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Dream Theater "A View From The Top Of The World" – Konzertbericht, 11.05.2022, Gasometer, Wien

Gasometer in Wien

Ja, was war das denn? In den ersten Tag der Eisheiligen im Mai 2022 platzt plötzlich eine tropische Nacht herein. Die Temperaturen sollten den Besuchern des Konzertes im Gasometer in Wien im Anschluss einen unvergesslichen nächtlichen Rundgang bei geöffneten Cafés und Restaurants in der Innenstadt bescheren. Braucht es weitere Beweise, dass unsere scheinbar verrückte Welt aus dem Gleichgewicht geraten ist? Dazu ist es gut, wenn es wenigstens ein paar verlässliche Konstanten im Leben gibt. Die finden wir wie so oft in der Musik. Hier gibt es stellvertretend eine Band, die nahe an das Ideal reicht. Wann immer Dream Theater aufschlagen, kann sich der Fan sicher sein, dass Überraschungen ausbleiben, sofern beim Auftritt nicht gerade die ungewohnte 90-Minuten-Marke unterschritten wird. Wobei eineinhalb Stunden Spieldauer schon sehr niedrig angesetzt sind.

Sänger und Gitarrist Devin Townsend

Sänger und Gitarrist Devin Townsend

Der Rocksänger Devin Townsend war angetreten, die US-Amerikaner auf deren Europatour zu unterstützen. Die Musiker Stephen Platt (Gitarren), James Leach (Bass) und Darby Todd (Schlagzeug) begleiteten auf der Bühne den kanadischen Sänger und Gitarristen, der sich über 30 Jahre seiner Karriere weltweit einen sehr guten Ruf erarbeitet hat. Bei Townsend ist es schwer, eine eindeutige stilistische Richtung herauszuhören, wie der Auftritt in Wien gezeigt hat. Es ist keineswegs falsch, ihn im Progressive Metal zu verorten. Eine klare Abgrenzung in andere Richtungen gibt es aber nicht, da Devin Garrett Townsend sich auch anderen Instrumenten und Genres zuordnen lässt. Damit ist er kein Mann für irgendwelche Schubladen. Er arbeitet mit elektronischen Geräten wie Keyboards und Klangverfremdung, sodass die Suche nach dem musikalischen Profil erschwert wird. Als Vorhut von Dream Theater trennt er sich nicht von der Gitarre, arbeitet in den kurzen Pausen sehr kommunikativ mit dem Publikum und erntet nach jedem Titel reichlich Beifall. Wenn sich ein Künstler im Vorprogramm gefeierter Akteure im Handumdrehen einen solchen Stand erarbeitet, dann leisten Musiker und Publikum gleichermaßen ihren Anteil. Beide Seiten verdienen sich damit ihren Respekt.

Apropos Musiker: Stephen Platt, James Leach und Darby Todd stellten die Besucher rein optisch auf härtesten Metal ein, hielten sich aber stattdessen ein wenig zurück. Nach einer Stunde Spielzeit verabschiedeten sich Townsend & Co. brav von der Bühne, eine Zugabe gab ihr Regieplan offenbar nicht her. Fans des Künstlers werden mit Sicherheit auf ihre Kosten gekommen sein. Besucher, die auf Dream Theater eingeschworen waren, sollten einen Musiker kennengelernt haben, der für sie ein dickes Achtungszeichen hinterlassen hat. Musikalisch sehr gut passend für das Gesamtkonzept des Abends waren beide Darbietungen.

Keyboarder Jordan Rudess und Schlagzeuger Mike Mangini

Keyboarder Jordan Rudess und Schlagzeuger Mike Mangini

Nicht vielmehr als 15 Minuten waren für den Umbau nötig, ehe pünktlich um 21 Uhr die Präsentationswand hinter dem Schlagwerk von Mike Mangini mehrere Albencover zeigte. Angesichts der Fülle der Produktionen, darunter mehrere Konzeptplatten, ist bei Dream Theater an einem Abend viel möglich. Man kann es im positiven Sinn Wundertüte nennen. Was steckt wohl heute im Bauchladen? Der Abend glich einer Werksschau aus sieben Alben. Zehn Titel in zwei Stunden machen nach Arithmetik des Hauses Petrucci & Co. im Durchschnitt zwölf Minuten Spielzeit pro Titel aus. Vier Lieder sind es aus dem aktuellen Werk "A View From The Top Of The World" (2021). Doch diese vier Lieder allein machen wiederum einen stolzen Anteil von zusammen 45 Minuten aus. Soviel aus der Abteilung Statistik.

