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Eivør / Live In Tórshavn – CD-Review

Eivør / Live In Tórshavn – CD-Review

Bei Odin! Da liegt man mit einer grippalen Infektion in den Kissen, schaut sich eine Wikinger-Serie an und just dann kommt eine nordische Musikerin, bzw. deren Album als ohrale Medizin ans Krankenlager. Ganz anders als der Wikinger, der gerade einen Bären mit den Händen tötet und danach in ein ins Eis gehacktes Loch steigt, um sich zu erfrischen, präsentiert sich Eivør mit glockenklarem Gesang.

Beim Eröffnungstrack "Mjørkaflókar" assoziiere ich Eivørs Stimme mit der von Kate Bush. Das passiert während der Hörsitzung noch öfters, allerdings ist die Färöerin seriöser unterwegs, da sie im Gegensatz zu der Britin keine stimmlichen Achterbahnfahrten unternimmt.

Eivør kommt von den Färöer Inseln und in deren Hauptstadt Tórshavn, genauer gesagt, im Old Theatre wurde vorliegendes Material mitgeschnitten. Die Nummern stammen aus Eivørs Alben "Room" (2012), "Bridges" (2015) und "Slør" (2015). Des Weiteren gibt es mit "Famous Blue Raincoat" ein Cover des kanadischen Sängers und Poeten Leonard Cohen. Gleich am Gitarrenintro zu erkennen, passt die Nummer perfekt in die Setliste des Konzertes.

Ihre Alben sind mir bis dato unbekannt, aber laut Info soll die Künstlerin den Songs live oftmals eine neue Identität geben. Mir jedenfalls ist es nicht möglich, dies zu überprüfen, was allerdings auch nicht notwendig ist, denn ihre Reputation ist eine sehr gute, was viele Preise und Nominierungen beweisen. Vorliegende Liveaufnahmen strotzen nur so von energiegeladenen Nummern. Es ist zu jeder Zeit diese gewisse nordische Melancholie spürbar, die mich als Mitteleuropäer immer wieder packt, wenn ich nordischen Folk höre. Man stellt sich (angenehme) Einsamkeit in (noch) echter Natur vor. Kälte, Wind, Meer, Mythen und eine gewisse Sehnsucht nach diesen Landstrichen.

Das alles in Verbindung mit der perfekten Stimme, macht die Musik zu etwas Besonderem, zu etwas, was den üblichen musikalischen Alltag durchbricht. War beim Lesen des Line-ups noch etwas Skepsis ob des Synthesizers vorhanden, so ist diese spätestens nach "Salt" wie weggewischt. Der Synthie brazt und knarzt tieffrequent zur Folknummer. Der Pressetext spricht u. a. von »Folktronica«. Auf jeden Fall verschafft der Einsatz der Elektronik dem Lied eine enorme Präsenz, potenziert es quasi in eine andere Dimension. Nicht so gewaltig passiert das im Übrigen auch bei "True Love". Bei diesem Track schafft ein moderner, bassbetonter Beat Kontraste zum sirenhaften Gesang.

Aber es überwiegen die, zumindest für ungeübte Ohren der nordischen Folklore, Fernweh-erzeugenden Folktunes. Für traumhafte Melodien stehen stellvertretend "Rain" und "Bridges". Diese Kompositionen kann man nicht anders als absolut gelungen bezeichnen. In letztgenannter Nummer zeigt Eivør Pálsdóttir auch, in welch bemerkenswerte stimmliche Höhen sie vorzudringen vermag.

Und um noch einmal auf die eingangs erwähnten Wikinger zu kommen, "Trøllabundin" lebt von einem minimalen tribalen Rhythmus, der in der Tat an die Ruderfrequenz auf Langschiffen erinnert. Eine ganz starke Nummer. Die beteiligten Musiker legen überhaupt ein hervorragendes Zeugnis ab. Sie haben größtenteils keine Möglichkeit besonders hervorzustechen und sich dominant mit Soli zu präsentieren. Der Fokus liegt eindeutig beim Gesang der Protagonistin. Aber genau durch die austarierte Beteiligung der Instrumente wird dieser gekonnt in Szene gesetzt.

Für diejenigen, die Nachspanne nicht lesen: Frau Pálsdóttir war Co-Komponistin für den Soundtrack zur Serie "The Last Kingdom" sowie für das Videogame "God Of War".


Line-up Eivør:

Eivør (vocals, guitars, hand drum)
Mikael Blak (bass, synths)
Høgni Lisberg (drums, backing vocals)
Allan Tausen (backing vocals – #6,8)
Marius Ziska (backing vocals – #6,8)
Konni Kass (vocals & backing vocals – #5)

Tracklist "Live In Tórshavn":

  1. Mjørkaflókar
  2. Brotin
  3. Verð Mín
  4. Salt
  5. Rain
  6. Bridges
  7. The Swing
  8. Famous Blue Raincoat
  9. Remember Me
  10. On My Way To Somewhere
  11. Silvitini
  12. Trøllabundin
  13. Boxes
  14. Tides
  15. True Love
  16. Falling Free

Gesamtspielzeit: 75:18, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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