Meine Fresse, hab ich mich damals gefreut, als die Black Crowes ihre Wiedervereinigung bekannt gaben und gleichzeitig einen neuen Gitarristen in ihren Reihen ankündigten: Isaiah Mitchell von Earthless.
Letztgenannte Band gehört seit so vielen Jahren zu meinen Lieblingen, Isaiah ist einer von all den geilen modernen Erben Jimis, die sich ihrer Vergangenheit nicht schämen und nicht unbedingt der Meinung sind, dass man unsere Musik von Grund auf neu erfinden sollte. Dafür rotzt er uns genau das um die Ohren, was wir haben wollen: Krachende Saitentöne, entwickelt aus stonerartigen Riffs und eskalierend in prickelnd ekstatischem Heavy Psych Blues. Eigentlich muss man gar nicht viel mehr berichten, wenn man das Live-Album aus diesem vermaledeiten Jahr mit dem Titel "Live In The Mojave Desert" beschreiben möchte.
Mehr noch als Radio Moscow und White Hills, zwei adäquate Äquivalente in der Ausrichtung ihrer Musik, setzen Earthless auf die Kraft der sechs Saiten. Und die muss man halt entsprechend in Schwingungen zu versetzen wissen. Isaiah Mitchell weiß darum.
Die CD ist mit mehr als siebenundsiebzig Minuten prall gefüllt, verteilt sich aber auf nicht mehr als drei Songs. Dabei wird das legendäre Album der Band, "Sonic Prayer", komplett mit beiden Nummern dargeboten. Dazu gesellt sich "Violence Of The Red Sea" vom Album "From The Ages".
Die Mojave-Wüste taucht zunächst in zarten bunten psychedelischen Farben, wenn die Gitarre sanft elaborierend den Tag heraufbeschwört. Doch der bricht mit recht brachialer Riff-Gewalt über die trockenen Ebenen herein und fetzige Akkorde dunkler Töne lassen uns einen Eindruck davon bekommen, dass Earthless eben auch eine Band aus dem Bereich des Stoner ist. Wüsten-Rock aus der Wüste, auch thematisch eine schöne Alliteration. "Violence Of The Red Sea" steht in seinem Aufbau durchaus stilprägent. Nach einem dramatischen Intro entwickelt sich der Song in einem ersten wilden Jam. Riff-Passagen dienen der Neuorientierung und kurzen Verschnaufpause, bevor es mit zum Teil erhöhten Tempo wieder zur Sache geht. Hier attackiert der Bass wie ein losgelassenes Untier und die Schläge jagen uns mitten hinein in das Trommelfeuer aberwitziger Licks, gespielt von einem, der sich im Underground längst den Status eines Gitarren-Gottes erworben hat.
Und diese geniale Band Earthless kennen nur so wenige, da fehlen mir die Worte.
"Sonic Prayer" scheint ein Werk zu sein, dass immer wieder anders interpretiert und inszeniert wird. Im Grunde haben wir es mit einem ausufernden psychedelischen Jam zu tun, der keine enger gefassten Rahmen benötigt. Diese Nummer lebt von einem hypnotisch driftenden Flow monotoner Percussion, über der sich von Hall und anderen Effekten beflügelte Gitarrensounds genüsslich und in aller Ruhe entwickeln dürfen. Hier lebt die Spannung vor allem von der variierten Intensität. Mal lässig treibend, ein bisschen Wah-Wah, ein bisschen Geschrammel. Und dann geht die Post ab. Während die Rhythmus-Abteilung nun strikt ein aggressives Feuerwerk ohne große Variationen herunter brennt, eskaliert die Gitarre von einem K-Punkt zum nächsten. Yep, solche Musik ist geil und sie will es auch sein. Vorübergehende Riff-Passagen dienen eher der Entspannung, dann wird mit noch mehr Tempo das zerebrale Empfinden mehr und mehr verdampft. Scheiß auf Kleinhirn, wird eh überschätzt.
Nein, diese Musik zielt eindeutig nicht auf Verstandeswerte ab, hier ist der klassische Gitarrenfetischist gefragt. Einfach los- und die Sau rauslassen, viel mehr braucht es nicht, man muss sich halt gerne reduzieren können auf die wesentlichen Dinge, dann fliegt einem hier der Deckel weg.
Zum Ende hin entschleunigt "Sonic Prayer" recht doomig und bringt uns alle wieder auf den Boden der Tatsachen, damit wir nicht aus allzu großer Höhe abstürzen. Mich erinnern diese Tempiwechsel an eine ganz andere Art des Jam-Rocks. Dickey Betts war ein Meister dieser Spielart, wenngleich in einer völlig anderen musikalischen Umgebung.
Und dann begeben wir uns auf eine fast vierzig Minuten andauernde Reise in schillernde Welten jenseits des gewöhnlichen Vorstellungsvermögens, stets immer wieder eingefangen von schrägen psychedelischen und äußerst eintönig ostinaten Riffs. Dazwischen heben wir spacig ab in fremde Weltenräume, wie sie einst von den Urvätern UFO auf ihrer legendären zweiten LP bereist wurden. Unser Gefährt hat aber eine ganz andere Geschwindigkeit zu bieten und hält sich nicht mit kosmischem Gepipse auf, wir reisen mit Warp-Antrieb und ohne Gefange, wenn es sein muss, mitten hinein in die nächste Supernova oder mitten durch den dicksten Stern. Isaiah Mitchells Gitarrenspiel ist mitreißend, vielfältig und immer im Strom seines eigenen Drifts. Weitgehend setzt er mehr Akzente auf Intensität, Spannung und Intuition, tempomäßige Fingerverrenkungen reduziert er auf ein sehr angenehmes Minimum. Er ist kein Protzer oder Selbstdarsteller, er weiß um den Flow und eine klare Richtung.
Wenn man sich jemals eine musikalische Verarbeitung psychotroper Drogen verabreichen wollte, darf man sich hier sehr willkommen fühlen. Diese Musik verdreht dir die Birne, und zwar ganz legal und ohne schädliche Substanzen. Allein, du brauchst ein Stück weit Kondition, denn die Walze rollt eben fast achtzig Minuten über dich drüber. Das Crescendo über die Minuten-Dekaden in der letzten Nummer ist schlichtweg atemraubend und der Landeanflug beginnt gut sieben Minuten vor dem Finale. So ein Wahnsinn.
Die Variationen in Tempo und Spannung werden übrigens mit einer animalischen Power von Mario in den Äther geprügelt und Mikes Bass kommt einem Kraftwerk gleich. Nein, Earthless ist mitnichten nur Isaiah Mitchell.
Am Ende kann man tatsächlich einfach nur platt anmerken: Leck mich am Arsch, ist das geil!
Line-up Earthless:
Isaiah Mitchell (guitar)
Mike Eginton (bass)
Mario Rubalcaba (drums)
Tracklist "Live At The Mojave Desert":
- Violence Of The Red Sea
- Sonic Prayer
- Lost In The Cold Sun
Gesamtspielzeit: 77:17, Erscheinungsjahr: 2021
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