Wenn das Album "Awake" aus dem Jahr 1994 die Initialzündung in Richtung Dream Theater war, wie beim Autor dieser Zeilen, dann sah die Platzierung von "6:00" an der zweiten Stelle der Setlist fast schon wie ein Wink des Schicksals aus. Bereits im Februar 1995 lernte ich die Band bei ihrem Auftritt im Haus Auensee in Leipzig kennen. Es war wie Liebe auf den ersten Blick. An der noch jungen Stelle im Programm war bereits klar, dass es an diesem Abend um Quantität beziehungsweise Länge ging, aber keineswegs um Eintönigkeit. Die längerem Titel waren so ausgewählt worden, dass es zu keinem Zeitpunkt nach Monotonie aussah. Die Akteure schafften es, die Spannung über die Gesamtspielzeit hoch zu halten. Das gelingt nur, weil Sänger James LaBrie und die vier Instrumentalisten John Petrucci (Gitarre), Jordan Rudess (Keyboards), John Myung (Bass) und Mike Mangini (Schlagzeug) hochmotiviert und professional bis in die Haarspitzen ihren Part spielen – und nicht nur abspulen.

Sänger James LaBrie und Bassist John Myung (Hintergrund)

Sänger James LaBrie und Bassist John Myung (Hintergrund)

Mit dem 11:23 Minuten langen "Endless Sacrifice" aus "Train Of Thought" (englisch für "Gedankengang") als dem vierten Beitrag des Konzerts erinnerten die Protagonisten daran, dass es vor knapp 20 Jahren eine Welttour gab, auf der die Band tatsächlich die kompletten Alben "Master Of Puppets" von Metallica und "The Number Of The Beast" von Iron Maiden spielte. Im Ergebnis entstand "Train Of Thought" als dem härtesten Silberling, den die Band bis dahin produziert hatte. Aus diesem Grund sprechen viele von dem Heavy Metal-Album der Band. In Tempo und Rhythmuswechsel war die Metal-Nummer "Endless Sacrifice" eine Sahneschnitte und ein besonderer Höhepunkt während der zwei Stunden. Die Komposition war ein Beleg dafür, wie facettenreich Dream Theater an diesem Tag aufgelegt waren.

Progressiv, hart, melodieverliebt. Nach diesem unausgesprochenem Motto zelebrierte die Band eine fast beispiellose Energiefülle. So war die Setlist ein Schaufenster dafür, warum Dream Theater weiterhin als das Paradigma des modernen Progressive Metal gilt.
Es war ein Abend für die Ewigkeit. Dabei nicht zu vergessen, dass Devin Townsend als Türöffner einen ebenfalls bärenstarken Part leistete.
Ein großer Dank von RockTimes geht an Manuel Berger von HEAD OF PR und seinem Team für die tatkräftige Unterstützung bei der Bereitstellung der Fotoakkreditierung.


Line-up Dream Theater:

James LaBrie (vocals)
John Petrucci (guitars)
John Myung (bass)
Jordan Rudess (keys)
Mike Mangini (drums)

Setlist Dream Theater:

  1. The Alien
  2. 6:00
  3. Awaken the Master
  4. Endless Sacrifice
  5. Bridges in the Sky
  6. Invisible Monster
  7. About to Crash
  8. The Ministry of Lost Souls
  9. A View From the Top of the World

Zugabe:

  1. The Count of Tuscany

Line-up Devin Townsend:

Devin Townsend (vocals, guitars, keyboards)
Stephen Platt (guitars)
James Leach (bass)
Darby Todd (drums)

Setlist Devin Townsend:

  1. Failure
  2. Kingdom
  3. By Your Command
  4. Aftermath
  5. Regulator
  6. Deadhead
  7. Deep Peace
  8. March of the Poozers
  9. More!


Devin Townsend


Dream Theater

 

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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