass in ihrem Heimatland nicht nur Cello Metal und Sinfonischer Metal zu Hause sind. Crownshift spielen Melodic Death Metal. Die Band gibt es ebenfalls erst seit 2023, im Mai 2024 erschien ihr selbstbetiteltes Debüt. Sie besteht aus Tommy Tuovinen (Gesang), Jukka Koskinen (Bass und Gesang) Heikki Saari (Schlagzeug) und Daniel Freyberg (Gitarre).
Die "Balls To The Wall"-Jubiläumstour 2025 wird im März in Deutschland fortgesetzt.
Bildnachweis für alle Bilder des Events: © 2025 | Mario Keim | RockTimes
Line-up Dirkschneider:
Udo Dirkschneider (vocals)
Andrey Smirnov (guitar)
Fabian 'Dee' Dammers (guitar)
Peter Baltes (bass)
Sven Dirkschneider (drums)
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