Als sich der aus New Orleans stammende Musiker Dr. John Ende der sechziger Jahre mit seinem ersten Album "Gris Gris" (inklusive des heute noch bekannten Tracks "Walk On Guilted Splinters") vorstellte, war er der 'Night Tripper'. Ein nach der Voodoo-Religion lebendes Unikum, das sich durch sein starkes Image und einer höllisch heißen musikalischen Mixtur, wie sie wahrscheinlich nur aus dieser Stadt im Bundesstaat Mississippi kommen konnte, definierte. Anfang bzw. spätestens Mitte der Siebziger und einige Alben später hatte er diese Rolle aber abgelegt und brachte immer noch starke, jedoch deutlich mainstreamigere Mucke. Anfang der Neunziger brachte er mit "Going Back To New Orleans" endlich die nächste absolute Hammerscheibe raus, die sich wieder – der Name war Programm – mit der Musik seiner Heimat beschäftigte. Allerdings handelte es sich (wie er es 1972 mit "Gumbo" bereits getan hatte) um Coversongs von Material, das in den schwülen Sümpfen und Bars der Großstadt entstanden war. Nur der 'Night Tripper', dieser Voodoo praktizerende Schamane war immer noch unter- bzw. noch nicht wieder aufgetaucht.
Das änderte sich erst im Jahr 1998 und der Veröffentlichung von "Anutha Zone". Und da war er wieder, Dr. John, der mit heiserer Stimme über Tod und Teufel berichtete, über so seltsame wie unwahrscheinliche Dinge, die man eigentlich gar nicht wirklich selbst erleben möchte. Die Scheibe wurde zum Teil in New York City, zum Teil aber auch in England mit britischen Musikern aufgenommen. Ein Unterschied? Kaum auszumachen, da haben sich die Mucker der Alten und Neuen Welt fast nichts genommen. Was bei diesem Sound vor allem als Kompliment für die europäischen Cracks verstanden werden darf.
Die einzelnen Tracks sind nicht unbedingt schnell eingängig, der Hörer braucht schon ein paar Durchläufe, um sich hier seine Favoriten raus zu suchen. Was natürlich auch damit zusammenhängt, dass der Fokus bei dieser Platte eindeutig auf den Groove gelegt wurde. Und der ist da, swingt, pumpt, würgt, lässt wieder los und zieht einen automatisch in seinen Bann. Dr. John selbst war gegen Ende des letzten Jahrhundert nicht mehr so stark bei Stimme wie zu Beginn seiner Karriere, was bei den hier versammelten Stücken aber gar nicht mal von Nachteil ist, da sich dieser heisere (teilweise Sprech-) Gesang optimal zu der vorherrschenden erhitzten und dennoch auch fröstelnden Atmosphäre gesellt.
Das Einzige, was man dieser Koryphäe bei diesen 13 Tracks vielleicht wirklich vorwerfen kann ist, dass kein sogenannter Übersong zu finden ist. Auf der anderen Seite wird das vorgelegte hohe Niveau auch konsequent gehalten, was ja auch schon wieder eine Qualität für sich ist. Auf der zweiten Seite gefallen speziell "Soulful Warrior" sowie "The Stroke", während uns der Meister zum Schluss nochmal eine Liebeserklärung an seine Heimatstadt bringt.
"Anutha Zone" ist ganz sicher nicht die beste Scheibe in der Karriere von Dr. John, aber bei weitem auch nicht die schwächste. Dazu kommt, sie war eine deutliche Annäherung an frühere Großtaten. Die Stärken sind ganz klar der supergeile Groove und die bereits erwähnte dichte Atmosphäre, die alleine schon jede Menge her macht. Als Anspieltipps lege ich euch "Voices In My Head", "Party Hellfire", "I Don’t Wanna Know" sowie den Titelsong ans Herz. Wenn man die genannten Stärken mag, wird man "Anutha Zone" genauso wie die ersten sechs oder sieben Scheiben des Maestros lieben, oder zumindest mögen. Sowohl das hervorragend klingende 180g-Vinyl, als auch das aufwändig gestaltete und gefertigte Cover fahren weitere Pluspunkte ein.
Neueinsteigern in den Dr. John-Kosmos würde ich dagegen eher "Gumbo" oder "Going Back To New Orleans" empfehlen.
Line-up Dr. John:
Dr. John (piano, keyboards, lead vocals)
Paul Weller (guitars, vocals)
Bobby Broom (guitars, background vocals)
Gaz Coombes (guitars)
J. Spaceman (guitars, farfisa)
Matt Deighton (guitars)
Hugh McCracken (slide guitars, mandolin, acoustic guitar, harmonica)
Mike Moonie (slide guitars)
David Barard (bass, background vocals)
Mick Quinn (bass)
Sean Cook (bass)
Damon Minchella (bass)
Herman Ernest (drums, background vocals)
Clive Deamer (drums)
Damon Reece (drums)
Steve White (drums & percussion)
Thighpaulsandra (Hammond & Kurtzweil)
Jools Holland (Hammond)
Martin Duffy (Hammond)
Sammy Figueroa (conga & percussion)
Ravi (birambao, percussion)
Malcolm Cross (percussion)
Steve Mason (percussion)
Robin Jones (percussion)
Ronnie Cuber (saxophone, clarinet)
Ray Moonshake (saxophone, flute)
Lawrence Feldman (tenor saxophone)
Tony Kadleck (trumpet)
Alan Rubin (trumpet)
Clark Gayton (tromobone)
Shelley Woodworth (english horn)
The Kick Horns (horns)
The Little Big Horns (brass)
Carleen Anderson (vocals)
Katherine Russell (background vocals)
Jenny Douglas (background vocals)
Tracklist "Anutha Zone":
- Zonata
- Ki Ya Gris Gris
- Voices In My Head
- Hello God
- John Gris
- Party Hellfire
- I Don’t Wanna Know
- Anutha Zone
- I Like Ki Yoka
- The Olive Tree
- Soulful Warrior
- The Stroke
- Home Sweet New Orleans
Gesamtspielzeit: 27:56 (Side 1), 24:21 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2016 (1998)
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