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Electric Swan / Windblown – CD-Review

Electric Swan - Windblown - CD-Review

Wahnsinn, dass es geschlagene fünf Jahre dauern musste, bis die italienischen Rocker von Electric Swan nun mit "Windblown" endlich den Nachfolger des sehr starken Swirl In Gravity vorlegen konnten. Gründe für sowas gibt es immer und meistens entstammen diese vielfachen Ursachen. Nur eine davon ist, dass es um das Grundgerüst, bestehend aus dem Gitarristen Lucio Calegari und der Sängerin Monica Sardella, in den letzten Jahren sehr viele Line-up-Wechsel zu verzeichnen gab. Aber Schwamm drüber, denn die jetzt vorliegenden elf brandneuen Tracks überzeugen erneut auf ganzer Länge. Ob zeitweise Zähfließendes mit Black Sabbath– bzw. Grand Funk Railroad-Einschlag, waschechte Rocker mit starken Refrains oder auch mal Funkiges – das Quartett besticht durch Vielfalt, gutes Songwriting und eine gekonnte Umsetzung.

Bei dem abgedrehten Instrumental "Beautiful Bastard" sind dann sogar noch Bläser im Einsatz, die diese Mischung aus Blues, Jazz und Fusion ganz nebenbei von hinten antreiben, während sie zu gegebener Zeit auch zu Soloeinsätzen kommen. Das Zepter schwingt aber nach wie vor Lucio Calegari an der Gitarre, während die grundsoliden und mitreißenden Rhythmiker alles im Griff haben und nichts aus dem Ruder gleiten lassen. Calegaris Spiel ist von dem Sound der sechziger sowie siebziger Jahre geprägt, sehr atmosphärisch und obendrein noch ungeheuer ausdrucksstark. Apropos 'ausdrucksstark', in diesem Zusammenhang muss natürlich auch unbedingt die Frontlady Monica Sardella erwähnt werden, die sich gekonnt, zielsicher und sehr powervoll durch die neun von ihr gesungenen Tracks empor schwingt.

Die Singleauskopplung "Cry Your Eyes Out" eröffnet die Platte und bringt umgehend einen Wirbelwind aus bluesigen Licks sowie explosiver Schlagzeug-Arbeit ins Spiel, während auch die Frontlady einen sehr gelungenen Einstand hinlegt. Das folgende "Face To Face" legt tempomäßig einen drauf und wird von leider unerwähnten Musikern an den Blasinstrumenten unterstützt. War auf dem Vorgänger-Album noch eine Coverversion des Janis Joplin-Stücks "Move Over" vertreten, so hat sich Electric Swan hier den Betty Davis-Titel "If I’m In Luck I Might Get Picked Up" zur Brust genommen. Dies allerdings sehr rockig mit geiler Orgel, sodass man den Song eigentlich überhaupt nicht mit seiner Komponistin in Verbindung bringen würde, wüsste man es nicht besser. Das zweite Cover ("Sin’s A Good Man’s Brother") stammt tatsächlich von Mark Farner bzw. Grand Funk Railroad und rockt erwartungsgemäß die Hütte. Nach einem verhaltenen Beginn mit der Akustischen kommt die gesamte Band ins Spiel und groovt sich geradezu die Seele aus dem Leib. Sehr gelungen.

Die vielleicht eingängigste Nummer und einer meiner absoluten Favoriten ist das großartige "Bad Mood", das bereits während der groovigen Einleitung die Funken fliegen lässt und immer weiter auf den Höhepunkt hinarbeitet, der sich schließlich in einem großartigen Refrain mit Ohrwurm-Charakter entlädt. Hochansteckend und wenn es nach mir ginge, definitiv die zweite Single-Auskopplung aus "Windblown". Mit einer wunderschönen, todtraurigen Flöte startet "Here Is Nowhere", bevor Signorina Sardella zu zarter Gitarren-Begleitung ihren Blues klagt. Kurz vor dem Refrain zieht die Nummer zwar nochmal an, bleibt insgesamt aber nachdenklich und ruhig, was sich als ein guter Kontrast zum Großteil des übrigen Materials herausstellt. Den Schlusspunkt setzt das leider viel zu kurze Titelstück, ein Alleingang Lucio Calegaris auf der Akustikgitarre mit feinen Melodien und bittersüßer Stimmung, der die Scheibe auf der genau richtigen Note beendet.

Wie auch heute war Electric Swan bereits vor fünf Jahren (und sogar schon davor) ein echter Geheimtipp. Schade, dass "Windblown" nach dem vorherigen Album nicht bereits ein paar Jahre früher nachgeschoben werden konnte, denn dann wären die Italiener heute wahrscheinlich bereits viel dicker im Geschäft. Egal, diese neue Scheibe dürfte den Blues Rock-Freunden weltweit großen Spaß bereiten. Uno disco fantastico!


Line-up Electric Swan:

Lucio Calegari (guitars, background vocals)
Monica Sardella (lead vocals)
Vincenzo Ferrari (bass)
Alessandro Fantasia (drums)

Tracklist "Windblown":

  1. Cry Your Eyes Out
  2. Face To Face
  3. Bad Mood
  4. Leaves
  5. Losin' Time
  6. Sin’s A Good Man’s Brother
  7. Beautiful Bastard
  8. Carried By The Wind
  9. Here Is Nowhere
  10. If I’m In Luck I Might Get Picked Up
  11. Windblown

Gesamtspielzeit: 56:35, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. Peter

    Vollkommene Zustimmung. Wem das Genre "Classic Rock" mit seinen üblichen verdächtigen, ob nun Blues Pills oder Graveyard, mittlerweile gehörig gegen den Strich geht, es gibt Alternativen. Die auch wirklich authentisch sind und zu den Zeiten, die als maßgebliche Beeinflussung dienen, also frühe bis mittlere 1970-iger Jahre, durchaus auch hätten aktiv sein konnten. Denn, ob nun 1974 oder 2018, abgesehen von der digitalen Aufnahmetechnik, beide Jahreszahlen passen.

    1. Markus

      Hi Peter,

      erstmal danke für deinen Kommentar, den ich nur unterschreiben. Es gibt tatsächlich nach wie vor sehr viele starke Bands da draußen, die den alten Spirit bzw. Sound lieben und leben. Die meisten davon sind leider nur leidlich bekannt und fristen ein Schattendasein. Aber mit nur geringem Aufwand kann man da schon viele Schätze finden.

      In diesem Sinne, Rock’n’Roll!!!

      Markus

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