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Don Marco & Die kleine Freiheit / Gehst du mit mir unter – CD-Review

Don Marco & Die kleine Freiheit - "Gehst du mit mir unter" - CD-Review

Markus 'Don Marco' Naegele hat sich nach zwei Alben als Songwriter, Sänger und Gitarrist mit der Garage Rock-Band Fuck Yeah selbstständig gemacht bzw. ein zweites Standbein aufgebaut. Mit "Gehst du mit mir unter" legt er nämlich sein erstes Soloalbum vor, das sich natürlich von der vorgenannten Band unterscheiden sollte. Diese beiden Scheiben sind mir hinsichtlich Vergleichszwecken zwar nicht bekannt, aber ein gravierender Unterschied ist alleine schon der, dass der Protagonist auf seinem ersten Alleingang nicht mehr englisch, sondern abgesehen von einem einzigen Song ("Rock And Roll Love Letter") nun deutsch singt.

Die Katze auf dem Coverfoto sieht irgendwie ziemlich leblos aus und auch Don Marco selbst schaut nicht unbedingt optimistisch in die Linse, aber gut, der Mann sitzt in einem amerikanischen Auto älteren Baujahrs, die ergrauenden Haare sind lang und eben jene sowie der Cowboyhut lassen zumindest auf eine coole Socke hoffen, die richtig gute, traditionelle Musik aus dem amerikanischen Süden mit deutschen Lyrics verbindet. Da bin ich ja mal gespannt …

Ein Song auf dieser Scheibe heißt doch tatsächlich "Leon Russell", was die Erwartungen dann gleich schon wieder weiter in die Höhe treibt. Und dann … uff, okay … muss man sich erst mal dran gewöhnen. Denn nach dem Intro umgibt "Nervös" dann doch ein gewaltiger Hauch der Neuen Deutschen Welle. Zumindest was die Stilistik der Vocals angeht, denn genau genommen rockt die Band eigentlich ganz ordentlich nach vorne. Hmm … komische Kiste. So richtig los geht diese Platte für mich eigentlich mit dem Song "Was hast du dann?", bei dem unter anderem die klasse gespielte Lap Steel von Kristof Hahn glänzt. Aber auch Don Marco trifft hier den Nerv des Hörers sehr gut. Noch besser wird es bei "Osnabrück" mit durchgängig langgezogenen Gitarrentönen (oder ist das doch ein Moog?), die dem Stück ein fast schon gespenstisches Leben einhauchen. Ähnlich wie diese langgezogenen, gefühlt lähmend-dämonischen Töne bei dem David Bowie-Song "Heroes". Absolut gelungenen und einer meiner absoluten Favoriten auf dieser Scheibe.

Geschichten wie in "Gestern Nacht" haben – ohne gleich alles verraten zu wollen – ganz sicher (fast) alle von uns schon einmal so oder zumindest ähnlich erlebt, in "Topspiel der Woche" wird die Verlogenheit des Business unter die Lupe genommen und auch "Nichts hält für immer" oder "Der Antrieb ist hin" strotzen nicht gerade vor Optimismus. Ach ja, die Nummer "Leon Russell" handelt übrigens nur zwei Zeilen von ihrem Namensgeber und entwickelt sich textlich zu einer Homage an einige der musikalischen Helden Don Marcos (und auch des Rezensenten) wie unter anderem Gram Parsons, Townes Van Zandt, Nikki Sudden oder Joe Strummer. Ein breites Lächeln auf meine Lippen zauberte auch das Velvet Underground-Cover "Feierabend (After Hours)". Seinerzeit schon eine ungewöhnliche (dazu die einzige von Drummerin Maureen Tucker gesungene) Nummer, funktioniert sie auch bei Don Marco ganz hervorragend. Klasse!

Aus den genannten Gründen sollte der Scheibe unbedingt eine weitere Chance gegeben werden, selbst wenn man zunächst etwas mit ihr 'fremdelt'. Denn da ist (ob nun ganz bewusst oder auch nicht) schon ein klares Konzept dahinter. Don Marco spricht auf seine eigene launische Art sehr oft die nicht so angenehmen Dinge im Leben an, Dinge, mit denen man früher ganz sicher nicht in Hecks "Hitparade" gelandet wäre. Manchmal subtiler, manchmal sehr deutlich und wenn man sich erst mal an die doch eher ungewöhnliche Lyrik sowie den Gesangsstil gewöhnt hat, ist man plötzlich drin in der Welt des Protagonisten. Insgesamt gesehen ist die Scheibe vielleicht etwas zu lang ausgefallen, aber die Bonus Tracks kann man ja auch einfach weglassen oder beim nächsten Durchlauf angehen. Meine Daumen gingen jedenfalls bereits während des zweiten und dritten Anhörens entschieden nach oben.


Line-up Don Marco & Die kleine Freiheit:

Markus 'Don Marco' Naegele (acoustic & electric guitars, keyboards, Moog, harp, handclaps, lead vocals)
Tim Jürgens (bass, handclaps, background vocals)
Kristof Hahn (acoustic, electric & lap steel guitars, handclaps, background vocals)
Kevin Ippisch (electric guitars, background vocals)
Philip Bradatsch (acoustic & electric guitars, piano, background vocals)
Nick Buttermilch (drums, e-drums, handclaps, background vocals)
Bonifaz Prexl (piano, Moog, mandolin, melodica, handclaps, background vocals)
Stefan Kolbeck (trumpet)
Christoph 'King Brownie' Hobein (handclaps, background vocals)

Tracklist "Gehst du mit mir unter":

  1. D.O.N.M.A.R.C.O.
  2. Nervös
  3. Wir haben genug
  4. Gehst du mit mir unter
  5. Was hast du dann?
  6. Osnabrück
  7. Gestern Nacht
  8. Topspiel der Woche
  9. Nichts hält für immer
  10. Der Antrieb ist hin
  11. Das Fest
  12. Warten
  13. Leon Russell
  14. Sonntagnachmittag [Bonus Track]
  15. Feierabend (After Hours) [Bonus Track]
  16. Rock And Roll Love Letter [Bonus Track]
  17. Nervös [Bonus Track – Demo]
  18. Wir haben genug [Bonus Track – Demo]
  19. Der Antrieb ist hin [Bonus Track – Demo]
  20. Was hast du dann? [Bonus Track – Demo]

Gesamtspielzeit: 68:05, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

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