Auch in der Historie einer solch wegweisenden Band wie Dream Theater können sich epochale Dinge ereignen, die dem Superlativ Tür und Tor öffnen, wie man meinen möchte. Rund 15 Jahre nach dessen Ausstieg kündigen die Akteure des 'Traumtheaters' die Rückkehr ihres Schlagzeugers und Mitbegründers Mike Portnoy an. Überraschung oder überfällig – diese Frage mag jeder Fan für sich beantworten. Fakt ist: Mike Portnoy bleibt gewiss nicht der einzige Musiker, der sich eine Auszeit gönnt, um dem zähen Schreib- und Tourfluss für eine gewisse Zeit zu entfliehen. Für den heute 57-Jährigen spricht, mit welch beachtlichem Aktionsradius er in der Zwischenzeit in verschiedenen Projekten (Transatlantic, Flying Colors, The Winery Dogs, Sons of Apollo, OSI) zum Teil gleichzeitig beschäftigt war. Ein ruheloser Instrumentalkünstler im besten Musikeralter und mit genügend Potenzial für immer neue Ideen. Die Freude über seine Rückkehr könnte bei Musikern und in Fankreisen nicht größer sein. Schließlich ist er Identifikations- und Kultfaktor in Personalunion.
Der Eindruck könnte entstehen, das Album "Parasomnia" pünktlich zum 40. Bandgeburtstag sei dem Rückkehrer gewidmet. Zwar ist dessen Handschrift unverkennbar zu hören, doch wo Dream Theater draufsteht, steckt stets eine kollektive und hochkonzentrierte Energieleistung dahinter. Das beginnt mit dem zu Beginn sehr düsteren Opener "In The Arms Of Morpheus", der auf fünfeinhalb Minuten praktisch das gesamte Klangspektrum der US-Amerikaner abdeckt und erst gegen Ende eine scheinbare Leichtigkeit erhält. Damit sind die Konturen aufgezeigt, die zur sprichwörtlichen Abwechslung innerhalb nur eines Stückes führen können.
Dem Instrumental folgt auf zehn Minuten die erste Singleauskopplung des Albums ("Night Terror"). Schon sind wir beim Thema Länge: Diese liegt bei einer Gesamtspielzeit von 71 Minuten, womit sich Dream Theater auch in dieser Kategorie wie zu ihren besten Zeiten präsentieren. Diese Dauer führt über die gesamte Spielzeit nicht zum Abfall der Qualität. "Night Terror" verdient schon allein deshalb das Prädikat Spitzenklasse, gibt es doch hier beim Einsatz der Instrumente und dem wohldosierten Einsatz des Gesangs (James LaBrie) gefühlt kaum noch eine Steigerung. Der sparsame Gesang, wie er über viele Alben der Band zu beobachten war und ist, verleiht dem Werk eine gewisse Spannung, die von den Instrumenten in gleicher Weise getragen wird. Es ist die Klasse des Quintetts, diese über alle Tracks hochzuhalten. Großzügige Spiellänge bedeutet nie Musik im unkontrollierten Übermaß. Nichts ist überladen.
In "A Broken Man" verwandelt sich das Tasteninstrument von Jordan Rudess in ein Piano, im weiteren Verkauf hören wir Musik, die dem Lied eine Klassiknote verpasst. Das kurze "Are We Dreaming" mit einer Spieldauer von gerade eineinhalb Minuten bietet in Anleihen sakrale Musik, während "Bend The Clock" die sanfte Seite der Band zeigt, ohne nach einer Ballade zu klingen. Das 16. Studioalbum "Parasomnia" ist der dritte gemeinsame Streich mit dem Label Inside Out Music (Sony Music). Auf diesem Weg scheint sich eine besondere Erfolgsgeschichte anzubahnen. Denn zum Auftakt dieser Zusammenarbeit gab es 2019 für "Distance Over Time" in Deutschland die ersten Nummer-Eins-Platzierung für den Neueinstieg eines Albums in den Charts. "Parasomnia" wurde von Gitarrist John Petrucci produziert, von James 'Jimmy T' Meslin aufgenommen und von Andy Sneap (Judas Priest, Saxon) abgemischt. Auch beim Artwork wirkte mit Hugh Syme eine bekannte Größe mit kreativer Vision.
Dream Theater bleiben damit im Charakter ein kollektives Gesamtkunstwerk. Garantiert wird die Band mit dem neuen Album keinen ihrer Fans verlieren, aber viele neue hinzugewinnen. Das Album "Parasomnia" vereint auf unnachahmliche Weise Vergangenheit und Gegenwart einer großartigen Band, die scheinbar unspektakulär ihre Kreise dreht. Zur Vollständigkeit gehört, Schlagzeuger Mike Mangini für 13 Jahre treue Dienste zu danken. Er war alles andere als nur Ersatz. Ihm schenkten die Bandmitglieder ihr Vertrauen, als es darum ging, schnell einen geeigneten Nachfolger für Mike Portnoy zu finden. Mike Mangini leistete seinen Anteil, das Flaggschiff des Progressive Metal erfolgreich auf Kurs zu halten.
Line-up Dream Theater:
James LaBrie (vocals)
John Petrucci (guitars)
John Myung (bass)
Jordan Rudess (keys)
Mike Portnoy (drums)
Tracklist "Parasomnia":
- In The Arms Of Morpheus (5:22)
- Night Terror (9:55)
- A Broken Man (8:30)
- Dead Asleep (11:06)
- Midnight Messiah (7:58)
- Are We Dreaming (1:28)
- Bend The Clock (7:24)
- The Shadow Man Incident (19:32)
Gesamtspielzeit: 71:16, Erscheinungsjahr: 2025
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