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Eier mit Speck in Viersen – Festivalbericht vom 29.-31.07.2016

Friede, Freude, Rührei

»Man sieht sich 2016 beim 11. EMS. Und dann bei drei Tagen Sonnenschein.. also ganz bestimmt«. So endete mein Bericht vom Eier mit Speck (kurz: EMS) im letzten Jahr. Grund für diesen Zweckoptimismus war das schlechte Wetter und der durch Sturm arg reduzierte Samstag. Und wieder einmal sieht man, dass Optimismus sich auszahlt, denn das Wetter war 2016 absolut spitze und bis auf zwei Mini-Schauer über drei Tage wirklich sonnig und angenehm warm. Überhaupt lief nach den bereits erwähnten, wetterbedingten Vorfällen im letzten Jahr dieses Jahr alles wie am Schnürchen und natürlich gab es auch wieder die eine oder andere kuriose Aktion und Bands der etwas anderen Sorte, die sich zu den etablierten Headlinern wunderbar einfügten. Hier also mein persönlicher Rückblick auf das insgesamt 11. EMS in Viersen.

Der Freitag – Ein Kessel Buntes

Aeverium

Aeverium

Seit Beginn ist das EMS ja bekannt für eine bunte Band-Mischung, aber an dem Freitag war so ziemlich alles an Genres vertreten, was es gibt. Trotzdem passte es zusammen – so verrückt das auch klingt.

Als vierte Band des Tages betraten die Lokalhelden von Aeverium die Bühne. Das Viersener Gothic-Rock-Sextett nutzte den Heimvorteil ganz routiniert und ließ sich standesgemäß und auch völlig zu recht abfeiern. Der Wechselgesang von Sängerin Aeva und Sänger Marcel verfehlte auch bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen seine Wirkung nicht und die Songs von Debüt "Break Out" kamen bestens an. Als Bonbon gab es eine wirklich sehr gelungene Coverversion des Depeche Mode-Klassikers "Never Let Me Down Again".

Anschließend kamen die Nordlichter von Knallfrosch Elektro und mit einer Mischung aus Deichkind und Seeeed (ganz grob eingeteilt) ging die Party richtig los. Wo eben noch schwere Gothic-Klänge über die Bühne drangen, hüpfte jetzt ein bunter Haufen inklusive Person im Froschkostüm. Das gibt es wohl nicht sehr oft. Die Knallfrösche machten jedenfalls mächtig Stimmung und wurden zu recht abgefeiert.

The Godfathers

The Godfathers

Und schon wieder ein Stilbruch. Mit ihrem Song "Birth School Work Death" landeten die Wave-Rocker von The Godfathers vor über 30 Jahren einen Szene-Hit. Ich jedenfalls hatte lange nichts mehr vom dem Quintett aus London gehört und umso mehr war ich erstaunt, dass die gesetzten Herren nach einer Aufwärmphase doch ab Mitte ihres Sets richtig gut ankamen und der eher ’40+'-Sound auf dem gesamten Gelände beim Publikum für ordentlich Stimmung sorgte. Natürlich durfte besagter Hit nicht fehlen, genau so wenig, wie der "Walking Talking Johnny Cash Blues".

Die Düsseldorfer Deutschrocker von Massendefekt waren stimmungsmäßig der Headliner des Tages. Obwohl ich nicht so recht den Zugang zu ihrer Musik finden konnte, muss ich aber ganz klar sagen, dass hier Vollblutmusiker am Werk sind, die ihr Handwerk wirklich beherrschen und die Massen richtig mitgerissen haben. Absolut Headlinertauglich.

Der offizielle Headliner kam dann um 23.30 Uhr mit den Brit-Rockern von Maximo Park. In  der Indie-Szene heiß und innig geliebt schafften die fünf Herren aus Newcastle es aber nicht ansatzweise an die Euphorie der Vorband ranzukommen. Trotzdem, ein musikalisch absolut souveränes Set und vor allem die Lightshow in Verbindung mit der Musik war schon sehr sehenswert. Aber man hat es eben als Headliner auf Festivals nicht einfach, wenn das Publikum, wie in diesem Fall, schon knapp neun Stunden vor der Bühne steht. Insgesamt aber ganz OK.

Der Samstag – It’s only Rock n Roll

Shuffle

Shuffle

Auch am Samstag gab es wieder ein buntes Programm, wobei hier aber die E-Gitarren allgemein doch etwas stärker im Fokus standen.

