Was passiert wenn drei Vollblutmusiker, die ihre Instrumente perfekt beherrschen und eigentlich im Prog beheimatet sind, sich zusammenschließen um einfach akustische Musik zu machen?
Und wer steckt dahinter und hatte diese zündende Idee unterm Weihnachtsbaum?
Natürlich kein anderer als der Tausendsassa und Workaholic Neil Morse. Er dachte sich wohl, wie kann ich den Prog runterbrechen, sodass er im Trio funktioniert und wie seine Idole Crosby, Stills & Nash klingen würde und trotzdem seine Eigenständigkeit behält.
Da braucht es drei Stimmen, die perfekt harmonieren und ebenfalls diese Musik leben und lieben, genauso Musiker, die ihre Instrumente absolut beherrschen.
Diese fand er bei seinem Ex Spock’s Beard-Kollege und jetzigem Big Big Train Drummer Nick D’Virgilio und Ross Jennings von der Band Haken.
Und eins vorweg, sie verschmelzen ineinander wie eine schöne Mohnblüte, die bei Sonnenschein und Wärme in voller Pracht aufgeht.
Schon der Opener "Everthing I Am" versprüht dieses Westcoast-Feeling von damals. Treibende Percussion mit stimmungsvollen Akustikgitarren, die Vocals, die einander nichts nehmen und abwechselnd die Leadstimme übernehmen um wieder zum Dreiergesang zusammenkommen. Das macht nicht nur den Hörern Spaß, was D’Virgilio, Morse und Jennings uns da präsentieren. Ich kann mich nicht erinnern, wann es in dieser Richtung Ähnliches im Jahrzehnt gegeben hat.
"Julia" – bereits die Anfangszeile ist etwas für die Seele: »Julia smiles with a tear in the eyes …«. Da schmelzen sie dahin. In Eagles-Manier plustern sie den Song mit der Zeit immer weiter auf, eine Gitarre heult und zum Finale hin steigern sie die Melodie noch mal erheblich. Die zarte Hammond im Hintergrund legt den wohligen Teppich, um das akustische Feuerwerk abzubrennen.
Im America-Style zelebrieren sie "You Set My Soul On Fire" sehr schön. Und wenn ich schon am vergleichen bin: Auf "Another Trip Around The Sun"klingen sie wie die Doobie Brothers, bei "If I Could" sowie "A Change Is Gonna Come" kommen Simon And Garfunkel durch und auch die Eagles hört man ab und an raus. Dies soll klarmachen, wie selten und eigentlich schwer die perfekte Harmonie von Melodie, Gesang und auch Instrumentierung zu finden ist. Das Hauptmerkmal werfen die drei ohne Umwege aber auf CS&N und da machen sie auch keinen Hehl daraus.
Rockig können Sie natürlich auch, wäre ja ein Wunder wenn nicht. "King For A Day" klingt, als wäre Neil Young dazu gestoßen, um mit ihnen zu jammen.
Noch flotter geht es bei "Second Hand Song" zu. Da ist alles handgemacht und zwar richtig kräftig. Es elektrisiert und die drei kommen richtig in Fahrt; scheppernde Gitarren, gröhlende Hammond und das ein oder andere feine Soli rundet diesen Rocker ab.
Ein würdiger Abschluss bietet uns noch das herzliche und sehr nahe gehende "What You Leave Behind". Hier zeigen sich die Herren von der romantische Seite und zelebrieren dies als harmonische Troika. Ich geh mal zur Kochsprache über: sie verschmelzen die Zutaten zu einer cremig zarten Masse, die beim wohligen Schmaußen noch lange nachschmeckt.
Man fühlt sich beim Hören in eine längst vergangene Zeit hineinversetzt. Die drei Musiker sind mit Liib, Seele und vor allem mit Herz dabei. Dieser Funke springt über, man spürt die Einheit und die Freude die sie dabei hatten.
Wie ich finde, könnte es mein Album 2022 werden.
Line-up D’Virgilio, Morse & Jennings:
Nick D’Virgilio (vocals, drums, percussion, bass guitar, acoustic guitar, tron flute, electric guitar)
Neal Morse (vocals, acoustic guitar, bass, organ, slide and electric guitar, windkey, electric piano, fretless Bass, mandolin)
Ross Jennings (vocals, 6 & 12-string acoustic guitar, ebow, lead electric guitar, synth)
Tracklist "Troika":
- Everything I Am
- Julia
- You Set My Soul On Fire
- One Time Less
- Another Trip Around The Sun
- A Change Is Gonna Come
- If I Could
- King For A Day
- Second Hand Sons
- My Guardian
- What You Leave Behind
Gesamtspielzeit: 38:29, Erscheinungsjahr: 2022
2 Kommentare
Ralf Siemer
11. Juli 2022 um 11:49 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Achim,
vielen Dank für deine wohlmeinende CD-Besprechung. Wenn du feststellst, in den letzten zehn Jahren nichts Ähnliches gehört zu haben, fallen mir spontan die Veröffentlichungen der US Rails ein. So ganz brach lag dieses Feld wohl doch nicht.
Mit der Vorfreude auf deinen nächsten Beitrag grüßt dich herzlich
Ralf Siemer
Achim
17. Juli 2022 um 22:59 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Ralf, das freut mich zu lesen, das es dir gefallen hat.
In Sachen Westcoast las ich mich sehr gerne belehren und nehme deinen Tip gerne an.
Ich danke dir.
Rockige Grüße Achim