Bereits die dritte Band des Tages, Shuffle aus Frankreich, wussten auf Anhieb zu überzeugen. Das sympathische Quintett aus Les Mans kam nach etwas ruhigem Start später immer besser in Fahrt und trotz zwei Keyboardern brachte man jede Menge Energie rüber. Stilistisch grob in die Ecke Incubus und Faith No More einzuordnen, taute das Publikum nach der erwähnten Anfangsphase auf und die Band bekam zu recht viel Beifall. Auch Shuffle präsentierten, wie Aeverium am Vortag, eine sehr eigene und dadurch sehr originelle Coverversion mit dem Police-Klassiker "Roxanne" in ihrem Stil. Guter Auftritt.

Leider musste das geplante Düsseldorfer Reggae- und Rock-Trio The Tips sehr kurzfristig absagen, aber mit dem Trio Elfmorgen zauberten die Veranstalter einen absolut ebenbürtigen Ersatz aus dem Hut. Die drei Jungs aus Hessen spielten fröhlichen deutschen Rock mit witzigen Texten, der an diesem sonnigen Samstag für ordentlich Stimmung sorgte. Natürlich durfte auch ihr Hit "Das Leben ist hart ohne Oberlippenbart" nicht fehlen und zu recht gab es sehr großen Beifall für die Band. Super!

Auch bei den Schweden Hong Faux gab es E-Gitarren-Rock’n’Roll. Allerdings schon ungefähr 432 Mal so gehört und irgendwie alles andere als originell. Trotzdem spendete das, wie immer sehr loyale EMS-Publikum Beifall.

Reggae ist sicherlich nicht Jedermanns Sache, aber wenn er gut gemacht ist und das Wetter noch mitspielt, gibt es kaum bessere Musik auf einem gemischten Festival. Das machten sich Flox aus Frankreich zu nutze und ganz entspannt gab es 45 Minuten feinstes Urlaubs-Feeling für alle. Sehr schöner Kontrast für zwischendurch.

The New Roses

The New Roses

Danach wurden dann wieder die Verstärker auf "11" aufgedreht und das Wiesbadener Quartett von den The New Roses legte mächtig los. Richtig schönen Old-School-Hardrock gab man zum besten und wurde dafür anständig abgefeiert. Frontmann Timmy mit seiner markanten Stimme verstand es blendend, das Publikum anzuheizen und selbst wenn die Musik nicht gerade zeitgemäß ist, zeigte sich wieder, dass Leidenschaft und Spaß auf der Bühne immer noch punkten können.

Danach gab es wieder einen kleinen Stilbruch, das Wiener Ensemble von Gasmac Gilmore setzte gleichfalls auf Gitarren- wenn auch in Verbindung mit Balkan und Ska-Elementen. Das aber passte wunderbar auf das EMS-Festival und die bunte Truppe wurde mit viel Beifall belohnt.

Dann kam mein lang ersehntes Highlight, auf das ich mich mächtig gefreut hatte. Der Kanadier Danko Jones und Band waren angekündigt und ich wurde nicht enttäuscht. 60 Minuten richtig fetten Rock´n Roll gab es auf die Ohren. Dazu eine super Lightshow und jede Menge markige Ansagen und Kommentare von Danko. Das machte richtig Spaß und dementsprechend waren dann natürlich die Reaktionen. Nicht nur mein Highlight des Festivals. Danko Jones ist ein absoluter Vollblut-Rock’n’Roller und eine richtig coole Sau. Hammer!!

Der Sonntag – Rockin' All Over The World

Who Killed Bruce Lee

Who Killed Bruce Lee

Am Sonntag war eine musikalische Reise über den gesamten Globus. Meine erste Band an diesem Sonntag waren Who Killed Bruce Lee aus dem Libanon. Ja, richtig gelesen. Obwohl die Band mittlerweile umgezogen ist und aktuell in Münster lebt, kommt das Quartett ursprünglich aus Beirut. Doch auch dort weiß man vorzüglich zu rocken und bereits zur noch frühen Stunde um 15.00 Uhr wusste man das Publikum sehr zu begeistern. Eine richtige tolle Show mit klasse Musik und viel Spaß und einer sichtlich positiv überraschten Band über die Tatsache, dass zu dieser Stunde schon so eine Euphorie zu spüren war. Passende Anekdote dazu noch am Rande: Später am Tage erzählten die Bandmitglieder stolz, dass alle CDs verkauft worden sind. Auf die Frage, wie viele sie denn dabei gehabt hatten kam die Antwort: »19!« Da sind definitiv viele Leute ohne CD traurig abgezogen, aber zum Glück tritt die Band erneut im November in Viersen in der Rockschicht auf. Da wird man dann sicher mehr Scheiben einpacken müssen.

Max Raptor aus England waren bereits als Vorband von Billy Talent unterwegs und genau an diese Band musste ich auch während ihres gesamten Auftritts denken. Zu sehr ähnelt der Sound der vier Briten dem der erfolgreichen Kanadier. Sauber gespielt und auch gut vom Publikum aufgenommen fehlte mir aber eindeutig bei ihrer Musik die persönliche Note.

Cosmic Psychos

Cosmic Psychos

Dann kam Romano und überraschte irgendwie alle. Romano ist ein Rapper aus Berlin-Köppenick  (worauf er immer wieder während des Sets großen Wert legte) und obwohl Hip-Hop absolut nicht mein Ding ist, schaffte es der gute Mann mit Schlagzeuger und Keyboarder, sowohl das Publikum als auch mich in seinen Bann zu ziehen. Ich weiß nicht warum, aber der gute Mann hat es einfach drauf und das schöne Sommerwetter tat sein übriges dazu. Mit Songs wie "Marlboro Mann", "Der schöne General" und seine Black Metal-Huldigung (!!!) "Metalkutte" machte er richtig Stimmung. Das alles klingt total schräg und das war es auch.

Und wieder absolutes Kontrastprogramm. Die Cosmic Psychos aus Australien ist die dienstälteste Band des Festivals, denn bereits 1982 gründete sich die Urformation der Punk-Legende vom anderen Ende der Welt. Musikalisch gab es einen brachialen und rustikalen Mix aus den Stooges und Motörhead. Iggy Pop oder der verstorbene Lemmy hätten sich prima hier eingefügt. Mit ihrer sehr kauzigen Art und äußert kruden Ansagen der Sorte »Esst mehr Känguru-Fleisch. Die Tiere nerven uns Australier ohne Ende« erntete man zu recht viel Applaus. Sehenswert.

Monsters Of Liedermaching

Monsters Of Liedermaching

Meine letzte Band des Festivals (die Donots habe ich leider verpasst aber sie sollen nach Aussage mehrerer Leute sehr gut gewesen sein) war nochmals ein Knaller und neben Danko Jones das Highlight des 11. EMS. Das sechsköpfige Liedermacher-Kollektiv der Monsters Of Liedermaching sind anders. Ganz anders als normale Bands. Wenn die sechs Musiker mit Gitarre die Bühne betreten, wird schon der Soundcheck zum Happening und noch bevor das Konzert losgeht ist schon Stimmung. Kurioserweise ist man bereits zehn Minuten vor dem Plan mit dem Soundcheck fertig und man fängt früher an und spielt einfach länger. Wie gesagt – normal ist anders. Zu der Titelmusik der "Muppets Show" geht es dann offiziell auf die Bühne und es folgen 70 Minuten die verdammt viel Spaß machen. Jeder darf mal Gitarre spielen und es singen dann sowieso alle Bandmitglieder. Auch das Publikum singt lauthals mit bei "Auflaufform", "Türen", "Doublefuck", "Tod in Nordsee"- alle Songs werden bejubelt. Highlights sind "Interesse ist gut" und die Landleben-Hymne "Cola Korn", die wohl selten besser gepasst hat. Ganz groß!!

Da fällt mir am Ende das Fazit zur 11. EMS-Auflage nicht schwer. Wieder einmal hat das Orga-Team sowie die vielen ehrenamtlichen Helfer eine wunderbare Party über drei Tage mit viel guter Musik in einer entspannten und harmonischen Atmosphäre auf die Beine gestellt. In den aktuell sehr unruhigen Zeiten, in denen wir momentan leben, ist das mehr als man verlangen kann. Wie immer ein tolles Festival und als Sahnehäubchen dieses Jahr noch mit passendem Wetter. Da bleibt nur noch die Vorfreude auf 2017. Ich freu mich jetzt schon.

Vielen Dank an Jürgen Heigh vom EMS-Team für die, wie immer, unkomplizierte Akkreditierung und besonderen Dank an Andreas Döring für die Fotos.

Über den Autor

Udo Gröbbels

Beiträge im RockTimes-Archiv

Genres: Ska, Pop, Rockabilly, Rock N Roll

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